Volkstribunal gegen iranische Machthaber

Das sogenannte Internationale Volkstribunal zu den Gräueltaten im November 2019 im Iran, kurz Aban-Tribunal, ist am Sonntag in London zu Ende gegangen. Es führte zur Aussage eines Parlamentsabgeordneten, der sich zur Tötung von Demonstrant*innen bekannte.

Von Iman Aslani

Fünf Tage lang hatten in London Zeug*innen aus dem Iran und dem Ausland die Möglichkeit, ihre Beobachtungen und Erlebnisse bei der blutigen Niederschlagung der landesweiten Unruhen im November 2019 im Iran vorzutragen. Insgesamt 45 Personen sagten persönlich aus. Dazu kamen 120 schriftliche Aussagen.

Die Identität einiger Zeug*innen wurden geheim gehalten. Sie zeigten sich maskiert und wurden anstelle ihrer Namen mit Nummern vorgestellt. Einige Aussagen wurden nachgesprochen.

Einige von ihnen waren selbst verhaftet oder angeschossen worden, andere vertraten ihre getöteten Angehörigen. Sie berichteten von Greueltaten der Sicherheitskräfte, die ihrer Meinung nach anfangs friedliche Demonstrationen blutig niedergeschlagen haben. Ein Kriegsveteran, der in der Stadt Sadra nahe der Großstadt Shiraz Zeuge von Auseinandersetzungen der Demonstrant*innen und Sicherheitskräfte war, berichtete: „Nicht einmal im Krieg habe ich derartiges erlebt. Vom Helikopter wurde auf die unbewaffneten Menschen geschossen. Ich sahe, wie ein fünfzehn oder sechzehn jähriger Junge angeschossen wurde. Damit die anderen ihm nicht zur Hilfe eilen können, wurde von oben mit dem Maschinengewehr weitergeschossen, direkt um den Jungen herum, der auf dem Boden lag“. 

Das Tribunal

Das Aban-Tribunal wurde von den drei Menschenrechtsorganisationen „Justice for Iran“, „Iran Human Rights (IHR)“ und „Ensemble contre la peine de mort (ECPM)“ initiiert. Es ging der Frage nach, ob das islamische Regime während der Proteste gegen die Benzinverteuerung im November 2019 Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe. Das Urteil der sechsköpfigen Jury wird im Frühjahr 2022 erwartet. Bis dahin haben auch andere mögliche Zeug*innen noch Zeit, auszusagen.

Hamid Sabi, Anwalt für Menschenrechte in Großbritannien, und Regina Paulus, Anwältin für Menschenrechte und internationale Verbrechen in den Vereinigten Staaten, wurden von den Organisatoren als Verteidiger/in für dieses Gericht ausgewählt. Sie haben die Pflicht, mit den Zeug*innen und Sachverständigen Kontakt aufzunehmen, die erforderlichen Unterlagen vorzubereiten und der Ermittlungskommission zur Verfügung zu stellen. 

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Die Zeug*innen zeigten sich maskiert und wurden anstelle ihrer Namen mit Nummern vorgestellt

Zu den Mitgliedern des Gremiums, das den Fall untersucht, gehören: Carla Forstmann, Expertin der UN-Antifolterkonvention, Wayne Jordash, internationaler Menschenrechtsanwalt mit Erfahrung beim Internationalen Strafgerichtshof und mehreren anderen internationalen Gerichten, Nursyahbani Katjasungkana, Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Colleen Rohan, Anwältin mit Erfahrung in mehreren internationalen Tribunalen wie dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Elham Saudi, Professorin für Völkerrecht und Leiterin der libyschen Organisation der Menschenrechtsverteidiger*innen, und Zak Yakoob, Richter des Verfassungsgerichts von  Südafrika. 

Als Rechtsbeistand der Angeklagten, deren Namen im Schlussbeschluss des Tribunals genannt werden dürfen, ist niemand genannt worden.

Das Tribunal ist nicht international anerkannt und aus seinem Urteil gehen keine juristischen Verbindlichkeiten hervor. Es schafft laut den Initiator*innen jedoch eine Möglichkeit, erstmals die Aussagen Betroffener und mögliche Verbrechen des iranischen Regimes im November 2019 zu dokumentieren.

„Ich habe getötet!“

Die Islamische Republik Iran reagierte auf das Tribunal bislang nicht. Der iranische Vizeaußenminister Ali Bagheri-Kani soll jedoch die Initiative in Großbritannien kritisiert haben, berichteten persischsprachige Medien im Ausland am Wochenende. Bagheri-Kani war in den vergangenen Tagen zu Beratungen um die Wiederaufnahme der Atomgespräche in Europa. Er soll gedroht haben, das Tribunal würde sich negativ auf die Gespräche auswirken.

Die einzige offizielle Stellungnahme aus dem Iran kam am Sonntag vom Vizechef der parlamentarischen Kommission für juristische Angelegenheiten, Hassan Norouzi. „Einer von denen, die auf Menschen geschossen haben, bin ich“, zitierte ihn die Teheraner Tageszeitung Shargh auf Twitter. „Wir haben sie getötet. Wer kann uns nun verklagen?! Sie haben die Banken angezündet und wir haben sie getötet.“

Die Islamische Republik stellt die Protestierenden als Vandalen und Unruhestifter dar, die unter anderem öffentliche Einrichtungen angegriffen haben sollen. Laut Zeugenaussagen des Aban-Tribunals waren es aber die Sicherheitskräfte selbst, die etwa Banken in Brand setzten, um die Protestierenden in ein negatives Licht zu setzen und ihre eigene Brutalität zu rechtfertigen.

Der „Aban“ ist der achte Monat des iranischen Kalenders und entspricht in etwa dem November. Dieses Jahr jähren sich die Proteste vom November 2019 zum zweiten Mal. Die Umstände sind nach wie vor unklar. So gibt es keine sicheren Angaben zu den Opferzahlen. Die Islamische Republik Iran spricht von rund 220 Opfern. Unabhängigen Quellen zufolge waren es jedoch Hunderte. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters kamen bei den Protesten 1.500 Menschen ums Leben.

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