Ein Militärregime als Alternative zur Islamischen Republik?

Im Rahmen eines Dossiers mit dem Titel „Alternativen zur Islamischen Republik im Iran“ stellt das Iran Journal mögliche Kandidaten für die Zeit nach einem eventuellen Sturz des islamischen Regimes vor. Hier untersucht Farzaneh Roostaee , Iran-Expertin und Kennerin der iranischen Revolutionsgarden, die Möglichkeit eines Putsches durch die Streitkräfte.

Im Iran existieren zwei militärische Organe: die iranische Armee und die „Schutzgarde der Islamischen Revolution“ (IRGC), letztere bekannt als Revolutionsgarden und Revolutionswächter. Die heutige Armee der Islamischen Republik Iran hat ihre Struktur aus der Zeit des Schah-Regimes beibehalten. Vor der Islamischen Revolution 1979 hieß sie „Armee der iranischen Monarchie“ und war nach der israelischen Armee die mächtigste Streitkraft in der Region.

Die Islamische Republik hat die Armee – unter anderem aus Angst vor einem möglichen Putsch – stets und gezielt geschwächt. Dagegen wurde der Einfluss der IRGC ständig ausgebaut, so dass sich diese zu einem politischen und wirtschaftlichen Schwergewicht entwickelte. Umso geringer ist die Rolle der iranischen Armee bei den politischen Entwicklungen.

Die Rolle der Politik

Im Iran agiert neben der „offiziellen“ praktisch auch eine Schattenregierung. Der „offiziellen“ Regierung sitzt der Präsident vor. Sein Kabinett ist für die tagtäglichen Angelegenheiten des Landes zuständig.

Die strategischen Entscheidungen trifft aber die Schattenregierung. Sie kontrolliert darüber hinaus die wichtigsten Posten und Positionen im Land. Das geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ali Chamenei, leitet diese Regierung. Sein Büro (Persisch „Beyt“ – der Hof)- wickelt wichtige Geschäfte ab, entscheidet über die wichtigen Angelegenheiten im Bereich der Innen- und Außenpolitik, der Wirtschaft, des gesamten Atomprogramms sowie der Beziehungen zu den Nachbarstaaten, insbesondere den wichtigsten arabischen Ländern. Sein Hof legt außerdem die Leitlinien der politischen Beziehungen zur Europäischen Union und zu den USA fest.

Ayatollah Chamenei und seine Präsidenten: rechts Ex-Präsident Hassan Rouhani und links der aktuelle Ebrahim Raissi

Anders formuliert sind im Iran die „offiziellen“ Präsidenten und ihre Kabinette Hausmeister des Hofes von Chamenei, die nur Befehle befolgen müssen. Der Hof dagegen übernimmt weder Verantwortung noch ist er irgendeiner Stelle Rechenschaft schuldig – außer Chamenei.

Immer, wenn Chameneis Hof in einer politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Angelegenheit zu einer bestimmten Position tendiert, passen das Kabinett und das Parlament ohne Einwände ihren Kurs an und setzen das um, was die Schattenregierung diktiert.

Ali Chamenei und sein Hof haben darüber hinaus die absolute Kontrolle über alle Bereiche der IRGC und der Armee. Über Ernennungen und Abberufungen hochrangiger Befehlshaber der beiden militärischen Organe entscheidet ausnahmslos Chamenei.

Der Präsident und sein Kabinett haben keinerlei Einfluss auf die Armee, die IRGC, die Polizei oder die paramilitärischen Gruppen inklusive der den Revolutionsgarden untergeordneten Basidsch-Milizen.

Die Schattenregierung hat die IRGC zu einem Instrument der Machtausübung gemacht, die gegen Kritiker*innen, Oppositionelle und – wenn nötig – gegen die Marionetten-Regierung eingesetzt wird. Die Revolutionsgarden spielen bei der Zerschlagung von Protesten, bei Festnahmen von protestierenden Arbeiter*innen, Lehrer*innen und Student*innen eine zentrale Rolle.

Ein Putsch kann nur von der Schattenregierung ausgehen, mit Hilfe der IRGC und gegen die offizielle Regierung.

Die Garden und die Wirtschaft

1988 endete der achtjährige Irak-Iran-Krieg. Damit stellten Tausende Kommandeure der IRGC ein Problem für die Islamische Republik dar. Um ihnen Beschäftigungen anzubieten, wurden wirtschaftliche Privilegien erteilt. Viele Ministerien und Staatsorgane haben die Kommandanten und die Firmen der Revolutionsgarden bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten unterstützt. Zeitgleich machten sich viele Expert*innen Sorgen um die Beteiligung des Militärs in der Wirtschaft.

Der Amtsantritt des damaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad im Jahr 2005 öffnete der IRGC Tür und Tor. Sie war bei der Vergabe der lukrativen staatlichen Aufträge der klare Favorit. Die IRGC, die verfassungsgemäß für den Erhalt der islamischen Revolution und ihre Werte zuständig ist, entwickelte sich zum Auftragnehmer von Hunderten Projekten im Bereich , Straßen-, Hafen-, Flughafen- und Dammbau, aber auch Pharmakologie, Bergbau, Zoll, Hotel und elektronische Datenverarbeitung. Milliardenschwere Import- und Export-Projekte wurden der IRGC in die Hand gelegt. Ihr wirtschaftlicher Flügel stieg ohne jegliche Kompetenz nicht zuletzt in die Öl- und Gasexploration ein.

Die umfangreiche Beteiligung der IRGC in der Wirtschaft führte zur Bildung einer neuen und einflussreichen Klasse von milliardenschweren Kommandanten und ihren Angehörigen. Ohne Berücksichtigung der Interessen dieser neuen Klasse ist heute im Iran keine politische Entwicklung denkbar.

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