Der schwere Weg aus der Welt der Fantasie

In der griechischen und römischen Antike stellte Persien oder das Partherreich meist eine bedrohliche, grausame Gegenwelt dar, abgesehen von der Zeit, in der Alexander der Große seine Machtsphäre gewaltig ausweitete, zu der dann Persien, gewaltsam unterworfen, gehörte. Mit Alexanders Tod zerfiel das riesige Imperium in Satrapenreiche und Persien wurde wieder zu etwas Fremden: Es verschwand wieder in einer Andersartigkeit.
Das Bild des Persers oder eben Parthers fand im alten Rom eine typisierte Darstellungsweise, die sich in zwei Richtungen ausformte, in den guten und den bösen Perser. Letzterer wurde mit einem Bart dargestellt, der Gute in Gestalt eines freundlichen, Wein reichenden Jünglings – etwa als Ganymed. Beide waren erkennbar an ihrer Kleidung: Sie tragen – und sind daran als Perser zu identifizieren – eine Hose, ein shirtartiges Oberteil mit V-Ausschnitt und eine unverwechselbare Mütze.
Rolf Schneider, Professor für Archäologie, versetzt die Erfindung des Orientalismus ins alte Rom, dessen Machtansprüchen sich das Perserreich lange entzog, womit es zu einem Gebiet der Spekulationen wurde. In erster Linie hat das wenig mit Deutschland zu tun. Aber dort, wo die antiken Texte gelesen und die Darstellungen wieder betrachtet wurden, prägten die damals entstandenen stereotypen Bilder die Vorstellungen und das Wissen um Persien.
Erste Berührungen
Die erste Gesandtschaft aus Persien traf im Jahr 1600 am Deutschen Kaiserhof in Prag bei Rudolf II. ein. Ihre Absicht war es, Verbündete gegen das Osmanische Reich zu finden. Der „persische Islam“ wurde damals als moderat und umgänglich eingestuft – nicht zuletzt deshalb, weil er sich im Krieg mit dem Osmanischen Reich befand.
Der Besuch wurde 1602 erwidert und die Verbindungen gefestigt. Adam Olearius nahm 1635 an einer Persienreise teil, die 1637 in Isfahan eintraf. Er beschrieb seine Erlebnisse und Eindrücke in einem Tagebuch, das das Persienbild in Deutschland lange prägte. Für die Malerei waren diese Kontakte im frühen 17. Jahrhundert insofern ausschlaggebend, als sich die Darstellung biblischer Szenen, vor allem die der Heiligen Drei Könige, nun an der Kleidung der Gesandten, also an der des vermeintlichen Herkunftslandes der Könige, orientieren konnte. Die übliche Verlegung dieser Szenen ins eigene und bekannte deutsche Umfeld fand damit langsam ihr Ende.
In erster Linie war es der exotische Eindruck, den diese Begegnungen erzeugten. Die Darstellungen weisen, regional gesehen, keine persische Spezifik auf – sie würden passend ebenso für ein arabisches Land wie auch für Indien erscheinen.

"Der portugiesische Tourist", von Reza Abbasi, einem der bekanntesten iranischen Miniaturmaler, 1634
„Der portugiesische Tourist“, von Reza Abbasi, einem der bekanntesten iranischen Miniaturmaler, 1634

 
Einfluss auf bildliche Darstellungen
Im Iran lässt sich um diese Zeit, also der von Schah Abbas I., eine Verschiebung des Einflusses auf bildliche Darstellungen nachweisen, eine Abkoppelung von indischen und chinesischen Vorbildern, insbesondere im Bereich des Porträts. Von einer grundsätzlichen Veränderung im Bereich der Kunst lässt sich jedoch nicht sprechen, weder im Iran noch in Deutschland. Die Kunst war noch lange in feste gesellschaftliche Funktionen eingebunden. Neue Eindrücke mögen Akzentverschiebungen bewirkt haben, Neudefinitionen konnte das langsame Auftauchen einer anderen Welt nicht bewirken. Dazu war das Fremde eine zu punktuelle Erscheinung, für die Alltagserfahrung gab es keine kontinuierlichen Anknüpfungspunkte.
In der Folge fanden diese ersten Begegnungen auch Eingang in das Bild, das man sich von der Erde machte. So war es ebenso Olearius, der die seit Ptolemäus lange vertretene Ansicht, das Kaspische Meer hätte seine größte Ausdehnung in Ost-West-Richtung, durch Vermessungen dahingehend korrigieren konnte, die Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung zu erkennen. Solche aufklärerischen empirischen Ansätze wurden begleitet von theoretischen Erwägungen, die, nicht nur für Deutschland, in der Kunst Bedeutung gewannen.
Hegels zivilisatorisches Ungleichgewicht
In philosophischer Hinsicht kulminierten diese Erklärungsansätze später bei Hegel, der die kulturelle und zivilisatorische Entwicklung der Menschheit in ein System umsetzte, worin der Osten, das heißt China, als die Wiege und Kindheit der Menschheit beschrieben wurde, Persien als die Jugend und Deutschland und Europa mit dem Erwachsenenalter – als der Ort, an dem der Geist schließlich zu sich selbst kommt.
Damit war ein theoretisches Ungleichgewicht zwischen Persien und Deutschland geschaffen, dessen Konsequenzen sich bis heute fortzusetzen scheinen. Man darf einen solchen Gedankengang nicht unterschätzen, vor allem in der Hinsicht des Selbstverständnisses gegenüber der eigenen Kulturproduktion und der der Anderen. Es ist eine vermeintlich auf Fakten beruhende Hierarchie, die ein kulturelles Bewertungsschema prägt, auch und vor allem in Fragen der Ästhetik, die grundlegend für die Kunst und deren Wahrnehmung ist.
In den politischen Umbrüchen, gesellschaftlichen Veränderungen und dem sozialen Wandel des 19. Jahrhundert waren Voraussetzungen angelegt, die Beziehungen zwischen Persien und Deutschland auf eine neue Stufe zu stellen. Die Welt war kleiner geworden. Das Wissen um ihre entlegensten Gegenden trat mehr und mehr aus dem Dunkel, wie auch umgekehrt die geopolitischen Ambitionen des Westens an diesen Regionen nicht spurlos vorübergingen.
Diese Fortschrittsideen waren für Persien ambivalent. Einerseits führten sie das Land in immer größere Abhängigkeiten, andererseits erlangten sie eine Attraktivität in der Hinsicht, als die Vorstellung künftiger Macht gekoppelt war an eine intensivere Einlassung auf diese Ideen – etwa den Aufbau einer modernen Armee. Persien befand sich in einer geopolitischen Einklammerung zwischen England und Russland. Die Verbindung zu Deutschland erschien interessant, weil darin das gesehen werden konnte, was sich jenseits der in Persien praktizierten Konzessionspolitik abspielte – wohl auch, weil Deutschland im europäischen Kolonialpoker eine untergeordnete Rolle spielte.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern verursachte der Zusammenbruch des ikonografischen Kanons der Kunst in Deutschland nicht die Hinwendung zu einer exotischen Bilderwelt, die vorzüglich im Orient angesiedelt wurde, wie etwa in der Odaliskenmalerei. Die vornehmlich in Frankreich und England produzierten Odalisken lassen das Unbewusste des kolonialen Selbstanspruches in einer Umkehrung in fremde Geschlechterordnungen auf ungehemmte Weise zum Ausdruck kommen.
Neuer Malstil für Persien
Fortsetzung auf Seite 3