Ein Kommandant für Kriegszeiten

Aber warum tut er das? Öffentlich erklärt Khamenei immer wieder, es werde keinen Krieg geben. Jeder, der behaupte, der Iran habe nur zwei Alternativen, Krieg oder Verhandlung, sei ein Verräter. Der Iran habe eine dritte Möglichkeit: Widerstand. Trump werde sich hüten, einen Krieg mit dem Iran anzuzetteln. Das ist seine offizielle Marschroute.
Der Weg, den der Revolutionsführer weise, sei der zu Größe und Unbesiegbarkeit, schrieb die Zeitung Javan, das Organ der Revolutionsgarden, vergangenen Sonntag. Das Morgengrauen des 20. Juni 2019 sei eine historische Wende in Asien, so die Zeitung weiter. Und jeder weiß, was damit gemeint ist: Es war der Zeitpunkt des Abschusses der Drohne.
Liest man die offiziellen Medien und hört den Entscheidungsträgern in Teheran zu, hat man den Eindruck, die Machthaber dort seien Gefangene ihrer eigenen Parolen. Als ob die Nichtexistenz Amerikas, von der Salami sprach, tatsächlich seine Handlungsmaxime und die seines Chefs Khamenei sei. Außenminister Javad Zarif, der mehr als zwei Jahrzehnte in den USA lebte, kann sich nicht erlauben, von deren Nichtexistenz zu sprechen. Er hat andere Erklärungen parat: „Das ‚B-Dreieck‘ war, ist und wird auch künftig an allem schuld sein, was geschieht. Es stand hinter Trumps Absicht, aus dem Atomabkommen auszusteigen, es ist für die Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran verantwortlich, es hat mit Sicherheit etwas mit den Attacken auf Öltanker im Persischen Golf zu tun und es wird die Hauptverantwortung für alles Schlimme tragen müssen, das möglicherweise bald im Nahen Osten geschieht“, erklärte Zarif am 14. Juni, einen Tag nach den Attacken auf drei Öltanker im Persischen Golf. Benjamin Netanyahu, John Bolton und Mohammad Ben Salman seien die drei Schenkel dieses Dreiecks.
Doch seit dem Abschuss der US-Drohne ist dieses Dreieck nicht mehr brauchbar. Zarif muss sich ein neues und am besten eines mit noch mehr Ecken suchen. Aber ob der iranische Außenminister alles und alle überblickt, die einen Krieg mit dem Iran wollen? Und wenn ja: Hat er die Macht dazu, diesen zu verhindern? Zarif ist ein Kenner der USA und wie Trump twittert er unaufhörlich. Er gibt zu verstehen, er wolle reden. Doch er wird nicht ernst genommen – weder in Amerika noch in seinem eigenen Land.

Mohammad Javad Zarif mit seinem amerikanischen Amtskollegen John Kerry
Die Glanzzeit von Mohammad Javad Zarif (li.) – mit seinem ehemaligen amerikanischen Amtskollegen John Kerry während der Atomverhandlungen

 
Dicht am Abgrund
Zarif steht nun da, wo er niemals sein wollte. Und mit ihm stehen alle so nah am Abgrund, dass sie jeden Augenblick hinabstürzen können. Sie werden dabei gewollt oder ungewollt die Region mit sich in die Tiefe ziehen und die weltpolitische Konstellation erschüttern. Die Machthaber der Islamischen Republik sind Meister der Geheimdiplomatie. Das haben sie in ihrer vierzigjährigen Herrschaft bewiesen. Doch die Zeiten haben sich offenbar geändert. Mit Trump sind sie an jemanden geraten, der die Bühne liebt. Er will Bilder. Und wenn es nicht eines mit Ali Khamenei, dem mächtigsten Mann in Teheran, ist, so doch zumindest mit Hassan Rouhani, dem machtlosen Präsidenten des Iran.
Aber der Iran kann solche symbolischen Bilder, wie Trump sie sich wünscht, momentan nicht liefern. Zudem geht es mehr als um Symbolik. Es geht um Syrien, den Libanon, den Irak, um Jemen: um all das, was die Islamische Republik als ihre „strategische Tiefe“ bezeichnet. Ein Ausdruck, den zuerst übrigens Hossein Salami benutzte, als er noch nicht Oberster Garde-Kommandant, sondern Professor an der Militärakademie der Revolutionsgarde war.♦
© Iran J0urnal

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