Absonderliche Menschen
Ottessa Moshfegh wird als starke Stimme der jungen amerikanischen Literatur gefeiert. Fahimeh Farsaie über die Literatur der Schriftstellerin mit iranisch-kroatischen Wurzeln.
Auf das erste Buch der Autorin Ottessa Moshfegh bin ich wegen ihres persischen Nachnamens aufmerksam geworden: auf ihren Debütroman „McGlue‟, der 2014 in den USA erschien. Ich dachte, sie könnte zur zweiten Generation der iranischen Migranten/Exilanten gehören, die nach der Revolution 1979 das Land verlassen mussten oder freiwillig ins Exil nach Amerika gegangen sind, um dort ein besseres Leben zu beginnen.
In Deutschland gibt es einige Schriftsteller und Schriftstellerinnen iranischer Abstammung wie Nava Ebrahimi, Mehrnoosh Zaeri Esfehani und Shida Baziar, um nur ein paar zu nennen. Sie schreiben meistens über die Suche nach ihrer eigenen Identität, über das Erwachsenwerden in einer vielkulturellen Gesellschaft, die sie als Fremde betrachtet, über die bitteren Erlebnisse ihrer Flucht und nicht zuletzt über die gegenwärtigen politischen Unruhen im Iran. Das sind Themen, mit denen sich auch ihre Kollegen und Kolleginnen in anderen Ländern beschäftigen, etwa B. Negar Djavadi (Frankreich), Hamid Ziarati (Italien), Golnaz Hashemzadeh (Schweden) und Dina Nayeri (USA). Kurz: Sie schreiben zumeist ebenfalls eine Art „Diaspora-Storys“.
Das lange Warten
Falsch gedacht; in den Werken der 40-jährigen Autorin Moshfegh, die einer iranisch-kroatischen Musikerfamilie entstammt, finden solche Themen absolut kein Echo. Sie wuchs in einem „normalen“ amerikanischen Haushalt in Newton auf und ging nach dem Abitur an die Brown University, um von 2009 bis 2011 ihr Masterstudium im „Kreativen Schreiben“ zu absolvieren. Auf ihren sensationellen Erfolg musste sie allerdings sehr lange warten: „Fünfzehn Jahre lang habe ich unbeachtet vor mich hingeschrieben und in kleinen Literaturzeitschriften veröffentlicht, die niemand liest. Dann hat Lorin Stein von der Paris Review zwei Kurzgeschichten gedruckt, die ich unaufgefordert eingesandt habe, und plötzlich wurde ich wahrgenommen. Manchmal braucht es nur eine einzige Person, die einen schätzt – und dann bemerken es auch andere.“ Moshfegh wird nun seit ihren Kurzgeschichten sowie den beiden Romanen „McGlue“ (2014) und „Eileen“ (2015) als starke Stimme der jungen amerikanischen Literatur gefeiert.
Das hässliche Amerika
In ihrem jüngst auf Deutsch erschienenen Erzählband „Heimweh nach einer anderen Welt“ zeichnet sie humorvoll eine durch und durch desillusionierte amerikanische Gesellschaft, die aus Verlierern, Drogen- und Alkoholsüchtigen, Machos, Gewalttätigen und Selbsthassern besteht. Menschen ohne menschliche Charakterzüge, Beziehungen ohne jegliche humane Grundlage und Wertvorstellungen, in denen Moral und Selbstachtung Fremdwörter sind.
In den 14 Shortstorys des Buches erzählt Ottessa Moshfegh vom trostlosen Leben der amerikanischen Kleinstadtmenschen, die in der Hölle ihrer fiesen Gedanken und Sex-Phantasien gefangen sind – und sich entsprechend verhalten. Meist haben sie einen Job, mit dem sie ihren Unterhalt verdienen: Es kommen Lehrer, Ärzte, Immobilienverwalter oder Barkeeper vor, die in ihren eigenen Häusern leben und sich sogar ein zweites Haus oder eine Hütte in den Bergen leisten können. Dennoch sind sie blind dafür, ihre Privilegien zu erkennen und die schöne Seite des Lebens zu sehen.
Abfälliger Blick
Fortsetzung auf Seite 2