Ein dreizehntägiges Fest

Seit über 2.500 Jahren wird im Iran das Neujahrsfest „Nouruz“ gefeiert. Die Wurzeln dieses Festes liegen in der altiranischen Religion des Zoroastrismus. Heute feiern über 300 Millionen Menschen weltweit Nouruz. Hintergründe von Shohreh Karimian.
Die Jahrtausend alte Festlichkeit „Eyd-e Nouruz“, wörtlich das „Fest des neuen Tages“, wird jedes Jahr am Frühlingsanfang, zur Tag- und Nachtgleiche gefeiert. Wenn das Tageslicht über die dunkle Nacht obsiegt, die Natur sich erneuert und das Alte und Belastende abfällt, beginnt das iranische Neujahr. Nouruz ist ein Fest der Freude, der Hoffnung und der Familie, das bereits vor dem Zeitalter der Achämeniden-Dynastie gefeiert wurde und tief in der altiranischen, vorislamischen Kultur verankert ist.
Das Buch der Könige „Shahnameh“, das im 11. Jahrhundert vom persischen Meisterdichter Firdowsi verfasst wurde, und die historisch-mythologische Geschichte des Iran in Versen beinhaltet, führt den Ursprung des iranischen Neujahrs auf die Herrschaft von König Jamshid zurück, der in zoroastrischen Quellen die Menschheit vor einem tödlichen Winter rettete. Jamshid erbaute außerdem einen Thron mit Edelsteinen und ließ sich von Dämonen in den Himmel heben. Nach der iranischen Mythologie versammelten sich alle weltlichen Kreaturen, bewunderten diese „Erhebung“ und nannten den Tag „Nouruz“. Dieser Tag war der erste „Farwardin“ – der erste Monat des iranischen Kalenders.
Für die iranische Malerin Naghmeh Roomi, die seit 22 Jahren in Deutschland wohnt, ist das iranische Neujahrsfest ein sehr wichtiges Ereignis. „Alles riecht frühlingshaft gut und man spürt, wie sich alles erneuert. Nouruz bedeutet für mich, dass ich das alte Jahr mit all den positiven und negativen Geschehnissen hinter mir lasse und das neue Jahr von Glück und positiven Dingen erfüllt sein wird.“

Chaharshanbeh-souri - Über dem Feuer springen am letzten Dienstagabend des Jahres
Chaharshanbeh-souri – Über dem Feuer springen am letzten Dienstagabend des Jahres

 
Diese Einstellung ist auch bei den Zoroastriern allgegenwärtig. Sie glauben an die duale Existenz des Guten und Bösen auf der Welt: Nouruz ist nicht nur ein Neujahrsfest, sondern auch eine Wiedergeburt der Natur und eine symbolische Erneuerung des menschlichen Wesens. Wenn der Tagesanbruch die Nacht verdrängt , wird auch das Böse und Dunkle durch das Licht und die Weisheit besiegt.
Ein Tischtuch mit den sieben „S“
Die Feierlichkeiten dauern 13 Tage an und lassen sich in unterschiedliche Phasen einteilen. Etwa zwei Wochen vor Nouruz lässt man aus Weizen-, Gersten- oder Linsenkörnern „Sabzi“, d.h. eine ausgesäte kleine Wiese, erwachsen. Der Neujahrsputz, Einkäufe und die Beseitigung alter, schadhafter Gegenstände stehen in der Nouruz-Vorbereitungszeit ganz oben auf der „To-do“-Liste. Die Wohnzimmer werden mit den sogenannten „Sofre-ye Haft-Sin“-Tafeln (Tischtuch mit den sieben „S“) geschmückt. Diese „Sieben S“ sind Lebensmittel und Gegenstände, deren Anfangsbuchstaben mit „S“ beginnen und allesamt eine symbolische Bedeutung haben: die Sabzi-Wiese steht zum Beispiel für Wiedergeburt und Fruchtbarkeit, Sir (Knoblauch) und Somaq (Sumak-Gewürz) symbolisieren die Gesundheit im neuen Jahr, Sib (Apfel) und Senjed (getrocknete Mehlbeeren) reflektieren Liebe und Lebensfreude,  Serkeh (Essig) steht für die Geduld und ein langes Leben, Sonbol (Hyazinthe) symbolisiert Schönheit.
Die Zahl sieben zu überbieten, gilt nicht als verkehrt – im Gegenteil. Damit das neue Jahr Erfolg verspricht, werden beispielsweise auch Sangak (ein spezielles Brot) und Sekeh (Silbermünzen) dazugelegt. Und auch ein Spiegel sowie ein Kerzenleuchter dürfen auf der Neujahrstafel nicht fehlen – auch wenn die Namen dieser Gegenstände nicht mit „S“ anfangen. Ebenso wird der Haft-Sin-Tisch mit bemalten Eiern, die Neugeburt und Fruchtbarkeit symbolisieren, und Goldfischen in einem Wasserglas gedeckt.
Die Feuersprung-Tradition
Die zweite Phase beginnt in der Nacht zum letzten Mittwoch des alten Jahres und spielt eine besondere Rolle: In der sogenannten „Chaharshanbeh-Soori“-Nacht wird aus Dornengebüsch ein Feuer angezündet. Das Feuer spielt eine zentrale Rolle im Zoroastrismus. Es hat eine göttliche Symbolik und besitzt als heiliges Element die Eigenschaft, Leben zu erschaffen, aber auch zu vernichten. Menschen versammeln sich um diese kleinen, Osterfeuerähnlichen Flammen und springen darüber, während sie den traditionellen Spruch „Meine Blässe Dir, Deine Röte mir!“ wiederholen. Damit werden die Gebrechen und Krankheiten der Winterzeit dem Feuer übergeben und die Energie des Feuers aufgenommen. Die Menschen sind fröhlich, feiern gemeinsam und essen getrocknete Nüsse und Früchte (Agil).
Millionen IranerInnen haben den 2. April in der Natur verbracht. Traditionell wird im Iran das neue Sonnenjahr - begonnen am 20. März - mit dem 13-tägigen Nouruz-fest gefeiert. Am letzten Tag, dem „Sizdah Bedar“, picknicken die Familien in der Natur, um den Frühling willkommen zu heißen. Nach dem Volksglauben gilt die Zahl 13 als mit Unglück und Unheil verbunden. Da öffentliches Feiern und tanzen im Iran verboten sind, begnügen sich viele mit Ball-Spielen.
Den 13. Tag des Jahres verbringen die Iraner*innen im Freien  

 
Jahreswechsel und Frühlingsbeginn
Am Nouruz-Tag versammelt man sich dann um die „Haft-Sin“-Tafel, liest aus dem Shahnameh Firdowsis, dem Divan des Hafez oder dem Koran und wartet auf den Jahreswechsel. Und schließlich erfolgt der Countdown: „Dah (zehn), noh (neun), hasht (acht)…sefr (null)!“ – jetzt ertönt ein Kanonenschuss, der den Jahreswechsel symbolisiert. „Für mich ist Nouruz immer ein großartiges Ereignis, weil es dann viele Geschenke gibt“, sagt der zwölfjährige Iraner Nozhan Mirhosseini. „Meine Eltern legen in das Buch des Dichters Hafez etwas Geld, das beim Jahreswechsel verteilt wird. Manchmal gibt es auch Spielzeuggeschenke, die natürlich auch toll sind!“, so Nozhan.
„Die 13 los werden!“
Der 13. Tag nach dem Neujahr markiert den letzten Höhepunkt und somit auch das Ende der Nouruz-Feierlichkeiten. Unter dem Vorwand, dass die Zahl 13 Unglück bringt und man dann ja nicht zu Hause bleiben dürfte, machen sich viele Familien im Iran auf den Weg, um ein Picknick im Grünen zu veranstalten und das Erwachen der Natur gemeinsam zu genießen. An diesem sogenannten „Sizdah be-Dar“-Tag (zu Deutsch: Dreizehn zur Tür hinaus, d.h. die 13 los werden) wird das winterlich Schlechte durch das frühlingshaft Gute ersetzt. Ein ausgiebiger Ausflug, einschließlich leckerem Essen, Brett- und Ballspielen, markiert schließlich das Ende der Neujahrsfeier und den Anfang des neuen Jahres.
„Nouruz in Deutschland kann man natürlich nicht mit den Feiern im Iran vergleichen“, meint Naghmeh Roomi. „Das Ambiente ist dort nämlich komplett anders: Im Iran kann man überall Gegenstände für die Feier kaufen und alles deutet dort auf die bevorstehende Festlichkeit hin – man könnte sagen, es riecht geradezu nach Nouruz! In Deutschland muss man sich dieses Ambiente selbst kreieren, um diese wichtige Tradition am Leben zu erhalten.“
SHOHREH KARIMIAN
© Qantara
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