Häusliche Gewalt gegen Frauen in der Islamischen Republik

Immer wieder werden Frauen im Iran Opfer häuslicher Gewalt. Von Gesetzen geschützt wurden sie bislang kaum. Daran hat trotz anderslautender Versprechen auch die Regierung Rouhani bislang wenig ändern können. Dennoch verspricht die Frauenbeauftragte der Regierung kurz vor den Wahlen, dass sich die Situation verbessern wird. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist im Iran nach wie vor ein ernstes Problem, das seit Bestehen der islamischen Republik von keiner Regierung gelöst werden konnte. Sie kann physischer und psychischer Art sein, sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Mann zeigen oder auch sexueller Natur sein. In diesen Ausformungen zeigt sich das Phänomen auf dem gesamten Erdball.
Doch was sind die spezifischen Gründe für die häusliche Gewalt in der Islamischen Republik? „Diese Form von Gewalt zeigt sich meist in besonders einkommensschwachen Haushalten oder solchen, wo der Mann alkohol- oder drogensüchtig ist. Den Frust, den diese Männer aufbauen, lassen sie an ihren Frauen aus“, erklärt der Teheraner Soziologe Farzin Baharloo im Gespräch mit dem Iran Journal. 85 Prozent aller Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen im Iran seien auf Suchtprobleme der Täter zurückzuführen, sagte der Leiter des Komitees zur Bekämpfung von Drogen vergangenen Juni gegenüber iranischen Medien.
Befördert würde häusliche Gewalt gegen Frauen auch durch die mediale Propagierung altmodischer Rollenbilder, nach denen eine „gute Frau“ zu erdulden habe, was ihr Mann ihr antut: „Das Schweigen vieler Frauen gibt ihren Männern freie Hand, gegen sie Gewalt auszuüben. Und die Gesetze der Islamischen Republik stehen alles in allem auf der Seite des Mannes“, so Baharloo.

Schwacher Rechtsschutz

Das Problem mit den iranischen Gesetzen sei, dass sie viel Raum für Interpretationen ließen, sagt die Anwältin Nasrin M. im Gespräch mit dem Iran Journal. „Im Zivilrecht etwa steht, dass Frauen und Männer einen guten Umgang miteinander pflegen sollen. Aber was bedeutet das konkret?“, fragt sie. Auch sei nicht eindeutig geregelt, wann es der Frau zustünde, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, so die Teheraner Juristin. „Paragraf 1130 besagt, dass die Ehe geschieden werden kann, wenn sich herausstellt, dass der Mann unerträgliches Verhalten gegenüber der Frau zeigt. Aber was genau passieren muss, damit die Frau ihren Mann verlassen darf, ist nicht näher definiert.

Diese schwachen Gesetze sind nichts, worauf sich Frauen in Not verlassen können. Gewalttätige Männer wiederum haben nicht das Gefühl, dass ihnen für ihre Taten rechtliche Konsequenzen drohen“, so M. Besonders ungeschützt seien iranische Frauen hinsichtlich ihrer Sexualität: „Wenn der Mann mit seiner Frau schlafen will, muss die Frau sich diesem Wunsch fügen. Den Begriff der Vergewaltigung in der Ehe gibt es rechtlich im Iran nicht“, sagt die Anwältin, die aus Sicherheitsgründen nicht mit vollem Namen genannt werden will.

Im Iran gibt es 18 Frauenhäuser
Im Iran gibt es 18 Frauenhäuser

 
Ungenaue Statistiken
Darüber, wie viele iranische Frauen tatsächlich von ihren Männern misshandelt werden, existieren keine genauen Angaben. Viel zu selten werden derartige Fälle zur Anzeige gebracht. Man kann nur annehmen, dass die Angst vor dem Gewalttäter oder dem Gesichtsverlust zu groß ist. Es darf auch spekuliert werden, ob nicht der mangelnde rechtliche Schutz viele Frauen davon abhält, sich an die Polizei zu wenden. So gab die Frauenforscherin Shokooh Navabinedschad Ende 2015 bei einer Pressekonferenz bekannt, dass nur 35 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt angezeigt würden. Von diesen Anzeigen wiederum würde ein großer Teil fallengelassen.
Zuletzt wurde während der Amtszeit des Reformpräsidenten Mohammad Khatami der Versuch unternommen, eine genaue Studie zum Thema häuslicher Gewalt gegen Frauen im Iran durchzuführen. Das Ergebnis dieser Untersuchung wurde in 32 Bänden festgehalten. Doch diese sind laut Shahindokht Molaverdi, der Vizepräsidentin für Frauenangelegenheiten im Kabinett von Hassan Rouhani, auf mysteriöse Weise spurlos verschwunden. Nur online lassen sich Exzerpte der Studie, die nicht mehr aktuell ist, auffinden. So kann nachgelesen werden, dass unter den Formen häuslicher Gewalt die psychische Ausprägung am häufigsten vorkommt.
Laut einer anderen Studie aus dem Jahr 2015, die von der Universität der nordiranischen Stadt Rascht durchgeführt wurde, haben 64 Prozent der dort befragten Frauen angegeben, bereits Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein. Wie repräsentativ diese Zahl für andere Städte und Regionen des Iran ist, darüber lässt sich streiten. Alarmierend ist sie jedoch allemal.

Kritik der Frauenbeauftragten

Wenn man die eigenen Ansprüche der Regierung von Hassan Rouhani zugrunde legt, müsste dem Thema viel mehr Beachtung geschenkt werden. So beklagte sich die Frauenbeauftragte der Regierung, Molaverdi, im November 2015 gegenüber iranischen Medien, dass die Administration es versäumt habe, die Gesetze zu verschärfen, um Frauen mehr Schutz vor häuslicher Gewalt zu gewährleisten. Es scheine das Bewusstsein vorzuherrschen, es gäbe im Iran keine Probleme mit diesem Phänomen, klagte damals die Regierungspolitikerin.

Ende Dezember 2016 gab Masoudi Farid, Stellvertrtender Leiter der staatlichen Wohlfahrtsorganisation „Sazman Behzisti“, bekannt, dass es im Iran nur 18 Frauenhäuser gibt. Die Hauptaufgabe dieser Häuser ist allerdings „Stärkung der Familie und Reduzierung der Scheidungsrate“, ließ Valliolah Nasr, ein Funktionär der „Sazman Behzisti“, wissen.
Allerdings dürfe man in naher Zukunft mit Fortschritten rechnen, verkündete Shahindokht Molaverdi: Die Regierung erstelle ein Dossier, das sich mit dem Thema häusliche Gewalt gegen Frauen auseinandersetze. Zudem würden Programme zum Schutz von Frauen entwickelt, sagte die Frauenbeauftragte der Regierung bei einer Konferenz in Teheran.
Doch ob solche Programme der Regierung realisiert werden oder nicht, hängt vor allem von den Ergebnissen der nächsten Präsidentschaftswahl ab. Sie findet am 19. Mai statt.

NAHID FALLAHI

Aus dem Persischen übertragen von JASHAR ERFANIAN 

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