Die Reformisten im Iran betteln um etwas Macht

In der iranischen Opposition wird mehr denn je über Alternativen zum islamischen Regime im Iran diskutiert. Dafür sind auch einige Koalitionen zustande gekommen. Wer oder welche politischen Parteien oder Organisationen kämen als Alternative in Frage, wenn das System der islamischen Rechtsgelehrten abdanken würde? Iran Journal stellt die wichtigsten von ihnen in einem Dossier vor.

Von Hamid Assefi

Eslah-talabi“, Reformismus, ist in der politischen Sphäre des Iran die Bezeichnung für eine Bewegung, die dem Sieg von Mohammad Chatami bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1997 entsprang. Für diese Bewegung war seit ihrer ersten Stunde die Änderung des Grundgesetzes und die Abschaffung des Velayat-e FaqihSystems, also der Herrschaft des obersten islamischen Rechtsgelehrten, eine rote Linie. Präsident Chatami nannte eine solche Forderung „politischen Verrat“.

Die politische Strategie der Reformisten lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen: Der erste ist die Einschränkung der Macht der absolutistisch herrschenden Hardliner um das religiöse Oberhaupt und die strikte Umsetzung des dritten Kapitels der Verfassung, das die Rechte der Nation garantiert. Der zweite lautet: Für das Erreichen des ersten Ziels sollte die Strategie des „Drucks durch das Volk“ und der „Verhandlung auf höchster politischer Ebene“ eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Zivilgesellschaftlicher Druck sollte die Beseitigung der Hürden für die Bürgerrechte fördern.

In den Anfängen der Regierungszeit von Chatami gab es relative politische Öffnungen, die Freiheit der Medien begann zu keimen, und neue Parteien im Rahmen der Verfassung wurden gegründet.

Widerstand der Hardliner

Doch der radikale Flügel des Regimes konnte mit Unterstützung des religiösen Oberhaupts Ali Chamenei den Schock des erdrutschartigen Siegs von Chatami schnell überwinden. Er stellte sich zügig neu auf und stärkte sein Selbstbewusstsein durch die Errichtung einer politischen Blockade auf der Grundlage gesetzlicher und gesetzeswidriger Befugnisse. Dadurch konnten die Radikalen jede noch so rudimentäre Reform des islamischen Systems verhindern.

In der Amtszeit von Mohammad Chatami erlangten die Reformisten auch die Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Dennoch konnten sie keinen bedeutsamen Schritt in Richtung ihrer politischen Strategie machen. Denn die Gesetze im Iran werden erst nach der Ratifizierung durch den Wächterrat wirksam. Dieser aber wird von den Ultrakonservativen um das religiöse Oberhaupt kontrolliert.

Die Reformisten finden sich dem verstorbenen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini sehr verbunden und stellen diese Verbundenheit bei jeder Gelegenheit zur Schau – hier im Hintergrund bei einem ihrer Kongresse!

 

Die Reformer verloren die Präsidentschaftswahlen sogar nach Chatamis Amtszeit an das ultrakonservative Lager des Landes, verkörpert durch Mahmud Ahmadinedschad. Manche sind allerdings der Meinung, dass Ahmadinedschad seinen Wahlsieg ausschließlich Wahlbetrug und der Unterstützung Chameneis zu verdanken hatte. Fakt ist aber, dass mit seiner Präsidentschaft die Reformer Schritt für Schritt sogar aus der Peripherie der Macht vertrieben wurden.

Während der Amtszeit von Ahmadinedschad von 2005 bis 2013 wurden die internationalen Sanktionen gegen das iranische Nuklearprogramm intensiviert. Orchestriert von den USA und begleitet von ihren europäischen Verbündeten sowie China und Russland gipfelte der Streit des iranischen Regimes mit den Weltmächten in sechs Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gegen den Iran und verstärkte die iranische Wirtschaftskrise enorm.

Deshalb ließ Chamenei im August 2013 den als gemäßigt geltenden Geistlichen Hassan Rouhani aus dem Lager der Konservativen bei den Präsidentschaftswahlen gewinnen, um den Schatten eines möglichen militärischen Schlags der USA und ihrer Verbündeten zu vertreiben.

Aus der Niederlage der Reformisten bei den Präsidentschaftswahlen 2009 und dem Vorwurf des Wahlbetrugs zur Bestätigung von Ahmadinedschad in seinem Amt entstand die sogenannte „Grüne Bewegung“. Ihre Straßenproteste wurden jedoch brutal niedergeschlagen und ihre Anführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi unter Hausarrest gestellt.

Die Reformisten konnten danach als eigenständige politische Kraft keine Wahlen mehr gewinnen. 2013 stellten sie sich deswegen hinter den Kandidaten Hassan Rouhani. Diesmal strebten sie nach Entspannung und konzentrierten sich auf die Zurückgewinnung des Vertrauens der Ultrakonservativen um das religiöse Oberhaupt Chamenei. Gleichzeitig lauerten sie auf die Möglichkeit, sich dem Machtzentrum anzuschließen.

Diese Möglichkeit ergab sich allerdings nicht mehr. Die sogenannten Linientreuen, also die ultrakonservativen Kräfte, besetzen mittlerweile alle entscheidenden Posten – vor allem durch die Unterstützung des religiösen Oberhauptes und der Revolutionsgarden. Sie sind in der Lage, jegliche Forderung gegen ihre Interessen im Keim zu ersticken.
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