Arbeiterrechte interessieren nicht

Das iranische Zivilrecht sieht für Arbeiter keinerlei Rechte auf eigene Verbände oder Gewerkschaften vor. Die einzige offizielle Arbeitergewerkschaft wurde vom Staat gegründet. Dennoch kämpfen Aktivisten für ihre Rechte und setzen die Regierung unter Druck. Ein Überblick über Gewerkschaften unter der Regierung Rouhani.

Laut Paragraph 26 des iranischen Grundgesetzes ist die Gründung einer Gruppe, eines politischen Verbandes oder einer Gewerkschaft erlaubt, solange diese nicht gegen die Unabhängigkeit oder die Freiheit des Landes, den nationalen Zusammenhalt oder die islamischen Regeln und Grundsätze der Islamischen Republik verstoßen. Solche weit interpretierbaren Bestimmungen lassen ein staatliches Vorgehen gegen politische Verbände oder Gewerkschaften zu.

Jafar Azimzadeh ist einer der Arbeiteraktivisten, die aufgrund solcher Interpretationen ihre Freiheit einbüßten. Im Winter 2015 war er wegen „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“, „Unruhestiftung“ und „Propaganda gegen das System“ zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, im Sommer 2016 nach zwei Monaten Hungerstreik wieder freigelassen worden. Azimzadeh, Generalsekretär der offiziell nicht zugelassenen „Union der freien Arbeitergewerkschaften“, ist der Meinung, dass Millionen ArbeiterInnen im Iran aufgrund ihrer miserablen Lebensumstände eine beispiellose Erniedrigung erleiden und nur durch Streiks und öffentliche Kundgebungen auf sich und ihre Lebenssituation aufmerksam machen können. Er ist Mitorganisator einiger Arbeitsniederlegungen und einer Petition mit 40.000 Unterschriften für höhere Löhne und wurde deshalb mehrmals vorgeladen und verhaftet.

Das iranische Arbeitsrecht erlaubt keine internationalen Normen entsprechenden Organisationen von  ArbeiterInnen. Der landesweit größte Arbeiterverband „Haus der Arbeiter“ (Khaneye Karegar) ist staatlich organisiert. Unabhängige Gewerkschaften stehen unter ständigem Druck der Sicherheitsbehörden.

Forderungen

Höhere Löhne, sichere Arbeitsverträge und die Gründung von Gewerkschaften sind derzeit die wichtigsten Forderungen der iranischen ArbeiterInnen. Doch die Regierung Rouhani rudert in die Gegenrichtung: Sie kümmert sich mehr um die Rechte der Arbeitgeber. Denn die Regierung strebt nach wirtschaftlichem Aufschwung und versucht, die Nachfrage zu stimulieren. Höhere Löhne, die sich auf die Produktionskosten auswirken würden, sind dementsprechend nicht erwünscht. Beschäftigte müssten niedrige Löhne in Kauf nehmen, um langfristig von einem entwickelten Arbeitsmarkt profitieren zu können, so die Wirtschaftsexperten der Regierung. Schon Rouhanis Vorgänger Mahmoud Ahmadinedschad hatte wenig für die Rechte der ArbeiternehmerInnen übrig. 2009 antwortete er im Wahlkampf auf die Frage, was er von Gewerkschaften halte: „Was ist eigentlich eine Gewerkschaft?“

ArbeiterInnen-Demonstration in Teheran: "Gewerkschaften zu haben, ist unser Recht"
ArbeiterInnen-Demonstration in Teheran: „Gewerkschaften zu haben, ist unser Recht“

Laut dem iranischen Arbeitsrecht müssten die Löhne eigentlich jährlich der Inflation angepasst werden. Doch die Regierung betrachte diese Gehaltserhöhungen als zusätzlichen Druck auf die Hersteller, sagt der Ökonom und Universitätsdozent Mohamad Maldjou. Er beobachtet diese Politik bei allen iranischen Regierungen der vergangenen 30 Jahre.

Die Löhne seien in den vergangenen vier Jahren ständig gestiegen, das dürfe nicht auf Kosten der Produktion gehen, sagte Arbeitsminister Ali Rabiee bei der Ankündigung des Mindestlohnsatzes für das laufende Jahr. Aktuell beträgt der monatliche Mindestlohn eines Arbeiters im Iran etwa 265 Euro. Das iranische Amt für Statistik jedoch berechnet die Kosten einer durchschnittlichen Arbeiterfamilie in den Großstädten pro Monat mit etwa 1.000 Euro. Der aktuelle Mindestlohn decke damit die laufenden Kosten einer Familie für nur zehn Tage, so der Generalsekretär des Dachverbandes der iranischen Arbeitervereine, Gholamreza Abbassi. Diese Vereine sind als Bindeglied zwischen den Arbeitern und Behörden initiiert worden und werden vom Staat mitgestaltet und kontrolliert.

„Weiße Verträge“

Die hohe Arbeitslosigkeit hat ideale Voraussetzungen dafür geschaffen, dass vor allem kleine und mittelgroße Betriebe nur noch befristete Einstellungen vornehmen. Diese Entwicklung begann in der Ahmadinedschad-Ära und erreichte mit der Rezession unter Rouhani ihren Höhepunkt. Neunzig Prozent der ArbeiterInnen hätten nur befristete Verträge, sagte Abbassi bereits im vergangenen Jahr. 1989 hatten erst acht Prozent der iranischen ArbeiterInnen einen befristeten Vertrag. Daneben existieren zunehmend so genannte „weiße Verträge“. Sie berücksichtigen ausschließlich die Interessen der Arbeitgeber und ignorieren Arbeitnehmerrechte.

Zudem wächst die Zahl der Arbeitsvermittler. Solche Vermittlungsfirmen kassierten bis zu fünfzig Prozent des Einkommens einer vermittelten Arbeitskraft als Provision, erklärt das Vorstandsmitglied der „Union der freien Arbeitergewerkschaften“, Parvin Mohammadi.

Die soziale Kluft

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