Der Widerstand ist weiblich
„My Stealthy Freedom“ und „Weißer Mittwoch“
2014 gründete die in den USA lebende Journalistin Masieh Alinejad die Facebookseite „My Stealthy Freedom“, auf Deutsch „Heimliche Freiheiten“. Sie ruft Frauen auf, ihre Kopftücher abzulegen und das per Foto oder Video zu dokumentieren. Die Bilder werden dann auf der Facebookseite veröffentlicht. Die 41-jährige Journalistin, die im Iran für Reform-Zeitungen arbeitete, hatte das Land wegen ihrer Berichterstattung verlassen müssen. Nun wurde ihr vorgeworfen, sie wolle sich auf Kosten mutiger Iranerinnen im Ausland profilieren. Doch die des Schleiers müden Frauen im Iran folgten Alinejads Aufruf und schickten ihr zahlreiche Bilder und Videos. Ihre Bemühungen haben zweifelsohne Früchte getragen.
Später rief Alinejad auch zu der Aktion „Weißer Mittwoch“ auf. Frauen sollten mittwochs weiße Kopftücher tragen und sich so als Kritikerinnen des Schleierzwangs outen. Auch diesem Aufruf folgten viele Iranerinnen.
„Empowerment“ trotz islamischer Regierung
Die Frauen im Iran haben in Sachen Bildung die Nase vorn: Über 60 Prozent der Studierenden und Uni-AbsolventInnen sind weiblich. Und das trotz einer Reihe von Maßnahmen wie der Männerquote im Fach Medizin oder dem Verbot bestimmter Fachrichtungen wie Bergbauingenieur und Agrarwissenschaften für Frauen – mit der Begründung, dass sie im Berufsleben für längere Zeit von zuhause fern bleiben müssten. Frauen dürfen nicht studieren, wenn ihre Uni nicht am Wohnort ihrer Eltern liegt.
Der Grund für den Bildungserfolg der Frauen liegt möglicherweise gerade in ihrer jahrelangen Benachteiligung und Bevormundung. Frauen dürfen manche Sportarten nicht treiben, sie dürfen nicht als Zuschauerinnen ins Sportstadion, dürfen nicht alleine reisen und in Hotels übernachten, werden von Vorgesetzten und Arbeitgebern sexuell belästigt und missbraucht. So liegt ihnen daran, in den Bereichen, die ihnen nicht verboten sind, zu punkten.
Erfolge in Sachen rechtliche Benachteiligung
Vor knapp zwölf Jahren gründeten Frauen die „Kampagne für eine Million Unterschriften gegen die rechtliche Benachteiligung der Frau“. Prominente Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsaktivistinnen waren daran beteiligt: die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, die inzwischen verstorbene Dichterin Simin Behbahani, die Schriftstellerin Moniru Ravanipour und andere. Die Aktivistinnen entwarfen eine Broschüre, die gesetzliche Benachteiligungen aufzählte, und Flyer, die erklärten, was die Aktion erreichen wollte. Hunderttausende Frauen wurden so darüber informiert, aufgeklärt und bewegt.
Der Weg zur Beseitigung der zahlreichen rechtlichen Benachteiligungen von Frauen im Iran ist steinig. Doch nach jahrelangen Bemühungen gibt es nun einige positive Veränderungen. Zwar ist es rechtlich nach wie vor nur für Männer möglich, sich von ihrer Frau scheiden zu lassen. Der Ehemann darf noch immer entscheiden, ob seine Frau studieren oder arbeiten, ob sie ins Ausland reisen darf oder nicht. Doch den vorgefertigten Eheverträgen wurde eine Seite hinzugefügt. Wenn der Ehemann sie unterschreibt, bevollmächtigt er seine Frau unwiderruflich, all diese Entscheidungen selbst zu treffen.♦
Die Frauenrechtlerin Dr. Nasrin Bassiri ist Mitbegründerin der „Etehade Melli Zanan“ (Union iranischer Frauen). Anfang der 1980er Jahre hat der islamische Staat die Organisation verboten und zahlreiche ihrer Mitglieder verhaftet. Daraufhin flüchtete Nasrin Bassiri nach Deutschland. Sie arbeitet seit zwei Jahrzehnten als Frauenbeauftragte an der Berliner Kunsthochschule Weißensee.
©Iran Journal
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