Begrünungskonzept für den Moloch Teheran

Die Umweltingenieurin Amena Agharabi aus Teheran belegt in einer Fallstudie, dass es für Ballungszentren in trockenen und halbtrockenen Klimazonen überlebenswichtig ist, ein funktionierendes Begrünungskonzept umzusetzen. Sonst drohen sie an Lärm, Hitze, Smog und Trinkwasserknappheit zu ersticken – wie Teheran.

Die Bevölkerung des Iran hat sich in den vergangenen 35 Jahren mehr als verdoppelt. Das rasante Bevölkerungswachstum ging einher mit der Ausbreitung der Städte, oft ohne Berücksichtigung städtischer Infrastruktur wie Kanalisation und Grünanlagen. Opfer dieser Entwicklung waren vor allem Grünflächen innerhalb und am Rande der Städte.

In ihrer Studie für das Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart* stellt Amena Agharabi dar, dass Teheran einst als Stadt der Platanen und vielen Gärten bekannt gewesen sei. Trotz immer wiederkehrender Versuche der Stadtverwaltung seit den 60er Jahren, das Grün in der Hauptstadt zu erhalten, fielen Parkanlagen und Bäume dem rasanten Bevölkerungswachstum und der damit einhergehenden höheren Bebauungsdichte und Erweiterung des Straßennetzes zum Opfer. Agharabi verdeutlicht, dass es trotz massiver finanzieller und ökologischer Probleme möglich sei, in einer Großstadt wie Teheran Stadtklima, Luftverschmutzung und Lärmschutz mit Hilfe strategischer Begrünungsmaßnahmen erheblich zu verbessern.

Von Wüsten und Städten

Der Iran besteht zu 53 Prozent aus Wüstengebieten!
Der Iran besteht zu 53 Prozent aus Wüstengebieten!

Ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung lebt in trockenen oder halbtrockenen Gebieten. Oft werden diese Zonen mit einem Teufelskreis von Armut und Hunger in Verbindung gebracht. Weltweit sprechen WissenschaftlerInnen von einer zunehmenden Desertifikation; Überweidung, Übernutzung und Entwaldung werden als Ursachen für die Ausdehnung der Wüsten genannt.                                

Der Iran besteht trotz seiner vielfältigen Klimazonen zu 53 Prozent aus Wüstengebieten mit wiederkehrenden Dürren und einer anhaltenden Trinkwasserknappheit. Die Stadt Teheran, auf die sich Amena Agharabis Studie bezieht, befindet sich in einem Trockengürtel mit einem semi-ariden Klima. Sie liegt am Hang des Alburz-Gebirges zwischen 1.100 und 1.700 Metern über dem Meeresspiegel und befindet sich in einer erdbebengefährdeten Zone. Laut offiziellen Angaben leben 12 – 14 Millionen Menschen in der Metropole.

Wüstenstadt Teheran

Die BewohnerInnen der Stadt litten, so Agharabi, an der Stauwärme, der Luftverschmutzung und Lärmbelastung durch zu alte und zu viele Autos. Dadurch gewinnen Grünflächen als natürliche Luftreiniger und Hitzedämmer eine wichtige Bedeutung. Doch durch die zu enge und zu hohe Bebauung erhalten die übriggebliebenen Bäume oftmals nicht mehr genug Licht und gehen ein. Die traditionelle Bauweise mit begrünten Innenhöfen ist modernen Wohnkomplexen gewichen.                                    

Ein wichtiger Punkt für nachhaltige Stadtbegrünung ist die Bewässerung und Erhaltung von Pflanzen. In semi-ariden Gebieten wie Teheran ist Wasser eine sehr knappe Ressource. Fehlende Infrastrukturen auf staatlicher wie kommunaler Ebene zur Gewinnung von Trinkwasser sowie ein ineffizientes Konsumverhalten der Bevölkerung tragen dazu bei, dass sich die Situation noch verschlimmert. Angesichts der prekären Trinkwasserversorgung erscheint die ökologische Notwendigkeit einer innerstädtischen Aufforstung als Luxus.

Was tun?

Teheran war einst als Stadt der Platanen und vielen Gärten bekannt!
Teheran war einst als Stadt der Platanen und vielen Gärten bekannt!

Die Studie weist daraufhin, dass die Stadt Teheran, gemessen an der Bodenqualität, der industriellen Nutzung von Wasser und dem steigenden Bedarf an Trinkwasser, über kein adäquates Abwassersystem verfügt, um den Wasserhaushalt dieser Metropole zu managen. Die Stadt habe zwar mit dem Bau umfassender Wassersammel- und aufbereitungsanlagen begonnen, doch sei die Inbetriebnahme erst 2029 vorgesehen.

Nichtsdestotrotz bestünde die Möglichkeit, die Bewässerung von Pflanzen mit Regenwasser, Grauwasser und Rohwasser durchzuführen, um kein kostbares Trinkwasser entnehmen zu müssen. Darüber hinaus, so stellt die Autorin fest, sei es unabdingbar, die Bepflanzungen mit Bedacht zu wählen. Rasenflächen oder Zierbäume mit großen Kronen etwa seien viel zu bewässerungsintensiv und hätten einen sehr geringen Effekt auf die Verbesserung der Luft und der Hitze. Deshalb sei es sinnvoll, auf robuste und dem Klima angepasste Pflanzen zuzugreifen. Es gelte in diesem Sinne auch zu sehen, welche Flächen überhaupt für eine Begrünung genutzt werden können, und, insbesondere in Teherans Situation, den wirtschaftlich und sozial heruntergekommenen Stadtteilen im Süden der Metropole verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen.

Fazit

Es sei möglich, so belegt die Studie, trotz der prekären Voraussetzungen Teheran sinnvoll zu begrünen. In einer Kosten-Nutzen-Rechnung hat Amena Agharabi ermittelt, dass die Investitionen in Grünflächen wirtschaftlich sinnvoll und lohnend sein würden. Wichtigste Voraussetzung sei allerdings die Schaffung eines umfassenden Umweltbewusstseins.

In diesem Sinne kommt Agharabi zu dem Ergebnis, dass die Landesregierung und die Stadtverwaltung Teherans einsehen müssen, dass eine Stadtbegrünung für diese Metropole eine Lebensnotwendigkeit darstelle, damit das Erdreich bei einem Erdbeben durch Baumwurzeln besser gesichert und eine geringere Verdunstung des spärlichen Regens gewährleistet ist. Es bedürfe eines gravierenden Strukturwandels im Management der Stadtverwaltung, damit die Behörden besser mit einander kommunizieren und agieren könnten, so die Studie. Wichtig sei vor allen Dingen, die Bevölkerung in Maßnahmen der Stadtbegrünung und deren Erhalt mit einzubinden.♦

  YASMIN KHALIFA

*Amena Agharabi hat die Studie „Begrünungspotential in ariden und semi-ariden Städten. Fallstudie Teheran, Iran“ im Juli 2014 der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt.

Der Link zur Studie: http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/2014/9645/