„Kultur ohne Zensur“: Künstler*innen erkennen Zensurbehörden nicht mehr an
Zeitgleich mit der Durchführung der staatlichen Buchmesse in Teheran hat das Kollektiv „Kunst, Kultur, Aktion“ Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Filmemacher*innen und andere Kulturschaffende dazu aufgerufen, der staatlichen Zensur nicht länger nachzugeben.
Das Kollektiv „Kunst, Kultur, Aktion“ wurde im Zuge der landesweiten Proteste gegründet, die im vergangenen September im Iran ausbrachen. Zu dem Kollektiv gehören eigenen Angaben zufolge inländische sowie im Exil lebende Kulturschaffende vor allem aus dem Bereich Bildende Kunst. Sie haben sich mit dem Ziel zusammengeschlossen, „gewerkschaftliche, politische und bürgerliche Freiheiten in der iranischen Kunst zu unterstützen“ und sich für „Solidarität mit der Bewegung ‘Frau – Leben – Freiheit’ einzusetzen“.
In ihrer aktuellen Erklärung beziehen sich die Mitglieder des Kollektivs auf mehr als 40 Jahre Zensur in allen kulturellen Bereichen und die „Erstickung“ von Künstler*innen und Schriftsteller*innen seit der Gründung der Islamischen Republik: „Die Rückforderung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Freiheit des künstlerischen und intellektuellen Schaffens, für die jahrelang gekämpft wurde, gegenüber der Zensur hat sich in der fortschrittlichen Bewegung ‘Frauen – Leben – Freiheit’ breit und tiefgreifend gezeigt. Jetzt und im Anschluss an diese Bewegung hat die künstlerische Gemeinschaft Irans demonstriert, dass sie den Vorschriften der aggressiven Institutionen des Ministeriums für Kultur und islamische Führung und des Ministeriums für Wissenschaft und Hochschulbildung der Islamischen Republik sowie anderer Repressions- und Zensurinstitutionen nicht länger gehorcht“, schreiben die Mitglieder.
„Von nun an werden wir für unsere künstlerischen und intellektuellen Aktivitäten, einschließlich der Einrichtung von Ausstellungen, der Veröffentlichung von Büchern und Zeitschriften, der Herstellung und Vorführung von Filmen und so weiter, von keiner Institution, insbesondere nicht von staatlichen Einrichtungen, eine Genehmigung verlangen. Wir fordern alle Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Verleger*innen und all diejenigen, die im iranischen Film- und Ausstellungswesen tätig sind, auf, die Überwachungs- und Kontrollinstitutionen im Bereich der Kultur nicht anzuerkennen und sich gegen die ungerechte und ungerechtfertigte Macht des Zensurapparats zu stellen,“ heißt es weiter in der Erklärung.
Im November vergangenen Jahres hatten 250 iranische Übersetzer*innen angekündigt, dass sie ihre Arbeiten künftig ohne Genehmigung der Zensurbehörde veröffentlichen würden. Einen Monat später veröffentlichten mehr als 60 iranische Dichter*innen und Schriftsteller*innen eine Erklärung mit dem Titel „Wir Literat*innen“ und kündigten ebenfalls an, dass sie ihre literarischen Werke künftig unzensiert veröffentlichen würden, „um die Schranke der Zensur zu durchbrechen und die Literatur von ihren Fesseln zu befreien“.
Seit der landesweiten Protestwelle im November 2019 distanzierte sich die iranische Kulturszene immer weiter vom Regime. Mit Ausbruch des Aufstandes im September letzten Jahres trauten sich zahlreiche weibliche Künstlerinnen, ihre Kopftücher öffentlich abzunehmen. Damit brachen sie ein Tabu und lösten große Wut unter den Funktionären des Regimes und dessen Anhängerschaft aus.
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