Behzad Karim Khani – die fehlende Männerstimme unter iranstämmigen Autor*innen
Behzad Karim Khani gibt der iranischen Diaspora eine fehlende Männerstimme. In Hund, Wolf, Schakal und Als wir Schwäne waren erzählt er schonungslos von Gewalt, Ausgrenzung und der Suche nach Heimat.
Von Fahimeh Farsaie
Anscheinend liebt der Autor und gebürtige Iraner Behzad Karim Khani Tiere sehr: Der Titel seines Debütromans lautete „Hund, Wolf, Schakal“, sein zweites Buch heißt „Als wir Schwäne waren“. Doch erzählt er in seinen Werken nicht von der Tierwelt, sondern von der ganz realen Männerwelt der Gewaltbereiten und Abgehängten, der Kleinkriminellen, Drogendealer und Verurteilten – derjenigen, für die das Messer eine rettende Kraft ausstrahlt: „Mindestens zwei Mal wird mich mein Messer davor schützen, zum Krüppel zertrampelt zu werden“, heißt es in „Als wir Schwäne waren“.
Zugvögel und Stadtschwäne
Die Schwäne sind dabei die metaphorische Darstellung des Lebens in Iran und Deutschland: Reza, der Protagonist, erinnert sich an die scheuen Zugvögel am Kaspischen Meer im Norden Irans, die er bei einem Ausflug im Winter mit dem Fernglas beobachtete. Er vergleicht sie mit den trägen Stadtschwänen an einem künstlich angelegten See in Bochum, die gefüttert werden und nicht fliegen können. Sein Blick ist generell nostalgisch und zugleich poetisch, wenn es um die Schilderung der Kindheitserinnerungen im Iran geht.
In Deutschland ist hingegen fast alles schlecht, düster und abstoßend. Denn Karim Khani setzt sich in seinem Buch mit Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft auseinander. Um die „dunkle“ Seite Deutschlands wiederzugeben, findet er erstaunlich viele kraftvolle Bilder und Ausdrücke. Dabei gerät er nicht selten ins Philosophieren und analysiert gekonnt übliche und unübliche Weisheiten.
„Master of the Universe“ in Bochum
Erzählt wird das Ganze in drei spannende Akten, die jeweils in kurze scharfsinnige Episoden gefasst sind. Im ersten Akt ist der Ich-Erzähler neun Jahre alt und lebt in den 1990er Jahren mit seinen aus dem Iran geflüchteten politisch aktiven Eltern in einer „nicht spektakulär gefährlichen oder dreckigen“ Plattenbausiedlung in Bochum. Es geht um die Gründung einer Bande mit den Nachbarskindern und um die erste Gewaltausübung in der Schule: „Ich packe seinen Kopf, halte ihn nach unten und trete ihm mit dem Knie ins Gesicht. Immer und immer wieder…. Danach bin ich King. Ich bin der Master of the Universe.“
Im zweiten Teil ist Reza Teenager, fährt mit seinen intellektuellen Eltern in den Sommerferien in das Konzentrationslager Buchenwald, inspiziert die Praline oder den Playboy und lernt seine erste Liebe Natalie kennen. Er raucht Joints und beginnt, mit Drogen zu dealen: „Für Turnschuhe und Skypager. Für Goldketten, Gasknarren und Butterflymesser. Pillen und Bacardi-Colas in Großraum-Discos. Für Jogginganzüge, Schallplatten, Aftershave und Sonnenbrillen.“ So versucht er, der Armut zu entfliehen.
Vom Schmuggler zum Schriftsteller
Im dritten Teil ist er erwachsen und wird mit Drogen festgenommen, die er von Deutschland nach Holland schmuggelt. Er wird zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt, fängt in Berlin eine Therapie an und wird zwanzig Jahre später mit seiner Coming-Of-Age- und Gangstergeschichte „Hund, Wolf, Schakal“ ein gefeierter Schriftsteller. Darin sucht er nach seiner Identität und findet seine Heimat in der deutschen Sprache.
Beide Romane tragen starke autobiografische Züge. Karim Khani weiß genau, wovon er schreibt: Er kam selbst als Kind mit seinen Eltern aus dem Iran nach Deutschland und wuchs in Bochum auf, bevor er nach Berlin ging und dort in der berühmten Bar 25 arbeitete, eine Weile betrieb er auch die Lugosi Bar in Kreuzberg. Nach der Veröffentlichung seines Debütromans wird er zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen und schreibt unmittelbar mit der finanziellen Unterstützung des Deutschen Literaturfonds sein zweites Buch.
Die Möglichkeit einer Heimat
Dass er auf den ersten Teil seiner Biografie nicht stolz ist und nichts Vergleichbares für seinen fünfjährigen Sohn wünscht, erwähnt er in einem Schreiben an diesen, mit dem der Roman „Als wir Schwäne waren“ beginnt: „Ich will etwas Anderes für dich.“
In diesem kurzen Brief erklärt er, warum er als Heimatloser 187 Seiten braucht, um ihm die Idee der „Heimat“ nahezubringen: „Und vielleicht hilft dir dieses Buch auch, etwas zu finden, das gerade angefangen hat, dir zu entgleiten: Nämlich die Möglichkeit einer Heimat. Verstehe mich nicht falsch. Ich will dir nicht die Idee der Heimat nahelegen. Schon gar nicht will ich dir dieses Land als Heimat nahelegen.“ Was er ihm ans Herz legen will, ist kein Ort, sondern die von ihm erfahrene Tatsache, dass Gewalt keine Heimat ist.
Behzad Karim Khani gehört der zweiten Generation iranischer Autor*innen in der Diaspora an, die auf Deutsch schreiben. „Sechzehn Wörter“ und „Das Paradies meines Nachbarn“ von Nava Ebrahimi, „33 Bogen und ein Teehaus“ und „Das Mondmädchen“ von Mehrnousch Zaeri-Esfahani sowie „Nachts ist es leise in Teheran“ oder „Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar zählen zu den bekannten Migrationsromanen und Einwander*innengeschichten, die aus der Sicht von Frauen erzählt worden sind. Hier fehlte eine Männerstimme. Karim Khani füllt mit seinen sprachlich brillanten Romanen diese Lücke.
Als wir Schwäne waren
Hanser Berlin – 2024
Foto: © Valerie Benner – © Hanser Berlin