Mehr Härte gegen kritische Promis

Ein Gesetzentwurf im iranischen Parlament deutet auf den Beginn einer neuen Epoche hin. Das bisherige relativ milde Vorgehen gegen prominente Kritiker:innen wird ad acta gelegt. Der Staat soll künftig auch ihnen gegenüber Härte zeigen.

Von Omid Rezaee

Mitte Oktober hatten Medien und Aktivist:innen aus der nordwestiranischen Stadt Ardabil berichtet, dass dort eine 15-jährige Schülerin von Sicherheitskräften zu Tode geprügelt worden sei, weil sie auf einer staatlichen Kundgebung Revolutionsparolen gerufen hatte – etwa „Frau – Leben – Freiheit“. Die Kundgebung hatte der Staat organisiert, um seine Anhänger:innen gegen die landesweiten Proteste zu mobilisieren. Seit September letzten Jahres gehen Tausende Iranerinnen und Iraner gegen das islamische Regime auf die Straße.

Während die staatlichen Behörden den Vorfall in Ardabil bestritten, meldete sich die iranische Fußball-Legende Ali Daei per Instagram zu Wort. Daei, der die Höhepunkte seiner Karriere als Spieler bei Bayern München und Hertha BSC Berlin hatte, erklärte, er habe Informationen aus seiner Heimatstadt Ardabil, die doch auf den Tod des Mädchens hinwiesen. Praktisch beschuldigte Ali Daei damit die Sicherheitsbehörden der Lüge. Der Konflikt spitzte sich zu: Daeis bekam Ausreiseverbot, sein Pass wurde beschlagnahmt, auch seine Familie darf das Land nicht verlassen.

Der ehemalige Fußballspieler ist nicht die einzige prominente Person, die in den vergangenen hundert Tagen den Propagandaapparat der Islamischen Republik herausforderte, der durch die revolutionären Proteste ohnehin überfordert ist. Dutzende Prominente unterstützen den landesweiten Aufstand, einige beteiligen sich sogar daran – von Nationalsportler:innen über Influencer:innen mit großer Reichweite in sozialen Medien bis zu Künstler:innen und anderen Personen aus der Kulturszene.

Das Ende der Duldung

Bisher nimmt das Teheraner Regime die Kritik der sogenannten Celebrities jedoch weder wahr noch geht es auf demokratische Weise auf sie ein. In der Tat ist der Kurs des iranischen Staates schon immer nichts anderes gewesen als Einschüchterung und Verleumdung von Kritiker:innen. Jedoch hat der Sicherheitsapparat bislang stets versucht, eine direkte Konfrontation mit beliebten Celebrities solange es geht zu vermeiden.

Diese Zeiten scheinen nun vorbei zu sein: Vierundzwanzig Mitglieder des islamischen Parlaments haben einen Gesetzentwurf eingebracht, nach dem öffentliche Personen für Meinungsäußerungen in den Medien, in sozialen Netzwerken und anderswo bestraft werden sollen, wenn diese mit offiziellen Angaben staatlicher Behörden nicht übereinstimmen.

Niemand kann für seine Meinung bestraft werden, aber eine absolut freie Meinungsäußerung ist auch nicht erlaubt.“ Mit diesem Argument zur Einschränkung der Äußerungs- und Meinungsfreiheit begründet ein Abgeordneter den Entwurf zum „Straftatbestand der unsachlichen Äußerungen“, den er mit initiiert hat. Die vorgesehenen Strafen: zehn bis fünfzehn Jahre Gefängnis, Bußgeld, Berufsverbot und Entziehung von sozialen Rechten. Das Parlamentspräsidium hat den Eingang des Entwurfes am 30. Januar bestätigt.

Keine Hürden für den Gesetzesentwurf

Das Gesetz wird in Kraft treten, nachdem es im Parlament verabschiedet wurde. Angesichts der Aufstellung des Parlaments, in dem erzkonservative Abgeordnete die absolute Mehrheit haben, ist von keinem Gegenwind auszugehen. Danach soll der sogenannte Wächterrat die Übereinstimmung des Gesetzes mit der Scharia und der Verfassung überprüfen. Auch keine Hürde, da der Rat von fundamentalistischen Klerikern und Juristen dominiert wird.

Das Gesetz deutet auf eine neue, vermutlich endgültige Entscheidung des Regimes hin. In den vergangenen Jahrzehnten war die Toleranz gegenüber mäßiger Kritik durch prominente Personen, die sich im Wesentlichen an die Spielregeln des Regimes hielten, etwa um ihre Arbeit in der Filmproduktion oder der Nationalmannschaft fortsetzen zu können, eine Show der Meinungsfreiheit, die so nach Innen und Außen in Szene gesetzt wurde.

Doch angesichts der aktuellen Entwicklungen hat das Regime offenbar genug davon. Den Machthabern in Teheran liegen keine Gründe vor, diese aufwändige Show fortzusetzen. Denn es hat sich gezeigt, dass sie schnell aus dem Ruder laufen kann. Die Kritiker:innen, die in ruhigen Zeiten ihre Grenzen kennen, sind in der Lage, in Zeiten der Aufstände rote Linien zu überschreiten. Dies zeigt der Fall von Ali Daei, aber auch der der weltberühmten Schauspielerin Taraneh Alidoosti, die sich mit dem Ablegen des Zwangs-Kopftuchs den Protesten angeschlossen hat. Oder des kurdischen Fußballspielers Vouria Ghafouri, der für ein paar Tage verhaftet wurde und nun auf seinen Gerichtsprozess wartet.

Das neue Gesetz ist eine präventive Maßnahme und soll dazu dienen, öffentlich bekannte und einflussreiche Persönlichkeiten davon abzuhalten, ihre kritische Meinung auszusprechen. Sollten sie sich nicht einschüchtern lassen, schafft das Gesetz eine Grundlage für juristische Verfolgung.

Ob sich dies in der Praxis auswirken und die Celebrities mundtot machen kann, lässt sich erst in den nächsten Monaten oder sogar Jahren beantworten. Was aber bereits klar ist: Infolge der Proteste rund um den Slogan „Frau – Leben – Freiheit“ legt die Islamische Republik die Förmlichkeit beiseite und zeigt ihre eiserne Faust. Die heuchlerische Duldsamkeit gegenüber nicht politischen Celebrities entspricht nicht mehr dem Zeitgeist der neuen Epoche, in der sich die Gesellschaft traut, das Regime als Ganzes abzulehnen und diese Ablehnung in aller Klarheit zu äußern.

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