40 Jahre Kampf gegen Frauenrechte

Nayereh Tohidi, Genderforscherin und Universitätsdozentin an der California State University, hält die Islamische Republik Iran für eine „männliche Republik der Rechtsgelehrten“. Deshalb habe sie als erstes den Frauenrechten den Kampf angesagt. Gleichzeitig habe sie den islamischen Frauen die Möglichkeit gegeben, aus den Nischen der traditionellen Familien herauszukommen und an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen aktiv teilzunehmen.

Meine Beobachtungen und Recherchen lassen mich feststellen, dass nicht nur die Bezeichnung der Staatsform des Iran – Islamische Republik – und ihr Grundgesetz sowie deren Struktur in sich widersprüchlich sind, sondern die Lage der Frauen in der vierzigjährigen Geschichte dieses Regimes genauso paradox ist.
Die ideologischen und rechtlichen Fundamente des Regimes, insbesondere in den Bereichen Strafrecht, Familienrecht und Privatsphäre, stützen sich auf das traditionelle so genannte Fiqh; eine veraltete Rechtslage, die von männlichen Rechtsgelehrten verfasst worden und zum größten Teil patriarchalischer Natur ist.
Dieses vormoderne kanonische Gesetz, das jahrhundertelang von schiitischen Geistlichen in den Religionsschulen gepflegt wurde, musste der iranischen Gesellschaft während der Revolution von 1979 schmackhaft gemacht werden. Hilfe geleistet haben dabei die jungen, gut ausgebildeten islamistischen Revolutionäre, die sich mit dem „anti-imperialistischen“ und „anti-diktatorischen“ Diskurs auskannten.
Die Identität der iranischen Gesellschaft ruhte zu jener Zeit mehr oder minder auf drei Säulen: der alten iranischen Kultur, dem Islam und der (vor allem westorientierten) Modernität. Also blieb den machtbesessenen Rechtsgelehrten keine andere Alternative, als den damals üblichen Diskurs der Revolution (linksorientiert, anti-imperialistisch, anti-diktatorisch, unabhängigkeits- und freiheitsorientiert) mit dem selbsterfundenen islamistischen Herrschaftssystem der Rechtsgelehrten unter einen Hut zu bringen und der Gesellschaft in der Form der in sich widersprüchlichen „Islamischen Republik“ aufzuzwingen.
Die vierzigjährige Geschichte dieser „Republik“ jedoch zeigt, dass nicht die vom Volk gewählten Organe die Geschicke des Landes bestimmen, sondern die Weltanschauung der männlichen Rechtsgelehrten, allen voran „des obersten Rechtsgelehrten“ – Vali Faqhih -, der sich als „Vertreter Gottes“ versteht.

Frauen haben aktiv an der iranischen Revolution teilgenommen
Frauen haben aktiv an der iranischen Revolution teilgenommen

 
In dieser „Republik“ gilt die Hälfte der Gesellschaft als zweitklassig, weil sie weiblich ist. Diese Hälfte darf aus dem gleichen Grund keinen Anspruch auf Herrschaft oder Statthalterschaft haben. Es gibt aber auch andere Teile der Gesellschaft, die ebenfalls keinen Anspruch auf Herrschaft, Führung, Leitung oder politische Positionen haben dürfen: weil sie keine Schiiten sind oder nicht an die „absolute Statthalterschaft des Rechtsgelehrten“ glauben.
Diese männliche Republik der Rechtsgelehrten hat in den vergangenen vierzig Jahren gezeigt, dass sie weder die Grundsätze einer demokratischen Republik noch die moralischen und spirituellen Grundsätze einer eigenständigen Religion aufweist.

Das erste Opfer der „Islamischen Republik“

Die Paradoxien dieses Systems sind bei den Frauenthemen sowie im Bereich Sexualität und Gender am deutlichsten zu erkennen. Frauenrechte waren das erste Opfer einer Revolution, die sehr schnell einen rückschrittlichen Kurs einschlug. Kein Wunder, dass die ersten großen Kundgebungen unter dem neuen Regime durch Frauen zustande kamen.
Kurz nach dem Sieg der Revolution, im März 1979, demonstrierten Tausende Frauen in den Städten, um nicht zuletzt den Weltfrauentag zu feiern. Die meist aus der Mittelschicht stammenden Frauen protestierten gegen den von Revolutionsführer Ruhollah Chomeini angeordneten religiösen Schleierzwang für Frauen, den Widerruf der Familienrechtsreformen, die Zwangsabsetzung der Richterinnen und weitere frauenfeindliche Anordnungen. Diese Protestwelle dauerte trotz organisierter physischer Gewalt der frauenfeindlichen Männer und fehlender Unterstützung der oppositionellen Kräfte eine Woche lang an und legte sich erst, als die „Islamische Republik“ taktische Zugeständnisse machte.
Hätte es den blutigen und zwecklosen Irak-Iran-Krieg (1980–1988) nicht gegeben, wäre das Schicksal der Menschen und des Regimes im Iran vielleicht anders verlaufen und die Dynamik der Revolution, der Widerstand der Frauen und die Proteste sozialer Gruppen wären nicht zum Stillstand gekommen.
Doch die Kriegslustigen, die von der Errichtung eines neuen „Islamischen Kalifats“ träumten, profitierten vom „Segen“ des Krieges – wie sie es selber beschreiben. Sie errichteten während des Krieges die Stützen ihrer diskriminierenden Herrschaft und ließen einen kleinen Kreis aus „eigenen“ Leuten über Millionen von „nicht dazugehörigen“ Frauen und Männern herrschen.
Die dynamische und fortschreitende Gesellschaft des Iran jedoch unterwarf sich nicht den Überzeugungen und Plänen der fundamentalistischen Islamisten. Die vergangenen vier Jahrzehnte im Iran verliefen durchgehend im Zeichen politischer, kultureller und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zwischen den patriarchalen, rückschrittlichen, diskriminierenden, autoritären und brutalen Kräften auf der einen Seite und den Andersdenkenden, Freudigen, Toleranten, Pazifisten, Liberalen, Demokraten und Gerechtigkeitsliebenden auf der anderen Seite. Bei diesem gewaltfreien Widerstand spielten die Frauen immer eine signifikante Rolle.

Dynamik der Gesellschaft und Entwicklung der Frauen
Fortsetzung auf Seite 2