Erste Antwort auf Trump

Waren es Millionen TeilnehmerInnen, wie offizielle iranische Medien behaupten? Oder waren es nur Hunderttausende, wie Nachrichtenagenturen schreiben? Die diesjährige Revolutionsfeier im Iran hatte auf jeden Fall viele Ziele zugleich: Der neue US-Präsident Donald Trump sollte beeindruckt werden und dem Iran nicht mehr drohen, die Reformer wollten mit ihrer Teilnahme ein Zeichen zur nationalen Versöhnung setzen, und Khamenei, Irans mächtigster Mann, wollte beweisen, dass er Trump nicht fürchtet, die Reformer nicht braucht und allein bestimmen kann, wohin die Reise geht.
„Tag der Antwort“: So sollte der diesjährige Jahrestag der Revolution in der Islamischen Republik Iran heißen. Diese Umbenennung des jährlich gefeierten Gedenktages hatte Ayatollah Ali Khamenei zwei Tage zuvor, in seiner ersten Rede nach Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus, angeordnet. Die Revolution sei bereits 38 Jahre alt, doch sie solle sich an diesem Tag jung, kräftig und so lebendig präsentieren, dass sich niemand mehr traue, der Islamischen Republik zu drohen, so der Revolutionsführer. Die Antwort solle so verständlich und klar sein, dass alle sie verstehen: „Auch der neue Herr in Amerika“, so der Ayatollah.
Verständlich, kurz und bündig, wie Twitter-Texte eben sein können, waren zuvor auch Trumps Drohungen gewesen: Der Iran spiele mit dem Feuer, „ihr habt die Freundlichkeit Obamas nicht zu schätzen gewusst“, mit ihm werde das aber nicht gehen, hatte der neue US-Präsident zwei Tage vor Khameneis Auftritt getwittert.
Und wie beantwortet man eine so unverblümte Drohung?
Der Meister der Rhetorik bleibt leise
 Rhetorisch wäre das für Khamenei leichtes Spiel gewesen, denn der eigentliche Beruf eines Klerikers ist das Reden beziehungsweise Predigen. Und Khamenei gehört zu den besten Rhetorikern unter den schiitischen Geistlichen. Was bedeutet: Er hätte auf Trumps Drohung deutlich antworten können.
Doch der mächtige Mann in Teheran verzichtete auf jede verbale Eskalation. Am Gedenktag war Khamenei für seine Verhältnisse sogar sehr milde gestimmt: Er nannte Trump nicht einmal beim Namen, bedankte sich sogar bei dem „neuen Herren in Washington“ dafür, dass der der Welt „das wahre Gesicht Amerikas gezeigt“ habe, und fügte hinzu: In zwei Tagen, dem Jahrestag der Revolution, komme der Tag der Antwort. Dann werde die iranische Nation die Drohungen entsprechend beantworten.
Zurückhaltung auch auf der Straße
Und dann kam er, der „Tag der Antwort“, und siehe da, die antiamerikanischen Transparente, Parolen und Reden waren plötzlich erstaunlich zurückhaltend, zahmer als in den Jahren zuvor. Worin bestand also die machtvolle Antwort der Nation? Was sollte Trump so beeindrucken, dass er mit seinen Drohungen, Reisebeschränkungen und Sanktionen aufhört?
Jeder ist verärgert über Trump

Ramezan Sharif, zuständiger Kommandeur der Revolutionsgarde für Propaganda am Jahrestag der Revolution: "Schritt für Schritt kommen wir der Vernichtung des Staates Israel näher!"
Ramezan Sharif, zuständiger Kommandeur der Revolutionsgarde für Propaganda am Jahrestag der Revolution: „Schritt für Schritt kommen wir der Vernichtung des Staates Israel näher!“

Es waren die Zahlen. Es sollten an diesem Tag so viele Menschen auf der Straße sein, dass alle begreifen, Trump inklusive, dass sie es im Iran nicht nur mit einer Regierung, sondern mit einem ganzen Volk zu tun haben. Und Khamenei war sich sicher, dass der Aufmarsch groß genug sein würde. Denn kaum eine Regierung kann Massendemonstrationen so perfekt und generalstabsmäßig inszenieren wie die der Islamischen Republik. Seit 38 Jahren gehört die Straße zu ihrer Kampfszene, von hier aus sendet man mit Massenaufmärschen jene Signale, die die Gegner im In- und Ausland wahrnehmen sollen.
Und auch in diesem Jahr war vieles genau geplant und inszeniert. Vor allem hatte man darauf geachtet, dass kein allzu radikales Bild entsteht und nicht zu viele amerikanische Fahnen verbrannt werden. Denn man weiß, dass Trump auf solche Äußerlichkeiten sehr energisch reagiert. Trumps Drohungen, vor allem sein Reiseerlass, trieben auch jene Menschen auf die Straße, die vieles im Gottesstaat eigentlich ablehnen. Denn plötzlich durfte man als Iraner nicht mehr in die USA reisen, weil man gefährlich, möglicherweise Terrorist sei. Und was ist mit den Saudis, den Tunesiern, fragten sich da viele im Iran.
Dem Reiseerlass folgen echte Sanktionen
 Das Einreiseverbot hatte jedem klar gemacht, dass Trump den Iran ernsthaft im Visier hat. Einen Tag vor seinem Droh-Tweet hatte er zudem neue Sanktionen gegen den Iran verhängt und alle Firmen der Welt gewarnt, sie sollten bei ihren Geschäften mit dem Iran vorsichtig sein und bedenken, dass weitere Sanktionen geplant seien: entweder Geschäfte mit dem Iran oder mit den USA, so die Botschaft.
Französischer Ölkonzern beugt sich
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