Hinhaltetaktik durch „Sabotage-Diplomatie“?

Die Bemühungen von Bundesaußenminister Heiko Maas und dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe, zwischen dem Iran und den USA zu vermitteln, scheinen gescheitert zu sein. Wie soll es jetzt weitergehen, fragen sich die Iraner*innen ebenso wie internationale Expert*innen. Krieg oder doch langwierige Verhandlungen? Antworten des politischen Analytikers Mehran Barati.
Am 13. Juni wurde im Golf von Oman die Explosion mehrerer Sprengsätzen an zwei Öltankern registriert. Die USA schickten daraufhin den Zerstörer USS Mason in das Gebiet. Am gleichen Tag flog eine Cruise Missile der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen über die Grenze des Jemen und explodierte in der Ankunftshalle des saudi-arabischen Flughafens Abha 165 Kilometer hinter der Grenze. Mittlerweile nennen die USA und Saudi-Arabien in beiden Fällen den Iran als Auftraggeber. Im Jemen herrscht seit 2015 ein Krieg zwischen den von Saudi-Arabien unterstützten Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und den schiitischen Huthi-Rebellen, hinter denen der Iran steht.
Am 14. Juni veröffentlichte das Zentralkommando der US-amerikanischen Truppen im Nahen Osten, Centcom, ein Video, das die iranischen Revolutionsgarden belasten soll. Es soll zeigen, wie ein Schnellboot der Garden, Gashti (Patrouille) genannt, auf den Tanker Kokuka Courageous zufährt und die Besatzung später eine nicht explodierte Haftmine vom Schiffskörper entfernt. Mittlerweile äußert die Mannschaft des getroffenen Tankers Zweifel an der Version, Haftminen hätten die Explosion verursacht. Sie hätten zuvor vielmehr ein fliegendes Geschoss, eine Rakete oder Ähnliches, gesehen. Von wo das Geschoss kam, konnte bislang niemand erklären. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief zu einer unabhängigen Untersuchung des Vorfalls auf.
Bereits vier Wochen zuvor, am 12. Mai, waren vier Öltanker unter den Flaggen Norwegens, der Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens hinter dem Persischen Golf in den Gewässern von Oman durch Minenexplosionen stark beschädigt worden. Die USA, Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate beschuldigten den Iran, dafür verantwortlich zu sein. Fast gleichzeitig griffen die jemenitischen Huthis Ölpipelines der Saudis mit Drohnen an.
An so viel Zufall will niemand glauben. Die Explosionen auf vier Handelsschiffen im Hafen Fujairah in den Vereinigten Arabischen Emiraten kam am 6. Juni vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In der Vorlage wurde von einem “staatlichen Akteur” als Tatverantwortlichen gesprochen, der Name Iran tauchte aber nicht auf.
Tatsache ist: Die Vorbereitung und Durchführung von präzisen militärischen Aktionen, der Gebrauch magnetischer Minen der Sorte Limpet (die auch im Iran, aber nicht nur dort, hergestellt wird), die Technik der dosierten Schäden und die präzise Vermeidung der Versenkung der großen Öltanker ist keine Angelegenheit kleiner terroristischer Gruppen. Dazu benötigt man die Erfahrung und Logistik einer staatlich organisierten Armee. Die Möglichkeit der Beteiligung von politischen Kontrahenten der Islamischen Republik Iran – etwa Saudi-Arabien oder Israel – ist nicht kategorisch auszuschließen. Dennoch ist es wahrscheinlicher, dass hier die Drohung des Iran kleinformatig in die Praxis umgesetzt wird, die lautet: „Wenn wir kein Öl verkaufen dürfen, sollen die anderen es auch nicht können.”

Flugzeugträger der USA im Persischen Golf
US-Flugzeugträger im Persischen Golf: Die USA verstärken ihre militärischen Präsenz in der Region

 
Spuren, die gar nicht verwischt werden sollen
 Viele Expert*innen innerhalb und außerhalb des Iran sind sich einig: Der Angriff auf zwei Öltanker im Golf von Oman und der gleichzeitige Raketenangriff auf den saudischen Flughafen Abha geben Hinweise, die den Verdacht einer Beteiligung des Iran verstärken. Trotz der Tendenz der Rouhani-Regierung, weiterhin geduldig mit den Wirtschaftssanktionen der USA umzugehen, halten die extremistischen Fraktionen in der politischen Machtpyramide des Iran Vergeltungsmaßnahmen für die wirksamere Politik gegenüber Washington. Dieser Teil der iranischen Führung, darunter auch die Revolutionswächter, will das ökonomische Ausbluten des Landes nicht mehr hinnehmen. Sein Gegenrezept lautet: die “Schutzhülle der Opferrolle” verlassen, um dem Gegner bei ungleichen Verhandlungspositionen die Zähne zu zeigen und die Konsequenzen seines Handelns vor Augen zu führen.
Natürlich könnten sich die Akteure dabei auch verkalkuliert haben. Bei Vergeltungsmaßnahmen der Gegenseite könnte es sehr schnell zu Kettenreaktionen und unkontrollierbaren kriegerischen Katastrophen kommen, die genau das Gegenteil des Gedachten hervorbringen.
Der Zeitpunkt des Angriffs auf zwei große Tanker, die Öl nach Japan bringen sollten, noch während der langen Vermittlungsgespräche des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe mit dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei kann kein Zufall gewesen sein. Bei dem letzten Angriff auf zwei Öltanker wie auch bei den am 12. Mai erfolgten Angriffen auf vier Handelsschiffe waren die Planer peinlich darauf bedacht, die verursachten Schäden begrenzt zu halten und die Schließung der Meerenge von Hormuz zu vermieden. Denn die Schließung dieses Nadelöhrs hätte zwangsläufig zu militärischen Aktionen der USA gegen die iranischen Revolutionsgarden und darüber hinaus geführt. Die Frage der hinterlassenen „Fußspuren“ interessiert die Beteiligten bei der offenkundig dosierten Konfrontation nur bedingt. Die Iraner hatten ja seit Wochen angekündigt, dass sie die Blockade ihrer Ölexporte nicht widerspruchslos hinnehmen würden.
Mehrfronten-Kleinkrieg als Überlebensstrategie?
Fortsetzung auf Seite 2