Im Iran gehen Gerichtsprozesse gegen Protestierende weiter
In den vergangenen Tagen hat im Iran eine Reihe von Prozessen gegen inhaftierte Protestierende stattgefunden. Am meisten hat der Prozess gegen den bekannten Rapper Toomaj Salehi am Sonntag für Schlagzeilen gesorgt. Salehi ist ein unerbittlicher Verteidiger der Menschenrechte und scheut sich nicht, in seinen Songs die repressive Politik des islamischen Regimes hart zu kritisieren. Ihm werden die seit 44 Jahren üblichen Vorwürfe zur Last gelegt; unter anderem „Korruption auf Erden“ und „Anstiftung zu Unruhen“. Damit droht ihm die Todesstrafe. „Die Menge der Anschuldigungen war größer, als dass wir dem Mandanten jede Anschuldigung in der vorgesehenen halben Stunde erklären könnten“, sagte sein Anwalt Amir Raissian.
Laut Raissian soll die Entscheidung des Gerichtes in einer Woche bekannt gegeben werden.
Am Dienstag hat Fereshteh Tabani, die Anwältin des zum Tode verurteilten Abbas Daris per Twitter mitgeteilt, dass das Todesurteil vom Obersten Gerichtshof der Islamischen Republik bestätigt worden ist. Er soll mit seinem Bruder Mohsen bei den Protesten im November 2019 einen Sicherheitsbeamten getötet haben.
Nach Angaben der Organisation Iran Human Rights seien beide Brüder „in einem äußerst unfairen und intransparenten Gerichtsverfahren“ verurteilt worden. Mohsen bekam lebenslänglich.
Am Montag standen die Journalistinnen Nasim Soltanbeygi, Saideh Shafi’i und Mehrnoosh Zarei vor der Abteilung 26 des Teheraner „Revolutionsgerichts“. Ihnen wird „Aktivität gegen die nationale Sicherheit“ und „Propaganda gegen das System“ unterstellt; Anschuldigungen, auf denen bis zu fünf Jahren Haft steht.
Human Rights Watch verlangte einen sofortigen Stopp des Gerichtsprozesses gegen die drei Journalistinnen, die nur ihre Meinung frei geäußert hätten. Die Menschenrechtsorganisation forderte die Islamische Republik auf, die Unterdrückung der Aktivist*innen der Zivilgesellschaft und der Medienmacher*innen zu beenden.
Saideh Shafi’i wurde im Februar in ihrem Haus festgenommen. Sie hatte für die Monatszeitschrift „Khat Sahel“ Artikel über heikle Themen wie die Ausbreitung der Armut und die Korruption bei der Verwaltung von Energiesubventionen und staatlichen Ressourcen durch die Regierung geschrieben.
Mehrnoosh Zarei wurde ebenfalls im Februar verhaftet. Sie hat unter anderem für die halboffizielle Nachrichtenagentur ILNA gearbeitet. Die Anschuldigungen gegen sie stehen im Zusammenhang mit ihren Artikeln – vor allem über die verwahrlosten iranischen Nationalparks.
Nasim Sultanbeigi wird vorgeworfen, mit mehreren in- und ausländischen Medien zusammenzuarbeiten. Sie war auch in der Vergangenheit mehrfach wegen ihrer kritischen Artikel inhaftiert worden.
Iman Afshari, Vorsitzender Richter der Abteilung 26 des Teheraner „Revolutionsgerichts“, steht wegen Menschenrechtsverletzungen auf der britischen Sanktionsliste.
Ankläger wurde verurteilt
Ein anderer Gerichtsprozess sorgte in den letzten Tagen unter iranischen Menschenrechtsverteidiger*innen für Empörung. Hashem Saedi, Vater von Sarina Saedi, wurde zu sechseinhalb Monaten Gefängnis und 40 Peitschenhieben verurteilt. Die 15-jährige Sarina war eines der Opfer der landesweiten Proteste, die unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ seit Semptemer letzten Jahres den Iran erschüttert haben. Sie war am 26. Oktober 2022 bei den Protesten in der Stadt Bukan verhaftet worden. Laut Berichten von Menschenrechtsaktivist*innen soll sie auf der Polizeiwache derart geschlagen worden sein, dass sie stationär behandelt werden musste. Einen Tag später starb sie im Krankenhaus. Ihr Vater und die Eltern anderer junger Opfer protestieren immer wieder laut und verlangen rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen. Nun wurde der Vater selbst angeklagt und verurteilt. Saedi schrieb auf Instagram: „Ich bin heute in Bukan zum Gericht gegangen, aber ich habe weder den Richter gesehen noch konnte ich etwas sagen.“ Das Urteil ist anscheinend in seiner Abwesenheit gefallen. (fp)
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