40 Jahre Kampf gegen Frauenrechte

Ein Bewusstsein für ihre Rechte haben die iranischen Frauen in den vergangenen vierzig Jahren hauptsächlich durch das Erleben der alltäglichen geschlechtsbedingten Diskriminierungen entwickelt. Eine Bewegung, die mit säkularen und rechtsbewussten Frauen angefangen hatte, sprang nach und nach auf die anderen Schichten über.
Die reformistischen Bestrebungen im Bereich Gesellschaft und Ideologie und der politische Pragmatismus trugen zu neuen, toleranteren Interpretationen der religiösen Quellen bei. Auch diese unterstützten die Frauenbewegung.
Trotz anhaltender Unterdrückung und Einschränkung hat das Bewusstsein für ihre Rechte die Frauen in den Mittelpunkt der politischen und gesellschaftlichen Diskurse gerückt. Eines der markantesten Beispiele ihrer Präsenz in politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zeigten die iranischen Frauen während der Protestbewegung 2009 – bekannt als die „grüne Bewegung“.

Demographische Entwicklungen

Die Lage der iranischen Frauen wird auch von einer Reihe anderer Faktoren beeinflusst, die nicht zwangsläufig mit der Islamischen Republik, den geografischen Grenzen des Iran oder dem Schah-Regime zu tun haben: Internationale Entwicklungen wie neue Technologien, die unter anderem eine rasante Verbreitung von Informationen mit sich brachten, auch Reisen und der interkulturelle Austausch rückten immer näher. Medien und Kommunikationsmöglichkeiten spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch der Gesundheitszustand der IranerInnen und ihre Lebenserwartung sind angestiegen, die Geburtenrate ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.

Die regimetreuen Frauen sollten den ungehorsamen und nicht-gläubigen Frauen die Stirn bieten!
Die regimetreuen Frauen sollten den ungehorsamen und nicht-gläubigen Frauen die Stirn bieten!

 
Hinzu kommen die kometenhafte Urbanisierung im Iran und die starken Geburtenjahre kurz nach der Islamischen Revolution, die andere Lebensweisen und Erwartungen besonders auf Seiten der jüngeren Generationen entstehen ließen. Diese richten sich mehr und mehr auf eine Veränderung der alten Muster.
Hürden stellt dem allerdings nicht nur das Islamische Regime in den Weg. Die festsitzenden Traditionen, die patriarchalischen Klischees und die noch herrschende veraltete Rollenverteilung dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
Trotz besserem Zugang der Iranerinnen zu Bildung, trotz des Rückgangs der Geburtsrate und zum Teil beachtlichen Verbesserungen zugunsten der Frauen im Privatleben oder in der Gesellschaft ist ihre Beteiligung an der Wirtschaft marginal. Und das ist eine der Paradoxien der Lage der Frauen in den letzten vierzig Jahren im Iran. Die geschlechtsbedingte Diskriminierung spielt hier sicherlich eine entscheidende Rolle.
Der Zugang der Iranerinnen zu politischer Macht ist in den vergangenen vierzig Jahren besonders versperrt gewesen. Im Parlament sind weniger als neun Prozent der Abgeordneten weiblich. Leitungspositionen sind nach wie vor eine reine Männerdomäne. Hier arbeiten weniger als sechs Prozent Frauen. Die politische Führung bleiben ebenso den Männern vorbehalten.

Familie und Sexualität

Das Familienbild im Iran erlebt in Sachen Struktur und Rollenverteilung oder sexuelle und geschlechtliche Klischees eine ähnliche Entwicklung, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Die starke Urbanisierung führt zur Entstehung von immer mehr kleineren Familien, die zumindest in bestimmten Schichten der Gesellschaft nicht mehr patriarchalisch, sondern zum Teil sogar verhältnismäßig gleichberechtigt aufgestellt sind. Gleichzeitig nehmen veränderte Formen von Familie – etwa alleinerziehende Elternteile – oder außereheliche Partnerschaften zu. Parallel existieren Polygamie, Zwangs-, Zeit- oder Kinderehen. Die Familiengesetze sind nach wie vor sehr patriarchalisch und es fehlen gesetzliche Hilfen für gefährdete beziehungsweise finanziell schwache Frauen sowie Gewaltopfer.
Trotz zwanghafter Überempfindlichkeit der Fundamentalisten bezüglich Sex, des Körpers der Frau oder sexueller Beziehungen, trotz polizeilicher Kontrollen in Sachen sexueller Freiheiten oder Partnerwahl und trotz fehlender Anerkennung verschiedener sexueller Identitäten beziehungsweise Orientierungen haben sich einige Tabus zumindest in den kleinen, andersdenkenden Kreisen aufgelöst. Auch innerhalb des Iran entwickelt sich ein Bewusstsein für sexuelle Vielfalt. Die ständige Anwesenheit der Sittenpolizei und die regelmäßigen Razzien gegen private Partys, aber auch die Zwangsverschleierung haben nicht nur die sexuellen Beziehungen nicht gesünder gemacht, sondern zu manchen Über- beziehungsweise Untertreibungen geführt.

Armut, Arbeitslosigkeit, Prostitution
Fortsetzung auf Seite 4