Hinter den Kulissen des iranischen Parlaments

Das Nachrichtenportal Tabnak hat die Zusammensetzung des neuen iranischen Parlaments analysiert und daraus die führende Kraft abgeleitet. Demnach sind es nicht die Reformer, die dort das Sagen haben, obwohl es den Anschein hatte, als wären sie aus den Wahlen als Sieger hervorgegangen.
Aus den iranischen Parlamentswahlen im März dieses Jahres ging eine Gruppe als Siegerin hervor, die sich unter dem Namen „Omid“ (Hoffnung) zur Wahl gestellt hatte.
Parteien gibt es im Iran nicht. Die politischen Lager unterstützen statt dessen vor den Wahlen einen Kandidaten oder mehrere KandidatInnen. Konservative und Reformer bilden die wichtigsten politischen Lager.
Der Wahlerfolg von „Omid“ vor allem in Teheran und anderen Großstädten beruhte auf der Unterstützung durch die Reformer, die in den Großstädten eine wesentlich breitere gesellschaftliche Basis als die Konservativen verfügen. Vor drei Jahren trugen sie damit bereits zum Wahlsieg von Präsident Hassan Rouhani bei. Bei den Parlamentswahlen wurden 119 Reformer und Gemäßigte um den Präsidenten, 83 Konservative, 81 Parteilose und sechs Abgeordnete für religiöse Minderheiten gewählt.
Die Omid-Gruppe war den WählerInnen als reformorientiert bekannt und ihr Sieg wurde als Sieg der Reformer gefeiert. Doch die Zusammensetzung des Parlamentspräsidiums zeuge – wie das dem ehemaligen Chef der Revolutionsgarde Mohsen Rezai nahestehende Nachrichtenportal Tabnak schreibt – von einer anderen Faktenlage.
Im neuen Parlament konkurrierte der gemäßigte Konservative Ali Larijani mit dem Reformer Mohammad Reza Aref um den Vorsitz. Aref war der ursprüngliche Kandidat der Reformer bei den Präsidentschaftswahlen 2013. Kurz vor den Wahlen zog er seine Kandidatur zu Rouhanis Gunsten zurück und wird seitdem als „Held der Reformer“ gefeiert.

Am 26. Februar wählen die IranerInnen ein neues Parlament und den sogenannten Expertenrat. Dieser besteht aus 86 religiösen Rechtgelehrten und hat die Aufgabe, den Revolutionsführer zu wählen und zu überwachen. Viele sprechen von einer "Schicksalswahl", da angeblich der jetzige Revolutionsführer Ayatollah Khamenei an Krebs erkrankt und gesundheitlich stark angeschlagen sei. Die wenigen zugelassenen Reformer im Expertenrat hoffen gemeinsam mit den "unabhängigen" Abgeordneten die absolute Mehrheit der Hardliner diesmal zu übertrumpfen oder zumindest als eine stabile Opposition im neuen Parlament agieren zu können.
Wahlkampfwerbung in Teheran

Da die Omid-Kandidaten und die Reformer als Sieger aus der Parlamentswahl hervorgingen, sollte, so die Erwartung der WählerInnen, folgerichtig ein Reformer – eben Mohammad Reza Aref – das Amt des Parlamentspräsidenten erhalten. Doch wurde am 29. Mai der Konservative Ali Larijani gewählt – zum dritten Mal in Folge. Merkwürdigerweise haben nicht alle reformorientierten Abgeordneten für den Reformer Aref gestimmt. Genau das zeigt, dass „Omid“ keine homogene Gruppe ist und es nicht die Reformer sind, die im neuen Parlament das Sagen haben werden.
Die Omid-KandidatInnen vertreten in der Tat unterschiedliche politische Auffassungen, die aber sowohl vor den Wahlen als auch danach gut kooperierten. Sie standen hinter Mohammad Reza Aref, waren Fürsprecher der Regierung Rouhani und die gemäßigten Konservativen unter ihnen hinter Parlamentspräsident Larijani. Aller gemeinsames Ziel war es, die KandidatInnen von „Jebhe Paydari“ aus dem Parlament zu jagen. „Jebhe Paydari“, die „Front der Stabilität der islamischen Revolution“, ist eine ultrakonservative politische Gruppe, die sowohl den Reformern wie auch der Regierung und Parlamentspräsident Larijani in die Quere kommt. Die enge Zusammenarbeit von Präsident Rouhani, Parlamentspräsident Larijani und Reformer-Kandidat Aref, die sich in der Omid-Liste abbildete, führte zum Ziel. Mission erfüllt.
Und auch die 81 unabhängigen Abgeordneten hatten genug Gründe, Larijani zu wählen: etwa, dass der nicht als Kandidat der Konservativen, sondern als Parteiloser auftrat. Zudem hat Larijani im Machtkampf innerhalb der Regierung gegenüber Aref bessere Karten. Er ist ehemaliges Mitglied der Revolutionsgarde und kommt aus einer einflussreichen Familie. Sein Bruder Sadegh Larijani ist Chef der Judikative der Islamischen Republik.
Rouhanis Kurs wird untersützt
Die Zusammensetzung des Parlamentspräsidiums zeige, dass weder die Reformer noch die Konservativen die eigentlichen Sieger der Parlamentswahlen seien, sondern eine dritte Strömung, die in politischen Auseinandersetzungen die Regierung Rouhani unterstützen werde, schlussfolgert das Nachrichtenportal Tabnak.
Der neue alte Parlamentspräsident Ali Larijani ist sich sicher, dass Rouhani auch die nächsten Präsidentschaftswahl gewinnen wird
Der neue alte Parlamentspräsident Ali Larijani ist sich sicher, dass Rouhani auch die nächste Präsidentschaftswahl gewinnen wird

Das wäre die Fortsetzung der Zusammenarbeit von Rouhani und Larijani, die bereits vor dem neuen Parlament begonnen hat. Das entsprechende Signal wurde von Larijani schon gesendet. Er sagte kürzlich, dass das neue Parlament der Regierung bei der Lösung wirtschaftlicher Probleme zur Seite stehen und dass Rouhani höchstwahrscheinlich bei den Präsidentschaftswahlen 2017 als Sieger hervorgehen werde.
Die politischen Gegner Rouhani sehen ihn als ersten Präsidenten in der Geschichte der Islamischen Republik, der nach vier Jahren ausscheiden werde. Sie kritisieren seinen größten außenpolitischen Erfolg – das Wiener Atomabkommen – und sind der Auffassung, dass die wirtschaftlichen Probleme des Landes seine Regierung in die Knie zwingen werde.
Eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Parlament kann der Regierung Rouhani also helfen, ihre wirtschaftlichen Versprechen einzuhalten, und so, wie Parlamentspräsident Larijani prophezeit hat, nicht nach vier Jahren aufgeben zu müssen.
Aus dem Persischen übertragen und überarbeitet von Iman Aslani
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