Wasser und Frauen

In ihrer Studie „Gender und Integriertes Wasserressourcenmanagement“ erklärt die Autorin Monireh Kazemi*, warum es wirtschaftlich notwendig ist, dass in der Landwirtschaft tätigen Frauen der Zugang zu der Ökoressource Wasser ermöglicht wird – und was es im Iran so schwer macht, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Position dieser Frauen zu stärken.
Frauen in Entwicklungsländern sind weit stärker von Armut betroffen als Männer. Sie sind weitaus öfter in der Landwirtschaft tätig und erwirtschaften dort folglich auch mehr. Dennoch sind sie niedriger am Einkommen beteiligt und besitzen weltweit nur 1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Das belegt die Berliner Umweltwissenschaftlerin Monireh Kazemi in ihrer Studie über die Bedeutung von Gender im Wasserressourcenmanagement.
Vor allem in Ländern, die von Wasserknappheit besonders betroffen sind, schneiden Frauen in den Armutsstatistiken schlecht ab. Dabei sei die Naturressource Wasser der wichtigste und gleichzeitig gefährdetste Faktor im Ökokreislauf der Erde, so die Autorin. Umweltverschmutzung und Verdunstung, hervorgerufen durch die allgemeine Erderwärmung, sowie Ausbeutung natürlicher Ressourcen führen zu Dürre, Grundwasserabsenkungen und anderen Umweltkatastrophen.
Mit Frauenpower gegen Armut

90 Prozent des Wasserverbrauchs im Iran gehen auf das Konto der Landwirtschaft, 22 Prozent mehr als im internationalen Durchschnitt!
90 Prozent des Wasserverbrauchs im Iran gehen auf das Konto der Landwirtschaft, 22 Prozent mehr als im internationalen Durchschnitt!

Vor allem Frauen in armen ländlichen Regionen hätten oft keinen Zugang zu sauberem Wasser. Da ihre Existenz als Nahrungsproduzentinnen und Landwirtinnen aber vom Wasser abhängt, setzt an dieser Stelle immer mehr ein Frauen-Empowerment als Mittel im Kampf gegen die Armut ein. Die positiven Auswirkungen der Partizipation von Frauen beim Wasserressourcen-Management sei bereits in ländlichen halbtrockenen Gebieten in Afrika, Indien und Brasilien festgestellt worden, so Kazemi.
Warum das im Iran nicht klappt
Dass das im Iran nicht funktioniert, erklärt die Wissenschaftlerin mit dem patriarchalen Gesellschaftssystem, das Frauen in ländlichen Gebieten des Iran ganz selbstverständlich als Ehefrau, Mutter, Tochter, Alten- und Krankenpflegerin, Feldarbeiterin, Tierhüterin und Hofaufseherin betrachte. Diese „selbstverständliche“ Arbeit habe einer Studie aus der Provinz Isfahan zufolge einen täglichen Arbeitsumfang von 16 – 18 Stunden. Dennoch kommt sie in den von Männern geführten Statistiken wenig bis gar nicht vor. Das habe zur Folge, dass es nicht möglich sei, adäquate Strategien zu entwickeln, mit denen Frauen an Entscheidungen und wirtschaftlichen Fortschritten beteiligt werden können, so Kazemi.
Genausowenig sieht das iranische Erbrecht vor, dass Frauen das Ackerland des Ehemanns, das sie bewässern und beackern, erben dürfen. Auch der Zugang von Bäuerinnen zu Krediten, Maschinen, Rohstoffen und anderen Hilfsmitteln sei im Iran extrem beschränkt.
Kazemi hebt hervor, dass der Islam, der sowohl die Gesetze als auch die Moralvorstellungen des Iran bestimmt, Frauen in ländlichen Gebieten keine Tätigkeiten außerhalb des familiären Kontextes und ohne Zustimmung der Ehemänner erlaubt. Das bedeute, dass die Frauen ihre Produkte weder selbst vermarkten können noch am Management von Wasser und anderer Ressourcen beteiligt sind.
Im Teufelskreis
Der katastrophale Wassermangel im Iran ist hauptsächlich eine Folge des Klimawandels, der zum größten Teil von den Industrieländern verursacht worden ist
Der katastrophale Wassermangel im Iran ist hauptsächlich eine Folge des Klimawandels, der zum größten Teil von den Industrieländern verursacht worden ist

Auch im Iran, belegt Kazemi anhand verschiedener Statistiken, seien aber etwa 40 Prozent aller Landwirte Frauen, die hauptsächlich bewässerungsintensive Nahrungsmittel wie Reis und Gemüse produzieren. Parallel dazu leide der Iran zunehmend unter Dürre und Landflucht und folglich unter schnell wachsenden Ballungsgebieten. Dies führe wiederum zu Arbeitslosigkeit und sozialer Ungerechtigkeit, die als Nährboden für den bis heute immer noch sehr starken religiösen Fundamentalismus dienen.
Laut dem „United Nations World Water Development Report“ lag der Iran im Jahre 2010 auf Platz 5, was den Wasserverbrauch pro Kopf anbelangt. Und seine Bevölkerung soll, so wünscht es sich die Regierung, von derzeit 78 Millionen Einwohner auf 150 Millionen anwachsen. Gleichzeitig lässt die fortschreitende Bedrohung durch Wassermangel die iranische Regierung bislang nicht nach Lösungen suchen, die nahende Katastrophe abzuwenden.
Lokale Netzwerke
Es sei, so Monireh Kazemi, deshalb unabdingbar, dass Frauen, Landwirte und Umweltschützer im Iran lokale, regionale und nationale Netzwerke aufbauen. Eine Zusammenarbeit mit internationalen Nichtregierungsorganisationen wäre wünschenswert. Frauen müssten, so die Autorin, als Entscheidungsträgerinnen in das Wasserressourcenmanagement des Iran einbezogen werden, was natürlich voraussetzt, dass die Position der Frauen in der Gesellschaft gestärkt und frauenfeindliche Gesetze abgeschafft werden.
YASMIN KHALIFA
Der Link zu der Studie Gender und Integriertes Wasserressourcenmanagement
* Monireh Kazemi hat an der TU Berlin Umwelttechnik studiert. Sie hat diese bislang unveröffentlichte Studie 2012 verfasst. Auf Grund der aktuellen Lage im Iran hat ihre Abhandlung deutlich an Brisanz gewonnen.