Iranische Staatsmedien beschuldigen Freitagsprediger von Zahedan
Am Samstag haben in der Stadt Zahedan im Südosten des Iran bewaffnete Männer eine Polizeistation überfallen. Dabei wurden nach offiziellen Angaben vier Angreifer und zwei Polizisten getötet. Die Gruppe „Jeish el-Adl“ (Jaish-ul-Adl) hat die Verantwortung für den Angriff übernommen. Die separatistische Gruppe kämpft für die Unabhängigkeit der Provinz Sistan und Belutschistan und für mehr Rechte der Belutschen.
Obwohl Molavi Abdolhamid, der Freitagsprediger der Stadt Zahedan, sich sofort nach dem Angriff von „jeglicher Art der Gewalt“ distanziert und die Menschen zur Besonnenheit aufgerufen hat, sehen staatliche iranische Medien in seinen regimekritischen Reden den „Zündstoff“ für die Aktion. Zahedan ist die Hauptstadt der Provinz Sistan und Belutschistan. Seit 40 Wochen gibt es dort und in anderen Städten der Provinz nach dem Freitagsgebet Anti-Regime-Demonstrationen. Abdolhamid hatte in den vergangenen Monaten in seinen Freitagspredigen mehrfach die staatliche Gewalt gegen die Protestierenden verurteilt.
Die der Revolutionsgarde nahestehende Nachrichtenagentur Tasnim schrieb am Sonntag, Abdulhamid habe sich „staatsfeindlichen Kräften“ angenähert. Sie wies auch auf Vorfälle vom 30. September 2022 hin und beschuldigte Abdolhamid in diesem Zusammenhang, nicht ausreichend mit der „Untersuchungskommission“ zur Aufklärung der Vorfälle kooperiert zu haben. Am 30. September 2022 war es nach dem Freiheitsgebet in Zahedan zu großen Demonstrationen gekommen, bei denen nach Angaben der Menschenrechtsaktivist*innen etwa 100 Menschen getötet und weitere verletzt wurden. Die „Untersuchungskommission“ bestand aus drei schiitischen Geistlichen, die dem Staatsoberhaupt Ali Khamenei nahestehen. Unabhängige Jurist*innen und Vertreter*innen der Angehörigen der Opfer durften nicht an der Untersuchung teilnehmen.
Tasnim hält Abdolhamids Aufruf zu Ruhe und Besonnenheit für „heuchlerisch“: Wenn er „Besonnenheit“ wünsche, sollte er selbst solche zeigen und mit seinen kritischen Reden gegen das Regime aufhören, erwartet die Nachrichtenagentur.
Bei seinem letzten Freitagspredigt hatte der sunnitische Geistliche die Islamische Republik aufgefordert, einer Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates die Einreise in den Iran zu gestatten. Diese war gebildet worden, um die revolutionäre Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ und die Reaktion des Regimes darauf zu untersuchen. Bisher weigert sich die iranische Regierung, dieser Kommission die Einreise zu gestatten.
Auch die Zeitung Jomhouri Eslami, deren Herausgeber direkt vom Staatsoberhaupt Khamenei ernannte wird, hat Molavi Abdolhamid für den bewaffneten Angriff auf die Polizeistation von Zahedan verantwortlich gemacht, ohne ihn jedoch direkt zu nennen. Die Teheraner Zeitung schrieb, der Angriff sei „eine direkte Folge der extremen Worte derer“, die „das Freitagsgebet missbrauchen und Pessimismus in der Gesellschaft säen“.
Das Nachrichtenportal Noor News, das dem Obersten Nationalen Sicherheitsrat der Islamischen Republik nahesteht, hat Abdolhamid indirekt gedroht, seine „zerstörerische Äußerungen“ würden für ihn Konsequenzen haben.
In den vergangenen Wochen wurden einige Vertraute von Abdolhamid unter verschiedenen Vorwürfen verhaftet. (fp)
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