Neue Fronten- Will Saudi Arabien direkte Konfrontation?

Auf einer Propagandaveranstaltung der oppositionellen iranischen Volksmudschahedin Anfang Juli bei Paris verkündete der saudische Prinz Turki Bin Feisal unverhüllt seine Umsturzabsicht in Teheran. Anwesend waren etliche einflussreiche Politiker und Strippenzieher aus Europa und Amerika. War die Gastrede eine Kriegserklärung an die Islamische Republik Iran? Eine Bestandsaufnahme vom Nahostexperten Ali Sadrzadeh.

Die Marschrichtung ist eindeutig, die Freude unüberhörbar: „Die neue Allianz verändert das Gesicht des Nahen Osten nachhaltig. Besserer Nachrichtenaustausch, engere Zusammenarbeit, häufige gemeinsame Operationen – damit rückt das Ziel näher, der Sturz des iranischen Regimes wird Wirklichkeit.“
Diese Sätze sind weder Phantasterei noch Propaganda oder bloßes Wunschdenken eines nahöstlichen Politikers. Im Gegenteil. Sie sind die ernstgemeinte, aktuelle Analyse einer Amerikanerin, die sich als ausgewiesene Iranexpertin bezeichnen darf. Sie heißt Clare M. Lopez und leitet ein Institut namens Center for Security Policy. Man mag einwenden, ominöse Studienzentren gebe es in dieser Welt genug und man solle nicht alles ernst nehmen, was diese von sich geben. Doch das stimmt nur bedingt. Denn die Biographie von Frau Lopez sowie Ort und Anlass ihrer Analyse lassen aufhorchen. Über sie liest man auf der Webseite des Centers Folgendes: „Ms. Lopez verwaltet derzeit die Counterjihad- und Scharia-Programme des Centers und gilt als Iran- und Hisbollah-Expertin. Sie begann ihre berufliche Laufbahn als Operationsoffizierin der CIA, war als Beraterin im Nationalen Sicherheitsrat tätig, wurde Forscherin imVerteidigungssektor und arbeitete als Lehrerin des Militärgeheimdienstes sowie der Special Forces.“ 2012 war Lopez Mitglied einer Task Force für innere Sicherheit, ihre Fachgebiete waren stets Iran, Hizbollah und die Muslimbrüder. Das ist zwar nicht alles, was Frau Lopez an Kenntnissen vorzuweisen hat. Doch es reicht aus, um genau hinzuhören. Von welcher Allianz spricht unsere Expertin, wie und durch wen soll der Sturz der Islamischen Republik herbeigeführt werden? Ort, Zeit und Anlass von Lopez‘ Prognose geben genauere Hinweise.
Drahtzieher aus aller Welt
Es ist der 9. Juli 2016, als Frau Lopez ihre Analyse unter dem Titel „Bombshell“ veröffentlicht. Sie befindet sich im Kongresszentrum Le Borget in der Nähe von Paris. Hier findet das alljährliche Treffen der iranischen Volksmudschahedin statt. Und Frau Lopez, Expertin und Reporterin zugleich, scheint davon begeistert zu sein. Sie zählt detailliert alle Politiker auf, die dabei sind. Und in der Tat sind unter den Gästen Hunderte einflussreiche Politiker aus allen Teilen der Welt.
Über die amerikanische Delegation berichtet Frau Lopez ausführlich: Der hochrangigen Delegation gehören der ehemalige Parlamentspräsident Newt Gingrich an, der ehemalige Gouverneur von Pennsylvania und Minister für Heimatschutz Tom Ridge, Ex-Justizminister Michael Mukasey, der ehemalige Gouverneur von Vermont und Präsidentschaftskandidat Howard Dean, der ehemalige nationale Sicherheitsberater von Präsident George W. Bush Frances Townsend und Linda Chavez, Vorsitzende des US-Zentrums für Chancengleichheit.
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Doch der tatsächliche „Bombshell“ oder der eigentliche Paukenschlag des Treffens ist der Auftritt des saudischen Prinzen Turki Bin Feisal fast am Ende der Veranstaltung. Und es ist dieses saudische Gastspiel, auf das sich Frau Lopez‘ gewagte Prognose – man könnte sagen Hoffnung – vom baldigen Ende des iranischen Regimes gründet.
Denn in einer spektakulären Rede verkündet der einflussreiche saudische Prinz, auch er wolle den Sturz der Mullahs. Und er verspricht den iranischen Volksmudschahedin, er werde sie mit allen Mitteln unterstützen, damit sie die „Mullahs so schnell wie möglich hinwegfegen“. Das ist jene zukunftsweisende Allianz, die die Region umwälzen soll und von der unsere Iranexpertin so begeistert ist. Sie weiß offenbar aus Erfahrung, dass auf Prinz Feisal Verlass ist – vor allem, wenn es um Finanzierung und Bewaffnung ausländischer Gruppen geht.
Viel Geld und viel Erfahrung
Wenige Geheimdienstler dieser Welt haben darin so viel Erfahrung und Erfolg wie Turki bin Faisal. Der 72-jährige Prinz war von 1977 bis 2001 Chef des saudischen Auslandsgeheimdienstes Al Mukhaberat Amn, länger als jeder anderer vor und nach ihm. In diesen 24 turbulenten Jahren war sein Dienst in vielen Kriegen und Bürgerkriegen der Region an unzähligen kleinen wie großen geheimen und offenen Operationen beteiligt. Sein wichtigster und vielleicht erfolgreichster Einsatz war die Bewaffnung der afghanischen Mudschahedin – ein gelungenes Joint Venture mit der CIA. Längst war Faisals Werk in Afghanistan erledigt, die Taliban herrschten bereits eine Dekade in Kabul und Bin Laden hatte sein Zelt dort aufgeschlagen, da verließ der Prinz seinen Dienst. Nur zehnTage vor 9/11 trat Feisal als Geheimdienstchef unerwartet zurück, obwohl seine Amtszeit kurz zuvor um noch weitere vier Jahre verlängert worden war. Momentan leitet er das „König Feisal Zentrum für Forschung und islamische Studien“ in Riad. Doch das scheint nur ein Nebenjob zu sein. Betreuung, Finanzierung und Bewaffnung militanter Gruppen jenseits der saudischen Grenzen war und ist weiterhin das Steckenpferd des Prinzen. Wofür er sich nun im Falle Irans öffentlich rühmt.
Mehr Lobbyisten als Milizen
Ob sich allerdings auch die iranischen Volksmudschahedin wie einst die Taliban für einen Umsturz eignen, ist fragwürdig. Militärisch ist diese Gruppe nicht existent. Eine Kalaschnikow prangt zwar noch auf ihrer Fahne, doch den bewaffneten Kampf hat sie längst beendet – ob aus Überzeugung oder aus Unfähigkeit, lässt sich nicht nachprüfen. Frau Lopez schätzt die Zahl der Volksmudschahedin auf zwischen zwei- und dreitausend, fast alle jenseits des fünfzigsten Lebensjahrs, untergebracht in einem Camp in der Nähe von Bagdad, entwaffnet, aber beschützt durch die US-Armee.
Im iranisch-irakischen Krieg kämpften die Volksmudschahedin an der Seite Saddam Husseins. Das war ihr politischer Todesschuss, von dem sich die Organisation nie mehr erholte. Einst stand sie auf der Terrorliste der USA, nun gibt sie sich geläutert, will oder kann keinen bewaffneten Kampf mehr ausüben. Seit einigen Jahren haben die Volksmudschahedin ein Verbindungsbüro in der Nähe von Washington, von dort aus betreiben sie eine sehr erfolgreiche Lobbyarbeit. Das Ergebnis ihrer Arbeit sieht man etwa an der Gästeliste ihrer Veranstaltung in La Bourget. Prominente und einflussreiche Politiker und Drahtzieher aus fünf Kontinenten waren dort anwesend.
Ihr legendärer Anführer Masoud Rajavi ist seit dem US-Einmarsch in den Irak 2003 aus der Öffentlichkeit verschwunden. Seinen Tod gab nun Turki Bin Feisal in seinem Gastbeitrag beiläufig bekannt. Radjavis Frau, Maryam, nennt sich gewählte Präsidentin. Wann und nach welchen Regeln eine solche Wahl stattfand, bleibt ihr Geheimnis. Denn die Volksmudschahedin sind eine streng abgeschirmte Organisation, manche nennen sie Sekte. Ideologisch liegen zwischen ihnen und den wahhabitischen Saudis Welten.
Jedes Mittel recht, jede Gruppe willkommen
Fortsetzung auf Seite 2