„Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein“
Die Schauspielerin Roxana Samadi gehört zur Nachfolgegeneration der Iraner*innen, die nach der islamischen Revolution von 1979 die Islamische Republik verlassen mussten. Die in Deutschland geborene und aufgewachsene Künstlerin dokumentiert mit ihrem Filmdebüt „Freiheit im Herzen – lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein“ einen Aspekt der „Frau*-Leben-Freiheit“-Proteste, der in anderen Filmen über diese revolutionäre Bewegung in Iran zu kurz kommt: In ihrem Dokumentarfilm zeigt sie einfühlsam und teilweise poetisch die Hoffnungen und Enttäuschungen der Diaspora-Iraner*innen, die seit September 2022 den Aufstand der Frauen* und der Jugend in Iran unterstützt haben und noch unterstützen.
Dem Iran Journal erzählt die 24-Jährige, was ihre Beweggründe waren, einen Film über eine Bewegung zu drehen, die in Iran noch im Gang ist, jedoch im Ausland allmählich in Vergessenheit gerät.
Iran Journal: Du hast Dir als Schauspielerin – etwa in deutschen Fernsehproduktionen wie dem „Tatort“ – bereits einen Namen gemacht. Was hat Dich bewogen, einen Dokumentarfilm zu machen?
Roxana Samadi: Es waren die Reaktionen, die ich in Deutschland beobachtet habe, nachdem Jina Mahsa Amini vom iranischen Regime ermordet wurde. Das hat mich so tief berührt, dass ich mir eine Kamera gekauft habe und angefangen habe, zu drehen. Plötzlich stand die sonst so tief zerstrittene iranische Diaspora gemeinsam auf der Straße und war in der Lage, alle Streitigkeiten beiseite zu lassen, um für die gleiche Sache einzustehen: für Frau*, für Leben, für Freiheit. Das wollte ich einfangen und damit Hoffnung verbreiten. Wir sind alle Glieder eines Seins, wie Saadi so schön sagt – unabhängig davon, wo wir herkommen. Dein Kampf ist mein Kampf.
Es gibt schon einige Dokumentarfilme und lange TV-Beiträge über die revolutionäre Bewegung „Frau*, Leben, Freiheit“. Warum noch ein Film darüber?
Mein erster Drehtag war die große Demo an der Siegessäule in Berlin, zu der mindestens 100.000 Menschen kamen …
… die historische Demonstration der Diaspora-Iraner:innen in Berlin in Solidarität mit der Frau*-Leben-Freiheit-Bewegung in Iran. Manche sagen, das war die größte Demonstration der Opposition im Ausland. Was hat sie bewirkt?
Ich glaube, sie hat vor allem bewirkt, dass wir unsere eigene Stärke gespürt haben. Wir haben gespürt, wie es sich anfühlt, mit Tausenden zusammenzustehen. Das ist ein unglaubliches Gefühl! Die Energie und die Kraft, die das mit sich bringt, kann einen nur berühren. Das ist sehr besonders gewesen und wird immer ein Moment sein, an den wir uns in hoffnungslos wirkenden Momenten zurück erinnern können. Wir standen bereits gemeinsam, wir können es wieder tun. Ich hoffe, der Film hinterlässt ein Gefühl der Hoffnung.
Das war der Beginn Deiner Dreharbeiten. Wie ging es weiter?
Danach war ich anderthalb Jahre nonstop unterwegs. Den Film nicht zu machen, war für mich keine Option mehr. Ich denke, unterschiedliche Perspektiven sind immer wichtig, egal bei welchem Thema. „Freiheit im Herzen“ ist meine Perspektive, die einer Halbiranerin, geboren in Deutschland, deren Herz trotzdem auch im Iran schlägt.

Von der Familiensaga zur Weltpolitik – ist das ein eher persönlicher Film?
Der Film ist sehr persönlich geworden, obwohl ich die Geschichte anfangs ganz objektiv erzählen wollte. Aber ich habe schnell gelernt, dass das nicht funktioniert.
Solche Filme sind ja in der Regel subjektiv.
Ja. Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass es ganz besonders bei diesem Thema nur persönlich geht. Ich möchte niemandem Worte in den Mund legen, ich möchte auch für niemanden sprechen. Alles, was ich tun kann, ist, aus meiner Perspektive zu erzählen. Das ist ein sensibles Thema, und ich denke, es ist wichtig, es mit Respekt und Vorsicht zu behandeln. Ich würde es nicht wagen, aus der Position einer Person heraus zu sprechen, deren Struggle ich nicht kenne. Ich kann niemals alle Perspektiven mit abdecken, aber meine Protagonist:innen und ich können wahrhaftig erzählen. Insofern bietet „Freiheit im Herzen“ ein kleines Stück aus einem großen Mosaik von Wahrnehmungen und Perspektiven der Frau*-Leben-Freiheit-Bewegung.
Wie lange hast Du insgesamt für die Produktion des Filmes gebraucht?
Etwa zwei Jahre. Wir haben ja alles alleine gemacht, mein großartiges Mini-Team und ich. Wir haben maximal zu zweit gedreht und über Monate in meinem Wohnzimmer geschnitten. Nur für die Postproduktion ist das Team größer geworden. Für Musik, Sounddesign und die Farbkorrektur war es sehr hilfreich, mit erfahrenen Menschen zusammenzuarbeiten.
In deinem Film brechen die Aktivist*innen in der Diaspora häufiger in Tränen aus als die Kämpfer*innen im Land. Hast Du eine Erklärung dafür?
Ich glaube, dass es ein herzzerreißendes Gefühl ist, zu wissen, dass die Menschen in der fernen Heimat gerade ihr Leben lassen, während man selber sich fühlt, als könne man nichts unternehmen. Manchmal zerreißt einen die Hilflosigkeit und in gewisser Weise vielleicht auch das Schuldgefühl. Ich fühle mich einfach wie viele andere in der Verantwortung, für die Menschen im Iran laut zu sein. Das wird auch im Film thematisiert: wer, wenn nicht die Diaspora? Aber dadurch, dass unser Leben hier nicht bedroht ist, gibt es die Ruhe dafür, dass der Kopf die ganze Zeit arbeitet. Wenn man im Überlebens-Modus ist, fällt das ja schnell weg. Das Trauma entsteht erst, wenn die akute Gefahr vorbei ist. Und ich glaube, im Exil zu sein, zu wissen, man will zurück, aber kann nicht, man will helfen, aber weiß nicht, wie, kann einen manchmal erdrücken.
Eine deiner Protagonistinnen im Film wünscht sich, dass die Frau*-Leben-Freiheit-Bewegung in Iran auch in anderen Ländern Nachahmer*innen findet. Kannst Du einschätzen, inwieweit ihr Wunsch in Erfüllung gegangen ist?
Ich glaube, Frau*-Leben-Freiheit hat seine Wellen geschlagen. In Afghanistan wurde es gerufen, im Sudan, in China. Diese Parole ist so universell, dass sie in der Lage ist, jeden zu berühren. Sie schafft es, Grenzen zu durchbrechen, weil es um pure Menschlichkeit geht, und das ist wunderschön. Alle Konflikte fordern unsere Menschlichkeit.
Glaubst du, die Bewegung wurde gebührend von den Demokrat:innen in der Welt unterstützt?
Nein. Ich glaube, dass die Zivilgesellschaft alles Mögliche getan hat, um ein Schallverstärker der Menschen im Iran zu sein. Aber sie hat sich dabei häufig gefühlt, als würde sie in ein Kissen schreien. Die Regierung wollte sie ganz häufig nicht hören. Uns wurde bei der Übergabe einer Petition klar gesagt: Der Fall des iranischen Regimes liegt nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Und so sieht das für den gesamten Westen aus. Was würde es für die Region bedeuten, wenn Iran demokratisch würde? Das wäre nur der Anfang. Es würde den gesamten Nahen Osten verändern und ihn nicht mehr zur Marionette des Westens machen. Das will man natürlich nicht.
Wie kamen die Aufnahmen in Iran zustande?
Ich habe über eine Kontaktperson illegal in Iran drehen lassen. Mir war es wichtig, die Vielseitigkeit und Schönheit und auch Ruhe das Landes zu zeigen. Ich glaube, viele Menschen begreifen nicht, dass man es sich nicht unbedingt aussucht, nicht in die Heimat zurückzukehren. Iran ist ein wunderschönes Land, nach dem sich viele Menschen sehnen. Es ist die Politik, die ihm sein Strahlen raubt.
Arbeitest Du an einem neuen Filmprojekt als Regisseurin?
Noch nicht. Ich freue mich, wieder zu spielen, das habe ich in den letzten zwei Jahren vermisst. Nichtsdestotrotz möchte ich meine nächste Regiearbeit fiktional erzählen. Ich habe Lust, mit Schauspieler*innen zu arbeiten. Da sind ein paar Sachen in Planung, aber so etwas dauert ja immer viele Jahre.
„Freiheit im Herzen – Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein“ / Dokumentarfilm / Regie Roxana Samadi, Produzent: Mohammad Farokhmanesh / 95 min / Deutsch.
Vorführungstermine: Hier klicken!
Interview: Farhad Payar