Kultur als Schlachtfeld

Der Kampf zwischen Konservativen und Gemäßigten um die Vorherrschaft im Iran wird besonders auf dem Feld der Kultur deutlich. So muss sich die Gewinnerin eines berühmten Filmpreises Kritik von unerwarteter Seite gefallen lassen – geschuldet wohl dem Druck konservativer Kräfte. Dagegen feiert eine kritische Gesangsikone nach langem Warten ihr Bühnencomeback – ein Erfolg für KulturliebhaberInnen. 

Die iranische Filmregisseurin und Produzentin Rakhshan Bani-E’temad ist bei den 71. Internationalen Filmfestspielen in Venedig mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet worden. Überzeugen konnte sie die Jury mit ihrem sozialkritischen Episodenfilm „Ghesseha“ (Geschichten). „Das ist ein riesiges Geschenk für alle IranerInnen, die den Film lieben“, sagte die Regisseurin bei der Entgegennahme der Auszeichnung. Bani-E’temad stellt in ihrem Werk ein Panorama der modernen Gesellschaft des Iran dar. Die Filmemacherin konzentriert sich dabei vor allem auf Frauenfiguren. „Ghesseha“ beleuchtet in sieben Episoden das Schicksal der Hauptfiguren ihrer früheren Filme „The Blue-Veiled“, „Under the Skin of the City“ und „Mainline“.
In ihrer Heimat geriet die 60-Jährige, die im Iran als „First Lady des iranischen Kinos“ bezeichnet wird, wegen ihres Films allerdings in die Kritik vor allem seitens konservativer Medien und Politiker. „Ghesseha“ sei düster und zeichne ein zu negatives Bild der iranischen  Gesellschaft, hieß es etwa im iranischen Staatsfernsehen. Doch auch der als moderat geltende Kulturminister Ali Jannati kritisierte Bani-E’temad: „Es darf nicht sein, dass unsere KünstlerInnen mit voller Absicht den Finger in die Wunden der Gesellschaft legen und dem Ausland ein solch dunkles Bild des Iran präsentieren. Solche Schwarzmalerei muss in Zukunft unterbunden werden“, sagte Jannati gegenüber einem staatlichen Fernsehsender. Auch hätte es keine offizielle Genehmigung seitens des Kulturministeriums für eine Teilnahme Bani-E’temads an dem Filmfestival in Venedig gegeben, so Jannati. Der Politiker war jüngst von konservativen Kräften aufgrund seiner liberalen Kulturpolitik massiv kritisiert worden. Politische Beobachter sehen deshalb in den Aussagen Jannatis den Versuch, den Widersachern der Regierung entgegenzukommen und so einem Misstrauensvotum zu entgehen.
Tag des iranischen Kinos

Rakhshan Banidetemad und ihr Preis - Foto: aftabir.com
Rakhshan Banidetemad und ihr Preis – Foto: aftabir.com

Derweil wurde am 12. September in Teheran der Nationale Tag des iranischen Kinos in Anwesenheit zahlreicher einheimischer FilmkünstlerInnen und politisch Verantwortlicher gefeiert. Kulturminister Ali Jannati bezeichnete „Vertrauen, gegenseitigen Respekt und die Aufrechterhaltung der Menschenwürde“ als Weg zur Lösung der bestehenden Probleme iranischer Filmschaffender. Die Errichtung 30 neuer Kinos und die geplante Eröffnung 80 weiterer Filmhäuser in den kommenden Monaten sah Jannati als „einen der großen Fortschritte“ an, die im vergangenen Jahr kulturpolitisch erzielt worden seien.
Auch der Leiter des Iranischen Kinoverbands, Hojjatollah Ayyubi, lobte erneut die „positive Entwicklung“, die das iranische Kino derzeit durchlaufe. Dazu gehöre die verbesserte Zusammenarbeit zwischen privaten Investoren und Filmschaffenden, die Rückkehr der von der Ahmadinedschad-Administration ins Abseits gedrängten FilmemacherInnen und die Rücknahme von Aufführungsverboten einiger Spielfilme, so Ayyubi. Am nationalen Tag des iranischen Kinos haben IranerInnen landesweit die Möglichkeit, Filme zum halben Preis zu sehen.
„Irans Pavarotti“ gibt lang ersehntes Konzert

Shahram Nazeri: Seit Jahren leidet die iranische Musik unter der Planlosigkeit der Verantwortlichen!
Musikikone Shahram Nazeri

Jahrelang hatten seine Fans und MusikkennerInnen darauf warten müssen. Am 9. September gab Shahram Nazeri, die Ikone der traditionellen Musik des Iran, endlich sein lang ersehntes Konzert. Hunderte Fans strömten in die Festhalle des iranischen Innenministeriums, um Nazeris Auftritt beizuwohnen. Zusammen mit dem Maulawi-Ensemble spielte er Lieder aus seinem neuen Album, das in Kürze, fünf Jahre nach der Veröffentlichung seines letzten Werks, erscheinen soll. Zur Freude des Publikums trug Nazeri zu Ehren der jüngst verstorbenen iranischen Poetin und Regimekritikerin Simin Behbahani auch eines ihrer beliebtesten Gedichte mit dem Titel „Ich werde dich wiedererrichten, meine Heimat“ vor. Auch Nazeri übte im Vorfeld des Konzertes zum wiederholten Male in den vergangenen Wochen Kritik am Regime: „Die politisch Verantwortlichen reden seit langem davon, iranischen KünstlerInnen keine Knüppel mehr zwischen die Beine werfen zu wollen. Ihren Worten haben sie bis dato aber keine Taten folgen lassen“, so der Musiker. Unter den schiitischen Rechtsgelehrten des Iran herrscht bis heute hinsichtlich der Musik keine Einigkeit: Während manche Geistliche Musizieren jeder Art als „haram“ (verboten) betrachten, gilt dies für andere nur für solche Musik, die „freudige Gefühle auslöst“.
Zerstörung historischer Gebäude in Schiraz
Zerstörung historischer Gebäude in Shiraz
Zerstörung historischer Gebäude in Shiraz

Nicht nur bei den aktuellen Kulturereignissen, sondern auch beim Erhalt des Kulturerbes sind sich die Hardliner und gemäßigten Kräfte nicht einig. Die Zerstörung von zehn historischen Gebäuden in der Stadt Shiraz hat im Iran Entrüstung ausgelöst. Die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bauwerke wurden vergangene Woche in einer Nacht- und Nebel-Aktion niedergerissen, um Platz für die Errichtung einer direkten Verbindung zwischen den heiligen Schreinen von Ahmad Ibn Musa und Alaeddin Hossein zu machen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA hat der staatliche Kulturpflegeverband gegen die Verantwortlichen für den Abriss Klage eingereicht. Zudem habe der Leiter des Verbandes, Masud Soltanifar, in einem offiziellen Schreiben den geistlichen Führer des Iran Ayatollah Ali Chamenei darum gebeten, „das zerstörerische Vorgehen gegen das Kulturerbe des Iran zu bremsen“. Jedes Bauprojekt, das mit einer potentiellen Schädigung historischer Strukturen einhergehe, bedürfe einer Autorisierung durch den Kulturpflegeverband sowie die Organisation für Architektur und Städteplanung, so Soltanifar.
  JASHAR ERFANIAN