Parlament blockiert Muttersprache – Minderheiten unter Druck

Das iranische Parlament hat einen Vorschlag abgelehnt, der den Unterricht in den Sprachen ethnischer Minderheiten an Schulen ermöglichen sollte. Während die Befürworter*innen auf die Verfassung pochten, warnten die Gegner*innen vor einer „Gefahr für die nationale Einheit“. Parallel dazu wächst die Repression gegen Aktivist*innen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen.


Das iranische Parlament hat den Vorschlag der Kommission für Bildung, Forschung und Technologie zur Einführung des Unterrichts in den Sprachen ethnischer Minderheiten in den iranischen Schulen abgelehnt. Am Mittwoch, den 26. Februar, stimmten 104 Abgeordnete für den Vorschlag, während 130 dagegen votierten und fünf sich der Stimme enthielten.
Die Befürworter des Vorschlags verwiesen auf Artikel 15 der Verfassung der Islamischen Republik Iran, der besagt, dass der Unterricht in der Muttersprache an Schulen des Landes erlaubt sei. Laut der Volkszählung von 2016 leben in Iran etwa 28 bis 30 Prozent der Bevölkerung in Gebieten, in denen die Mehrheit der Einwohner*innen eine andere Sprache als Persisch spricht.

Parlament stoppt Bildungsreform für Minderheitensprachen

Ehsan Azimirad, Sprecher der Kommission für Bildung, Forschung und Technologie, forderte unter Bezugnahme auf das grundlegende „Bildungsreformdokument“, dass „mindestens 10 und höchstens 20 Prozent der Bildungsressourcen des Landes“ für den Unterricht dieser Sprachen in Schulen bereitgestellt werden.
Gemäß Artikel 15 der Verfassung des Islamischen Republik ist Persisch die offizielle Sprache und Schrift des Landes. Der Artikel erlaubt jedoch ausdrücklich „die Nutzung lokaler und ethnischer Sprachen in der Presse und in Massenmedien sowie den Unterricht in deren Literatur an Schulen neben dem Persischen“. In der Praxis integriert das Bildungsministerium den Unterricht in der Muttersprache jedoch nicht in das offizielle Bildungssystem, was in Teilen der Bevölkerung zu Unzufriedenheit und einem Gefühl der Diskriminierung geführt hat.

Regierung warnt vor vermeintlicher Spaltung des Landes

Auch der parlamentarische Vertreter des reformistischen Präsidenten Masoud Pezeshkian sprach sich am Mittwoch gegen den Vorschlag aus und verwies darauf, dass der Oberste Rat der Kulturrevolution, ein vom Obersten Führer der Islamischen Republik ernanntes Gremium, diesen ablehne. Zudem argumentierte er, dass man in einigen Regionen des Landes mehrere Dialekte und lokale Sprachen sprechen würde, weshalb ein solcher Vorschlag „zu Spaltungen im Land führen“ könne.
Der Abgeordnete Mohammad-Mehdi Shahriari lehnte den Vorschlag ebenfalls ab und begründete dies mit „anti-iranischen Aktivitäten“ bestimmter ethnischer Gruppen in Grenzregionen, die durch eine Umsetzung des Vorschlags „die nationale Einheit und den Zusammenhalt gefährden“ könnten.
Der Unterricht in der Muttersprache ist nicht nur unter den Entscheidungsträgern der Islamischen Republik umstritten. Auch unter politischen und zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen gibt es sowohl Befürworter*innen als auch Gegner*innen.
Der Verband iranischer Schriftsteller*innen fordert die Beendigung jeglicher Diskriminierung sowie der Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung von Aktivist*innen, die sich für die Muttersprache einsetzen. Der Verband ist eine der ältesten und etabliertesten Organisation in Iran und beteiligt sich trotz der enormen Unterdrückung seiner Mitglieder weiterhin an politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Diskursen. Am Freitag, den 21. Februar, verurteilte er in einer Erklärung anlässlich des Internationalen Tages der Muttersprache die Massenverhaftungen von Aktivist*innen in den Grenzregionen Irans. Darin heißt es, dass die Festnahmen arabischer, türkischer, belutschischer und kurdischer Bürger*innen im Vorfeld dieses Tages ein Beleg für die „feindselige Haltung“ der Islamischen Republik gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen sei.


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Repression gegen Aktivist*innen nimmt zu

Menschenrechtsorganisationen berichten von einer Zunahme der Verhaftungen und der Repression gegen arabische, belutschische, türkische und kurdische Bürger*innen und Aktivist*innen im vergangenen Monat. Den Berichten zufolge wurden Dutzende von Menschen in verschiedenen Städten Irans unter anderem in den Provinzen Chuzestan, Sistan und Belutschistan sowie Kurdistan festgenommen.
In der Erklärung des Schriftstellerverbands heißt es weiter, dass keine Sprache im Widerspruch zur offiziellen Landessprache Persisch stehe. „Die Missachtung und Verweigerung des muttersprachlichen Unterrichts bedeutet nichts anderes als die eklatante Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit und die bewusste Leugnung der kulturellen Vielfalt in unserem zutiefst ungleichen Land.“ Der Verband betonte, dass die „Sprachunterdrückung“ bereits unter der Pahlavi-Dynastie begonnen habe und bis heute andauere. Dies habe dazu beigetragen, dass Schüler*innen in Grenzregionen vermehrt vom Bildungssystem ausgeschlossen würden.
Auch die Menschenrechtskommission der Anwaltskammer der Provinz Ost-Aserbaidschan forderte die Einführung des muttersprachlichen Unterrichts in iranischen Schulen. Die Provinz Ost-Aserbaidschan ist mehrheitlich von Angehörigen der aserbaidschanischen Minderheit bewohnt, die muttersprachlich Aseri spricht. Die Hauptstadt der Provinz, Täbris, ist die bevölkerungsreichste und größte Metropole im Nordwestens Irans.

UNESCO-Tag der Muttersprache unter repressiven Bedingungen

Am Donnerstag, den 20. Februar, wies die Kommission darauf hin, dass es gemäß der Verfassung die Aufgabe der Regierung sei, die Bedingungen für den Unterricht in der Muttersprache zu schaffen. Sie forderte Präsident Masoud Pezeshkian auf, sich an erfolgreichen internationalen Vorbildern in diesem Bereich zu orientieren.
Gleichzeitig hat Berufungsgericht Teherans kürzlich die Haftstrafen von mindestens 20 aserbaidschanischen Aktivist*innen bestätigt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte in einer am 14. Februar veröffentlichten Stellungnahme, dass diese Aktivist*innen vom Richter Abolghasem Salavati zu Haftstrafen zwischen drei und vierzehn Jahren verurteilt worden seien. „Diese Repression ist ein Versuch, die Zivilgesellschaft zu zerschlagen und die Forderung ethnischer Minderheiten nach grundlegenden Rechten zu unterdrücken“, heißt es in der Erklärung.
Der Internationale Tag der Muttersprache wurde 1999 von der UNESCO beschlossen und anschließend von der UN-Generalversammlung anerkannt. Als Datum wurde der 21. Februar festgelegt.

Foto: KI-generiert