Schwieriger als das Atomabkommen: ein Statut für Bürgerrechte

Wie viele Leidensgenossen hat Schariati? Was ist im Gottesstaat politisch, was kriminell? Wie viele Gefängnisse gibt es im Iran überhaupt, welche Zustände herrschen da, wie hoch ist die Zahl der Gefangenen? Hat es in all den Jahren je eine unabhängige Untersuchung der Verhältnisse gegeben? Auf diese Fragen hat niemand eine genaue Antwort, auch der Präsident des Landes nicht.

Das neue Teheraner Gefängnis soll das größte im Mittleren Osten sein
Das neue Teheraner Gefängnis soll das größte im Mittleren Osten sein

Nicht einmal die Zahl jener Einrichtungen kennen wir, die ihre eigene Polizei und Justiz und eigene Gefängnisse haben. Offiziell wissen wir, dass die Revolutionsgarde, die Armee, die Geistlichkeit, der Kulturrat, diverse Geheimdienste, bestimmte Ministerien und manche Berufsverbände ihre eigene Gerichtsbarkeit haben – mit allem, was dazu gehört: Vollzugsbeamte, Richter, Gerichte und Hafteinrichtungen. Ein unüberschaubares Gemenge.

Kein Platz für Bürgerrechte

Während manche Oppositionelle von Tausenden politischen Gefangenen im Iran sprechen, behauptet selbst der als moderat geltende Außenminister Javad Zarif, im Iran gäbe es „keinen einzigen politischen Häftling“. Wo Welten und Wahrheiten so brachial aufeinanderprallen, gibt es für ein Bürgerrechtsstatut natürlich keinen Platz. Nirgendwo ist die Judikative so unabhängig von der Exekutive wie im Iran. So wie die Kommandeure der Sicherheitskräfte wird auch der Justizchef vom Revolutionsführer Ali Khamenei bestimmt. Ihm und nur ihm gegenüber ist er verantwortlich. Weder Staatschef Rouhani noch das Parlament haben das Recht, sich einzumischen. Im Rouhanis Regierungskabinett sitzt zwar ein Justizminister, doch er hat innerhalb der Justizbehörde nichts zu melden. Seine Aufgabe ist gemäß der Verfassung nur die eines Boten zwischen Regierung und der mächtigen Justiz. Angesichts dieser weltweit einmaligen Konstellation kann wohl selbst Rouhani das eigene Bürgerrechtsstatut kaum ernst nehmen.

  ALI SADRZADEH

*Mehdi Koukhian, Hassan Rastgari Majd, Mohammad Reza Nekounam, Arash Sadeghi, Ali Shariati, Said Shirzad, Mohammad Ali Taheri,   Nezar Zaka

Auch diese Artikel können Sie interessieren:

Wie man aus einer Anklägerin eine Angeklagte macht

Zwischen Begehren und Tabu: lesbische Frauen im Iran