Ein linker Block als Ziel

Im Rahmen eines Dossiers über die Alternativen zur Islamischen Republik im Iran hat das Iran Journal ein Gespräch mit Mehdi Ebrahimzadeh von der „Linkspartei Irans (Volksfadaian)“ geführt. Die 2018 gegründete Linkspartei ist die jüngste Partei der iranischen Opposition, ihre Gründer*innen sind jedoch bereits seit Jahrzehnten politisch aktiv und gehörten mehrheitlich zur marxistischen Organisation der Volksfadaian.

Iran Journal: Herr Ebrahimzadeh, glauben Sie, dass die Islamische Republik im Iran am Ende ist und man an Alternativen denken muss?

Mehdi Ebrahimzadeh: Die Islamische Republik Iran (IRI) steht aufgrund ihrer Struktur in einem grundsätzlichen Widerspruch zu den Anforderungen eines modernen Staates. Sie hat ein asynchrones System, das mit den Bedürfnissen der Gesellschaft in Konflikt steht: eine Republik mit der Allmacht des obersten islamischen Rechtsgelehrten, genannt „Valie Faghih“. Seit ihrer Entstehung im Jahr 1979 eliminiert sie Dissident*innen und verwehrt ihnen die Teilhabe an der Macht und gesellschaftlichen Führung, sie spaltet die Gesellschaft in In- und Outsider, sie weigert sich, Frauen und Jugendlichen ihre freiheitlichen Rechte zuzugestehen, sie betreibt Geschlechterdiskriminierung und verschärft die nationalen und ethnischen Konflikte. Sie korrumpierte systematisch das wirtschaftliche und kulturelle Management. Die IRI bescherte dem reichen Land Iran unlösbare Krisen. Anstatt sich in der Außenpolitik auf die nationalen Interessen zu konzentrieren, verstärkte sie die Spannungen in der Region. Diese Politik hat die auswärtigen Beziehungen des Iran gestört und das Verhältnis zu den Nachbarländern zerstört. Statt der Teilnahme an den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Region hat diese Politik zur Isolation und Stillstand für unser Land geführt.

Wie lange kann die IRI Ihrer Meinung nach noch so weitermachen?

Tatsache ist, dass die IRI aus verschiedenen Gründen der iranischen Bevölkerung die ihr gebührenden Lebensbedingungen entzieht, etwa infolge der Wirtschaftssanktionen und des anhaltenden internationalen Streites um das iranische Atomprogramm. Die öffentlichen Proteste im Land zeigen, dass die Iraner*innen aus der aktuellen Situation herauszukommen versuchen.

Mehdi Ebrahimzadeh
Mehdi Ebrahimzadeh

Die ständigen Arbeiter*innenproteste, die Proteste gegen die Erhöhung des Benzinpreises im Jahr 2019, die Proteste in der Provinz Khuzestan vor einigen Monaten und die jüngsten Proteste der Bauern von Isfahan gegen die Wasserknappheit sind dafür wichtige Indizien. Die Wasserkrise im Iran ist vor allem auf ineffizientes Management und unsachgemäße Planung der Wasserressourcennutzung in der Landwirtschaft und Industrie zurückzuführen.

Diese Proteste erfuhren eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Ein Großteil der Bevölkerung unseres Landes ist heute mehr denn je zu dem Schluss gekommen, dass es keinen anderen Weg gibt, als die IRI aufzulösen und eine demokratische Republik beziehungsweise ein rechenschaftspflichtiges System zu erschaffen.

Und da wären Sie eine Alternative?

Wir von der Linkspartei des Iran sind der Meinung, dass der Übergang zu so einem demokratischen System durch die Schaffung von Solidarität und Einigung zwischen den Bürgerbewegungen zustande kommen sollte. Wir sehen uns nicht als alleinige Alternative zum Regime. Unserer Meinung nach ist ein alternatives System zur IRI eine demokratische und säkulare Republik, die mit der Stimme der Bevölkerung an die Macht kommt und dem Volk gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Wir sind die treibende Kraft hinter einem solchen System. Unser Plan ist es, unter den Kräften, die an ein solches System glauben, so viel Einigung wie möglich zu schaffen. Daher kann unser Programm als eine Alternative zur aktuellen Situation betrachtet werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass jede Partei oder politische Koalition, die ein nachhaltiges und koordiniertes Programm hat, das eine gerechtigkeitsorientierte Entwicklung des Iran vorlegt und umsetzt, eine Alternative zu diesem Regime sein kann. In der heutigen turbulenten Welt, insbesondere im Pulverfass des Nahen Ostens, bleibt abzuwarten, welche Voraussetzungen für ein grundlegendes politisches Entwicklungsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung im Iran geschaffen werden können.

Was unterscheidet Ihr Programm von anderen politischen Strömungen innerhalb der iranischen Opposition?

Wir streben ein System an, das sich auf den Willen des Volkes verlässt und dessen Verfassung und nationale Gesetze mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte übereinstimmt. Wir sind für die Trennung von Staat und Religion. Wir lehnen die Rückkehr der Monarchie sowie jede Integration von Religion oder anderen Ideologien in die Politik ab. Was wir mit den Befürwortern anderer Alternativen gemeinsam haben, ist das Festhalten an den allgemeinen Prinzipien der Demokratie, einschließlich der Achtung des Pluralismus, der freien Wahl, der Akzeptanz von Wahlergebnissen und der Rotation der Macht durch die Bevölkerung. Unsere Partei besteht zwar erst seit 2018, aber die meisten Kräfte, die die Partei gebildet haben, sind sehr erfahrene Politiker*innen und waren in der großen Fadaiyan-Khalq-Bewegung, die in den letzten fünfzig Jahren eine der einflussreichsten Kräfte im Iran war.
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