Khameneis Blick nach Osten

Entlang der Entstehungsgeschichte dieses Rates und der Biographien seiner Mitglieder lässt sich bestens der Machtkampf erzählen, der in den vergangenen vierzig Jahren im Kern des iranischen Machtapparats stattgefunden hat. Der Schlichterrat erblickte das Licht der Welt in einer dramatischen Zeit: Fast acht Jahre dauerte damals bereits der Irak-Krieg, Hunderttausende junge Iraner waren gefallen, niemand glaubte mehr an einen Sieg. Der damalige Revolutionsführer Ruhollah Khomeini war sterbenskrank und kaum arbeitsfähig, er hatte nur noch wenige Monate zu leben. Unter denjenigen, die das Land samt dem aussichtslosen Krieg tatsächlich führten, tobte ein Machtkampf, der noch heftiger werden würde, wenn Khomeini stürbe – das wusste jeder von ihnen. Wie also weiter?

Am 6. Februar 1988 verlas ein Sprecher im iranischen Rundfunk einen Brief des todgeweihten Khomeini. Darin gab er die Bildung eines Schlichtungsrates bekannt, der bei Streitigkeiten zwischen Parlament, Präsident und Wächterrat vermitteln solle. Dieser Rat, in dem ausschließlich Ayatollahs sitzen, ist eine Art Senat, der alle Gesetze des Parlaments auf ihre Islamkompatibilität prüft. Wenige Monate nach Khomeinis Tod bekam der Schlichtungsrat durch ein Referendum sogar Verfassungsrang. Und Ali Khamenei wurde der neue Revolutionsführer.

Alle 44 Mitglieder des Schlichtungsrates werden direkt oder indirekt von Khamenei selbst ernannt. Versteht man den heutigen Rat richtig, begreift man deshalb auch, wie Khamenei regiert. In den Anfangszeiten der Islamischen Republik brauchte man diesen Rat tatsächlich, weil die Revolution jung war und noch viele Machtzentren hatte. Schlichten muss man ja zwischen denen, die nicht nur Ansprüche haben, sondern auch die Macht, diese öffentlich zu äußern. Solche Zeiten sind in der Islamischen Republik aber längst vorbei. Khamenei herrscht seit bald 32 Jahren und hat in dieser Zeit alle Mächtigen des Landes neutralisiert – er duldet keine Macht neben sich. Persönliche Rivalitäten oder Machtansprüche der ihn umgebenden Akteure werden hinter verschlossenen Türen verhandelt, aber nicht mehr im Schlichtungsrat. Heute gibt es ein unanfechtbares und alles bestimmendes Machtzentrum im „بیت رهبری „- im „Haus des Führers“.

Im Schlichtungsrat werden nun hauptsächlich Entmachtete, Abgewählte und Nörgler untergebracht, die noch nicht so gefährlich, dass sie gefängnis- oder exilreif wären. Wie etwa Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der gerade noch geduldet wird, oder Ali Laridjanis Bruder Sadegh, der einst den mächtigen und brutalen Justizapparat führte, doch nach einer Korruptionsaffäre nicht mehr zu halten war.

Russlands Präsident Wladimir Putin besuchte 2015 Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei und schenkte ihm einen alten Koran
Russlands Präsident Wladimir Putin (li.) besuchte 2015 Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei und schenkte ihm einen alten Koran

Bevor Laridjani dieses Parkhaus erreichte, leistete er wertvolle Dienste in verschiedenen Positionen: als hochrangiger Revolutionsgardist etwa, als Chef des iranischen Staatsrundfunks und -fernsehens und zuletzt als Parlamentspräsident. Und stets gehorchte er bedingungslos Khamenei, Laridjani gehörte zu den Hardlinern. Allerdings hatte er sich in den letzten Jahren eine gewisse Beinfreiheit erlaubt, indem er sich dem moderaten Präsidenten Hassan Rouhani annäherte. Doch auch die Zeit der Moderaten, Rouhani inklusive, läuft bald ab.

Der Iran als Vorhof Russlands?

Anders als China hat Russland dem Iran außer Waffen nicht viel zu bieten. Und diese Waffen dienen hauptsächlich den eigenen geopolitischen Interessen Russlands. Die islamische Revolution, die 1979 auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs und unmittelbar an der Grenze zur Sowjetunion stattfand, hat die weltpolitische Karte umgekrempelt und das Gleichgewicht in der Region zugunsten Moskaus verändert. Die untergegangene Sowjetunion hatte mehr als 2.000 Kilometer Grenze zum Iran. Heute betrachtet Russland den Iran als seinen Vorhof, als unmittelbares Interessengebiet. Die Revolutionsgarden und die iranische Armee besorgen ihre Waffen fast ausschließlich in Russland; Rüstungsprodukte, die der Iran selbst produziert, sind russische Nachahmungen.

Gemeinsame Militärstrategie in Syrien

Seit der Iran im August 2016 den Luftstützpunkt Nojeh in der Provinz Hamedan russischen Kampfflugzeugen zur Verfügung stellte, sprechen viele Experten von einer qualitativen Änderung der iranisch-russischen Beziehung. Der iranische „Blick nach Osten“ hat seit der russischen Militärintervention in Syrien eine neue Bedeutung: Beide Länder sind gemeinsam in einem dritten Land engagiert, die geopolitische Landkarte neu zu bestimmen.

Syrien ist ein blutiges Beispiel dafür, wie weit Teheran und Moskau zu gehen bereit sind, um die USA aus dem Nahen Osten fernzuhalten. Dies sei eine echte strategische Partnerschaft, die dauerhaft angelegt sei, sagt Ali Akbar Velayati, außenpolitischer Berater Khameneis. Doch ob es sich tatsächlich um eine strategische Allianz handelt oder nur um eine taktische Zweckgemeinschaft, ist noch ungewiss.♦

© Iran Journal

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