Iran - USA - Symbolbild / Foto: ecoiran.com

Rufe nach Überwindung der Feindschaft mit den USA

Donald Trump setzte während seiner ersten Amtszeit die Islamische Republik Iran massiv unter Druck. Während seines Wahlkampfs in den  vergangenen Monaten zeigte er sich jedoch Teherans Machthabern gegenüber gleichgültiger. Anscheinend hat das in manchen Machtzirkeln im Iran Hoffnungen geweckt.

Von Farhad Payar

Für die Islamische Republik sei nicht von Bedeutung, wer in den USA Präsident werde, denn die Säulen des islamischen Systems sei  „die innere Stärke und eine Nation von Ehre und Größe“, sagte am 7. November Irans Präsident Masoud Pezeshkian. Die Priorität seiner Regierung sei der Ausbau der Beziehungen zu den Nachbarländern, und er glaube fest „an die Schaffung von Einheit und Zusammenhalt unter den islamischen Ländern.“ Wären „alle Länder der islamischen Welt Brüder und Verbündete gewesen, hätte das zionistische Regime es nicht gewagt, das palästinensische Volk und den Libanon in Schutt und Asche zu legen“, so Pezeshkian.

In diesen Aussagen stecken mindestes zwei Denkfehler: Erstens sind nach Angaben mancher Beobachter mindestens achtzig Prozent der Bevölkerung mit der bisherigen Politik des Regimes nicht einverstanden. Außerdem steht die Islamische Republik seit ihrer Gründung 1979 mit den arabisch-islamischen Ländern auf Kriegsfuß und hat Jahrzehnte lang versucht, die Monarchien in den Golfstaaten durch den Export der islamischen Revolution zu stürzen.

Die Doktrin des islamischen Regimes beinhaltet zudem die Vernichtung des Staates Israel und die Eindämmung des Einflusses der USA in der Region.

Nebenbei wurden auch unliebsame Kräfte im Inland, ob laizistische Oppositionelle oder Zweifler in den eigenen Reihen, exekutiert oder aus wichtigen Positionen entfernt.

Mit diesen Zielen wurden die Gleise für die Isolierung Irans und Verarmung der nicht-regimetreuen, stetig wachsenden unzufriedenen Massen gelegt. Die internationalen Sanktionen sind nur eine Folge dieser angriffslustigen Politik. Dazu kommen die Vetternwirtschaft und folgerichtig Entstehung mafioser Strukturen in Politik und Wirtschaft. Nicht nach Fähigkeiten wurden und werden die Verantwortlichen, von Schuldirektoren bis zum Präsidenten, ausgesucht, sondern nach ihrer absoluten Treue zum Obersten Führer Ruhollah Khomeini und später Ali Khamenei.

Khamenei träumt immer noch von der erwähnten Doktrin und scheint, den Bezug zur Realität vollkommen verloren zu haben. „Hamas und Hisbollah stehen kurz vor dem Sieg über Israel“, verkündete er Ende September.

Mahnende Rufe 

Und da er allem Anschein nach seinen für Iran und die Region zerstörerischen Plan nicht aufzugeben gedenkt, werden mahnende Rufe in den eigenen Reihen laut. Hamid Abutalebi, Vizepräsident in der Rouhani-Regierung (2013 bis 2021) schrieb nach Donald Trumps Wahlsieg einen Offenen Brief an Präsident Pezeshkian und forderte ihn auf, Trump zu gratulieren. Er prophezeit zwei Möglichkeiten für die künftigen Beziehungen zwischen Iran und den USA: die bisherige Feindschaft fortzuführen und Iran noch tiefer in die wirtschaftlichen sowie außen- und innenpolitischen Krisen zu führen, oder die Feindschaft zu beenden und Teil der internationalen Gemeinschaft zu werden. Der „Reformer“ empfiehlt dem Präsidenten den zweiten Weg, denn es gäbe unter Trump „die historische Gelegenheit“, die Feindschaft zu überwinden. Er beendet seinen Brief mit der Warnung: „Jetzt oder nie. Mut zu zeigen erfordert Mut!“

Die Zeitung Etemad, eines der wichtigsten Organe der „Reformisten“ innerhalb des islamischen Systems, ist in mehreren Beiträgen auf die künftigen Beziehungen zwischen Iran und den USA eingegangen. Die Analysten der Zeitung sind der Meinung, dass die wirtschaftlichen Probleme und internen Herausforderungen des Regimes „nicht allein durch Umdenken in der Innenpolitik gelöst werden“ können. Es bestehe die Notwendigkeit, „Beziehungen zu den USA aufzubauen, um Sanktionen abzubauen“.

Beginn des Konfliktes zwischen der Islamischen Republik Iran und den USA: Besetzung der US-Botschaft in Teheran durch Islamisten im November 1979
Beginn des Konfliktes zwischen der Islamischen Republik Iran und den USA: Besetzung der US-Botschaft in Teheran durch Islamisten im November 1979 – Foto: iran-pedia.org

Der gemäßigte Geistliche Fasel Meybodi vertritt in einem Beitrag für Etemad die Meinung, Irans Machthaber sollten über direkte Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten nachdenken, auch wenn sie nicht kurzfristig zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen führen sollten.

In einem anderen Artikel von Etemad wird betont, dass viele der Probleme Irans auch nach einer möglichen Besserung der Beziehungen zu den USA fortbestehen würden. Dazu zählten „das Missmanagement“, die Vetternwirtschaft und „die internen politischen und kulturellen Krisen“ der Islamischen Republik.

Die den „Reformisten“ gehörende Zeitung Ham-Mihan analysiert „die Prestige-Hindernisse“, die auf dem Weg zur Neutralisierung der Beziehungen zu den USA unter der Trumps Regierung bestehen. In diesem Kontext werden der Austritt der USA aus dem Atomabkommen (JCPOA) im Jahr 2018 und die Ermordung von General Qassem Soleimani 2020 erwähnt. Der Befehlshaber der Quds-Brigade der Revolutionsgarde, die für Auslandseinsätze zuständig ist, wurde angeblich auf direkter Anweisung des ehemaligen Präsidenten Trump im Irak getötet.

Auch die „reformistische“ Zeitung Shargh schlägt vor, die iranische Regierung möge ihren Umgang mit der künftigen US-Regierung „auf Realismus und Multilateralismus stützen“. Die Zeitung empfiehlt der iranischen Regierung echte Bereitschaft zu Verhandlungen mit Trump.

Andere „reformorientierte“ Analysten und Politiker sehen in „Trumps hartem außenpolitischen Kurs gegenüber der EU und China eine Chance, Irans Beziehungen zu Peking und Brüssel auszubauen“.

Priorität für nationale Interessen 

Die Stellungnahmen der „Reformisten“ in den Medien und sozialen Netzwerken sind eindeutig: Sie empfehlen der iranischen Regierung, sich von der bisherigen kriegerischen Doktrin zu distanzieren, Verhandlungen als eines der wichtigsten diplomatischen Instrumente zur Bewältigung von bilateralen Spannungen zu nutzen und die Wahrung der nationalen Interessen Priorität einzuräumen.

Das ist auch ein Appel an Khamenei, der das letzte Wort in der Außenpolitik spricht. Er hat sich bisher zur Wiederwahl Trumps und den Wünschen der „Reformer“ zur Überwindung der Feindschaft mit den USA nicht geäußert. In der ersten Amtszeit des künftigen US-Präsidenten hatte er mehrfach Donald Trump verdammt und im August 2019 sogar ein Verbot ausgesprochen: „Im unwahrscheinlichen Fall der Fälle, dass unsere Regierung mit dem amerikanischen Regime verhandeln würde – das wird nicht mit dieser (Trumps) Regierung geschehen. Wir werden mit ihr nicht verhandeln, das ist verboten und alle müssen sich daran halten.“

Doch die Welt ist nicht die von 2019. Vieles hat sich geändert und es ist möglich, dass auch Khamenei einsehen wird, dass die internationalen Sanktionen die wichtigsten Hindernisse für die Durchsetzung seiner Doktrin sind. Sollte er, wie manche „Reformisten“ hoffen, mit dem „großen Satan“ für eine Weile Frieden schließen wollen, die religiöse Rechtfertigung dafür hätte er. Als schiitischer Führer kann er vom Prinzip der „Taqieh“ Gebrauch machen: „Die Gläubigen sollen sich nicht die Ungläubigen anstatt der Gläubigen zu Freunden nehmen. Wer das tut, hat keine Gemeinschaft mit Gott. Anders ist es, wenn ihr euch vor den Ungläubigen wirklich fürchtet“ (Koran, Sure 3:28). ♦

Liebe Leser:innen,

wenn Sie unsere Arbeit schätzen und die Zukunft des Iran Journal sichern wollen, werden Sie durch direkte Spenden (mit Spendenbescheinigung (hier klicken) oder durch die Plattform Steady (hier klicken) Fördermitglied der Redaktion. Dadurch sichern Sie eine kritische und unabhängige Stimme für die iranische Zivilgesellschaft.

Zur Startseite