Neue Schikane gegen die inhaftierte Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh
Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh ist krank. Statt der Empfehlung der Ärzt*innen zu folgen und sie in ein Krankenhaus zu verlegen, brachte man sie von einem Gefängnis ins andere. Ihr Ehemann Reza Khandan macht sich derzeit ernsthafte Sorgen um ihren Gesundheitszustand.
Von Negin Behkam
„Seit einigen Tagen sagt meine Frau, dass sie Tag und Nacht Schmerzen in der linken Brust habe, die sich über den ganzen Nacken erstrecken. Es besteht die Gefahr, dass sie einen Herzinfarkt bekommt“, erklärt Nasrin Sotoudehs Ehemann Reza Khandan dem Iran Journal am Telefon. Er sei entsetzt, und auch ihre Kinder machten sich große Sorgen um ihre Mutter.
Am Montag hätten Beamte zwar telefonisch angekündigt, Sotoudeh in ein Krankenhaus zu bringen, sagt Khandan: „Sie verlegten sie aber direkt vom Evin-Gefängnis in das Qarchak-Gefängnis.“
Ärzt*innen hätten jedoch gesagt, seine Frau solle „zur sofortigen Herzuntersuchung und Angiografie ins Krankenhaus gebracht werden“, sagt Sotoudehs Ehemann.
Er kann nichts tun und das ärgert Khandan. Nicht nur weil politische Gefangene den hygienischen Zustand im Qarchak-Gefängnis am Rande der Hauptstadt Teheran als „katastrophal“ bezeichnen. Die Obrigkeit verweigert zudem seiner Frau ausreichende medizinische Hilfeleistung. Schon im September musste die Rechtsanwältin infolge eines Hungerstreiks ins Krankenhaus und wurde nach fünf Tagen ohne medizinische Behandlung ins Gefängnis zurückgebracht.
Kein normales Leben
Das Leben ist für Sotoudehs Familie seit Jahren nicht mehr das übliche. „Ein Leben, in dem man morgens aufsteht, zur Arbeit geht und abends nach Hause zu seiner Familie zurückkehrt, haben wir seit langem nicht“, erzählt der Ehemann, der seit Jahren hinter seiner Frau steht. Er unterstützt sie, kümmert sich um ihre Angelegenheiten und die Kinder und ist fast ihr Pressesprecher.
Auch Khandan ist wegen seines Engagements für die Rechte von Frauen und gegen die Kopftuchpflicht zu sechs Jahren Haft verurteilt, sitzt aber derzeit nicht im Gefängnis, sondern ist vorläufig gegen Kaution frei. Ein Glück, denn als alleinerziehender Vater müsse er viel Zeit mit den beiden Kindern und der Hausarbeit verbringen. Es bleibe ihm kaum Zeit zum Arbeiten. Trotzdem habe er sich nie gewünscht, dass seine Frau einen anderen Weg gewählt hätte, ein ruhiges Leben ohne Widerstand, ohne Ärger, sagt Khandan mit hörbarem Respekt: „Ich bin stolz auf Nasrin und bin mir sicher, dass es unseren Kindern genauso geht. Ich versuche mein Bestes, sie zu unterstützen, so viel ich kann“.
Nicht nur Sotoudehs Familie würdigt sie, mehrmals wurde sie international ausgezeichnet, unter anderem mit dem Europäischen Sacharow-Menschenrechtspreis, dem Menschenrechtspreis des Deutschen Richterbundes und zuletzt dem Alternativen Nobelpreis.
Seit über neun Wochen konnten Khandan und die Kinder Nasrin Sotoudeh nicht besuchen. „Es gab nur eine sehr kurze Gelegenheit, sie zu sehen, als sie im Krankenhaus war“, berichtet Khandan. Zuvor durfte die Familie sie nur in einer Kabine sehen, durch eine Glasscheibe getrennt – keine Berührung, keine Umarmung.
Nasrin Sotoudeh kämpft für Gerechtigkeit. Dafür muss sie einen hohen Preis zahlen. 38 Jahre Haft und 148 Peitschenhiebe ist die Strafe für ihren Kampf. Weil sie sich gegen Hinrichtungen von Kindern und Jugendlichen einsetzt, Frauen verteidigt, die sie selbst entscheiden wollen, ob sie ein Kopftuch tragen, wurde sie im Juni 2017 in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen – und das war nicht das erste Mal, dass sie im Gefängnis landete. Offiziell heißt die aktuelle Beschuldigung: Verschwörung gegen die nationale Sicherheit und Propaganda gegen das Regime. Bereits 2010 wurde Sotoudeh inhaftiert. Ihr Engagement bei den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl des damaligen Regierungschefs Mahmoud Ahmadinejad konnte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Überdies war sie auch die Anwältin der von der Justiz verfolgten iranischen Friedensnobelpreisträgerin und Juristin Shirin Ebadi. Im Jahr 2013 kam Soutoudeh wieder frei.
Warum diese Tortur?
Was bezweckt das iranische Regime damit, Nasrin Sotoudeh notwendige medizinische Versorgung zu verweigern? „Sie nutzen alle Druckmittel, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen: dass Menschen wie Sotoudeh keinen Widerstand mehr leisten können“, sagt Abdolkarim Lahiji, iranischer Menschenrechtler und Präsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte. Insbesondere nach den Frauenprotesten gegen die Kopftuchpflicht und Sotoudehs Verteidigung dieser Frauen verhänge das iranische Regime sehr lange Haftstrafen. Die Gefangenen sollten stark isoliert werden. „Die Regierung unterdrückt jede Bewegung, sei es zur Verteidigung der Frauenrechte oder der Rechte der Arbeiter*innen. Jede Aktivität, die mit der Politik der Islamischen Republik nicht vereinbar ist, wird sofort unterdrückt“, so Lahiji. Sotoudeh wolle weder an die Macht kommen, noch sei sie eine politische Aktivistin oder Mitglied einer Partei.
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