Gefangenenaustausch: Ein Schlag ins Gesicht der deutschen Geiseln im Iran

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Von Daniela Sepehri

Es ist also möglich, wenn der Wille da ist: Bei einem der größten Gefangenenaustausche nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich mehrere Staaten, darunter Deutschland und die USA, zusammengeschlossen und einen Deal mit Russland ausgehandelt. Dabei kamen 15 in Russland inhaftierte politische Gefangene frei, darunter vier mit deutschem Pass, sowie ein in Belarus inhaftierter Deutscher. Im Austausch bekam Putin einige Spione und Mörder zurück. Es ist ein klassischer Fall von Geiseldiplomatie, wie wir sie auch im Falle der Islamischen Republik Iran kennen. Mit einem Unterschied: Deutschland interessiert sich für die in Russland inhaftierten Geiseln, nicht aber für jene im Iran.

Seit vier Jahren werden Nahid Taghavi und Jamshid Sharmahd vom Regime im Iran als Geiseln gehalten. Beide sind deutsche Staatsangehörige. Taghavi ist fast 70 Jahre alt und befand sich vergangene Woche im Sitz- und Hungerstreik, um gegen Hinrichtungen zu protestieren; Sharmahd wurde zum Tode verurteilt und kann jederzeit hingerichtet werden. Die Töchter der beiden werden seit jeher vertröstet: Man bemühe sich, aber Iran erkenne die doppelte Staatsangehörigkeit nicht an – und immer wieder derselbe Tenor, dass man mit Diktaturen aber nicht verhandele. So gelang es in den letzten Monaten zwar mehreren anderen westlichen Staaten, ihre Geiseln aus den Händen des Regimes im Iran zu befreien. Die USA verhandelten einen Deal, Belgien ebenso, und kürzlich ließ Schweden den Massenmörder Hamid Nouri frei, der an den Massenhinrichtungen der 1980er Jahre beteiligt war. Im Gegenzug bekamen alle eine Handvoll Geiseln zurück. Die Deutschen jedoch waren an diesen Deals nie beteiligt. Die Forderungen der Angehörigen, die westlichen Staaten müssten sich für solche Deals zusammenschließen, wurden hier stets ignoriert. So langsam wächst der Anschein, dass der Westen nicht in der Lage ist, in der Geiseldiplomatie von Unrechtsregimen an einem Strang zu ziehen.

Nach dem spektakulären Gefangenenaustausch zwischen Russland und zahlreichen westlichen Staaten wissen wir nun: Sie können, wenn sie wollen – aber sie wollen eben nicht. US-Präsident Biden bedankte sich für den unermüdlichen Einsatz von Bundeskanzler Olaf Scholz, die SPD betont auf ihren Social-Media-Kanälen stolz die Rolle ihres Kanzlers in diesem Deal. Und so groß die Freude über die freigelassenen Gefangenen ist, umso größer ist der Schlag ins Gesicht von Mariam Claren und Gazelle Sharmahd. Sie müssen mit ansehen, wie der Kanzler sich offensichtlich erfolgreich für die in Russland und Belarus inhaftierten Geiseln einsetzt, während Regierungssprecher Hebestreit in der Bundespressekonferenz im Juli 2023 gestand, dass derselbe Kanzler sich nicht für die im Iran inhaftierten Geiseln einsetzt. Vier Jahre lang hat Scholz zur Inhaftierung von Nahid Taghavi geschwiegen, kein einziges Mal hat er ihre Tochter Mariam Claren empfangen.

Der ausgetauschte „Tiergartenmörder“ ist für Russland das, was Hamid Nouri für das Regime im Iran ist. Für Nouri hätte Europa mehr als nur zwei schwedische Geiseln befreien können. Dies soll kein Appell für Deals sein. Solche Deals halten die Unrechtsregime weiter aufrecht und legitimieren sie. Es braucht langfristige Lösungen und Maßnahmen. Aber wenn schon verhandelt wird, dann muss es richtig geschehen. Dann müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen und niemanden zurücklassen. Ein Deal, der auch nur eine Person zurücklässt, ist ein schlechter Deal.♦

Zur Autorin: Daniela Sepehri ist selbständige Social-Media-Beraterin, Journalistin, Moderatorin und Poetry Slammerin. Als Aktivistin setzt sie sich für Menschenrechte im Iran, Anti-Rassismus und eine menschenrechtsgeleitete Migrationspolitik ein.

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