UN-Sonderkommission: Raisis Tod darf Menschenrechtsverletzungen im Iran nicht überschatten
Sara Hossain, die Vorsitzende der UN-Sonderuntersuchungskommission zu Menschenrechtsverletzungen im Iran, hat in einem offenen Brief gefordert, dass der Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi die Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen im Iran nicht in den Hintergrund drängen dürfe. Die Menschenrechtslage im Iran, insbesondere die Situation der Frauen, bleibe „besorgniserregend“, erklärte Hossain in dem Schreiben vom 27. Mai 2024. Sie fordert darin den Iran auf, „frauenfeindliche“ Gesetze sowie Einschränkungen der digitalen Freiheit zurückzunehmen.
Zeitgleich zur Beerdigung Raisis erklärte auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, dass der Tod des ehemaligen Präsidenten nicht die Rechenschaftspflicht für die „dunkle Menschenrechtsbilanz“ seiner Amtszeit schmälern dürfe. Ebrahim Raisi, der achte Präsident der Islamischen Republik, starb am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz bei der Rückreise aus der Provinz Ost-Aserbaidschan. Bei dem Absturz kamen sieben weitere Personen ums Leben. Raisi war im Sommer 1988 Mitglied des sogenannten „Todeskomitees“, das für die Hinrichtungen Tausender politischer Gefangener im Iran verantwortlich war.
Hossain verwies in ihrem Brief auch auf den jüngsten Bericht der UN-Sonderkommission, der die Niederschlagung der Frauenproteste im Iran als „schwere Menschenrechtsverletzung“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ einstufte. Sie forderte die iranische Regierung auf, Gesetze wie das „Hijab- und Keuschheitsgesetz“ aufzuheben, die die Freiheit von Frauen und Mädchen einschränken. Sie rief auch dazu auf, die Gleichberechtigung von Frauen und religiösen Minderheiten anzuerkennen.
Der UN-Menschenrechtsrat hatte im November 2022 die Sonderuntersuchungskommission zu den Protesten im Iran eingerichtet und drei Juristinnen in die Kommission berufen. Die Aufgabe der Kommission ist es, die Unterdrückung der Proteste zu dokumentieren und Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Die iranischen Behörden bezeichneten die Einrichtung der Kommission als „feindselige politische Maßnahme“. Im März 2024 legte die UN-Kommission einen Bericht vor, in dem sie feststellte, dass „viele schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Mord, Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, Verfolgung, erzwungenes Verschwinden lassen und andere unmenschliche Handlungen im Rahmen eines weitverbreiteten und systematischen Angriffs auf eine Zivilbevölkerung, nämlich Frauen und Mädchen und andere Menschenrechtsbefürworter, begangen wurden“.
Im April 2024 hatte Human Rights Watch berichtet, dass iranische Sicherheitskräfte während der Niederschlagung der „Frauen, Leben, Freiheit“-Proteste Inhaftierte gefoltert und sexuell missbraucht hatten. Die brutale Niederschlagung der im Jahr 2022 durch den Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam ausgelösten Proteste hatte zu zahlreichen Berichten und Beweisen für Folter, sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung von Demonstrant*innen durch Sicherheits- und Militärkräfte geführt.
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