40 Jahre Kampf gegen Frauenrechte

Frauen sind wie Männer privat und gesellschaftlich unterschiedlich. Deshalb wurden sie in den letzten vierzig Jahren unterschiedlich stark benachteiligt oder haben von den Gegebenheiten unterschiedlich profitiert. Fest steht jedoch, dass die iranischen Frauen nach der Revolution 1979 im Bereich Freiheit, Entscheidung und Politik, aber auch gesellschaftliche und bürgerliche Rechte aufgrund ihres Geschlechts wesentlich mehr und deutlicher als Männer benachteiligt worden sind.
Nach der Revolution nahmen die geschlechtsbedingten Benachteiligungen und Diskriminierungen gesetzlich und offiziell zu. Gewalt gegen und Verachtung von Frauen – seien es häusliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe, Ehrenmorde, Genitalverstümmelung, Zwangsehen oder Kinderheirat, die ja zum Teil in unserer Kultur verankert waren – wurden nicht nur politisch und gesetzlich nicht bekämpft, sondern durch neue Gesetze wie das Herabsetzen des Heiratsalters für Mädchen auf neun Jahre oder Rachegesetze verstärkt – das „Blutgeld“ für eine Frau beträgt im Iran die Hälfte dessen eines Mannes. Scheidungs- und Sorgerecht wurde zugunsten der Männer geändert und es wurde für die Zeitehe und Polygamie – letztere nur für Männer – geworben.
Die gebildeten berufstätigen Frauen aus der Mittelschicht, die zum Sieg der Revolution aktiv beigetragen hatten, stellten bald fest, dass sie mehr als jede andere gesellschaftliche Schicht Diskriminierung und Verachtung hinnehmen mussten und müssen. Ihre Wünsche nach Freiheit und Gleichberechtigung ging nicht in Erfüllung. Sie erlebten eine noch größere Diktatur, die sogar über ihre Privatsphäre bestimmen wollte. Eines ihrer Grundrechte, nämlich das Recht, über den eigenen Körper, die eigene Bekleidung und die eigene Identität zu entscheiden, wurde ihnen durch die Zwangsverschleierung abgesprochen. Auch ihre Diskriminierung im Arbeitsleben nahm zu. Viele iranische Frauen betrachteten sich als die größten Verlierer der Revolution und der Islamischen Republik. Sie gehören deshalb zu den größten Auswanderergruppen, die in den vergangenen Jahrzehnten den Iran zum Teil zwangsweise verlassen mussten.

Traditionelle Frauen

Nachdem die Islamisten die Überhand gewonnen hatten, beeinflusste die Revolution das Leben der Frauen aus den traditionellen, religiösen oder unteren Schichten anders. Diese Frauen waren zum größten Teil weniger gebildet oder gar Analphabetinnen. Sie waren meist Hausfrauen und nicht erwerbstätig. Auch sie hatten ihren Teil zu der Revolution beigetragen.
Viele solcher Familien waren lange die gesellschaftlichen Stützen des Regimes und zählten zu den Profiteuren der Revolution. Während der Revolution fanden diese Frauen die Möglichkeit, aus den Nischen der traditionellen Familien herauszukommen und an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen aktiv teilzunehmen.
Unter dem  Schah-Regime waren die Modernisierungspläne von oben forciert. Die Menschen und auch die Nichtregierungsorganisationen hatten deshalb keine Möglichkeit, mitzugestalten. So betrachtet gab die Revolution jeder Bürgerin und jedem Bürger des Iran die Möglichkeit, aktiv mitzumachen.
Auch Revolutionsführer Ayatollah Chomeini profitierte davon. Noch 1963 beschwerte er sich in einem Brief an Schah Mohammadreza Pahlavi über die Teilnahme von Frauen an Politik und Wahlen: Sie sei „unislamisch“ und führe zum Verderbnis der Gesellschaft. Sechzehn Jahre später forderte er die Frauen auf, politisch aktiv zu werden und bei Kundgebungen und Protesten auf die Straßen zu gehen.
Nach der Machtübernahme hinderte er die Frauen nicht daran, wählen zu gehen. Anscheinend hielt er dies im Sinne seines Regimes für unbedingt notwendig. Er bestand darauf, dass die Frauen „auf der Bühne bleiben“ und erklärte ihre Teilnahme an den Proregime-Protesten zur „religiösen Pflicht“ – damit die Frauen dies selbst ohne Erlaubnis des Vaters beziehungsweise des Ehemanns tun durften.

Iran vor der Revolution von 1979
Iran vor der Revolution von 1979

 
Er strebte allerdings nicht die Ermächtigung der Frauen oder deren Gleichberechtigung an, sondern die Etablierung des islamischen Regimes und die Schaffung eines neuen Frauenbildes; das Bild einer Muslimin, einer „Anhängerin der Partei Gottes“, einer verschleierten Kämpferin. Diese Frau sollte den nicht-muslimischen Frauen die Stirn bieten, die weder Zwangsverschleierung noch die Herrschaft der Rechtsgelehrten akzeptieren wollten.
Aber auch die wünschenswerte Frau des Regimes veränderte sich. Ihre aktive Teilnahme in der Gesellschaft sorgte für ein stärkeres Selbstbewusstsein und schaffte neue Ansprüche. Diese Frau wollte nicht mehr nur Hausfrau sein. Auch die Polygamie wurde nicht mehr widerstandslos akzeptiert. Vielen dieser Frauen wurde das patriarchalische und frauenfeindliche Wesen des Regimes bewusst, als sie das Sorgerecht für ihre Kinder verloren, weil ihre Ehemänner im Irak-Iran-Krieg gefallen waren.
Durch Bildung und Studium kamen diese Frauen mehr und mehr mit Andersdenkenden in Kontakt. Die gesellschaftlichen Diskriminierungen der Frauen wurden ebenfalls deutlicher. Die Illusion der Gerechtigkeit durch die Islamische Republik hat somit auch bei diesen Frauen (besonders bei den jüngeren) angefangen, sich aufzulösen.
Die Unterdrückungen, das Missmanagement und die Verbreitung von Lügen und Heucheleien rüttelten an dem Vertrauen, das die religiösen Schichten dem Islamischen Regime geschenkt hatten.
Immer mehr moderate Religiöse wandten sich vom Regime ab – insbesondere gebildete religiöse Frauen. Ausgerechnet sie fingen teilweise an, feministische Tendenzen zu zeigen und sich für die Gleichberechtigung einzusetzen. Diese Entwicklungen ließen die Alarmglocken sogar beim heutigen religiösen Führer Ali Chamenei klingeln.

Präsenz trotz Unterdrückung
Fortsetzung auf Seite 3