Christmas in der Islamischen Republik: beliebt wie noch nie

Im Iran gewinnen die Feierlichkeiten zur Geburt Christi und zum neuen christlichen Jahr immer mehr an Beliebtheit – zum Ärger der islamischen Hardliner.

Von Mina Tehrani

Der Iran ist das Land der Gegensätze: Die Bevölkerung hatte sich noch nicht aus der Schockstarre nach den jüngsten Protesten, die der Staat mit brutaler Gewalt niedergeschlagen hat, befreit, da feierte ein beachtlicher Teil der Iraner*innen am 21. Dezember schon bis spät in die Nacht hinein Yalda, die längste Nacht des Jahres bei Wintersonnenwende.
Und während sich ein Teil der Bevölkerung auf dieses Jahrtausende alte Fest vorbereitete, schmückten andere ihre Straßen und Schaufenster für eine andere Festlichkeit – für die Geburt Christi und den Beginn des neuen christlichen Jahrs.
Besucht man in den letzten Dezembertagen die armenischen Stadtteile von Teheran, Isfahan oder Täbriz, wird man von phantasievollen Dekorationen begeistert. In den Teheraner Straßen Mirza Shirazi, Sana’i oder Najatollahi fallen farbenfrohe Schaufenster mit Weihnachtsschmuck, lebensgroßen Weihnachtsmännerpuppen und Weihnachtsbäumen auf. In der Villa-Straße kann man einen Platz in der Cafe-Konditorei Lord ergattern und eine der besten Sorten des iranisierten russischen Gebäcks Piraschki (Pirozhki) genießen.
Die Stimmung ist heiter, obwohl das eigentliche Weihnachtsfest bei den Armeniern, der Mehrheit der Christen im Iran, erst am 6. Januar stattfindet.

Auch Nicht-Christen feiern mit

Im Jolfa-Viertel von Isfahan geht es ähnlich zu. Doch ein Phänomen, das in den letzten Jahren in fast allen Großstädten der Islamischen Republik zu beobachten ist, ist die zunehmende Begeisterung von Nicht-Christen für das christliche Fest.
Immer mehr Läden schmücken sich weihnachtlich und vermitteln den Bürger*innen das Gefühl einer exotischen Festlichkeit. Auffällig ist auch die Zahl der Weihnachtsmänner, besonders in Teheran, die fröhliche Stimmung verbreiten und für Kinder und Erwachsenen als Selfie-Objekt dienen.
Ebenso gewachsen ist die Zahl der Online-Shops, die Weihnachtliches anbieten. Ein Weihnachtsbaum wird, je nach Größe und Frische, für eine bis zwei Millionen Tuman (70 bis 140 Euro) angeboten. Ärmere Schichten können sich nur künstliche Bäume leisten, die für 100.000 bis 500.000 Tuman (7 bis 35 Euro) zu haben sind.

Vank-Kathedrale in Isfahan ist eine der schönsten Kirchen des Iran
Vank-Kathedrale in Isfahan ist eine der schönsten Kirchen des Iran

 „90 Prozent Nicht-Christen“

Am 25. Dezember berichtete die Nachrichtenagentur Fars über die steigende Beliebtheit von Weihnachtsfeiern im Iran. Demnach wurden in den letzten Tagen Weihnachtsbäume im Wert von etwa sechs Milliarden Tuman (etwa 400.000 Euro) verkauft. Die den islamischen Hardliner nahestehende Nachrichtenagentur kommt nach einer simplen Rechnung zu dem Schluss, dass 90 Prozent der Käufer*innen keine Christen seien. Ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von Weihnachten seien die Influencer in den sozialen Netzwerken, die für „das importierte“ Fest werben, so Fars.
Ein kurzer Blick in diese Netzwerke bestätigt die Feststellung der halbstaatlichen Nachrichtenagentur. Das Interesse an „Christmas“und die Zahl der Neujahrswünsche dort sind enorm. Und das nicht nur bei „normalen“ Usern: Auch Mitglieder der Regierung und des Parlaments wünschen „allen innerhalb und außerhalb des Irans“ „gesegnete Weihnachten“ und „ein erfolgreiches Jahr“.
Zwei Tage später veröffentlichte Fars einen Bericht, in dem ein junger Christ erklärt, sich an den religiösen Zeremonien der Schiiten zu beteiligen statt Weihnachten zu feiern. Er habe herausgefunden, dass die Teilnahme an den Trauerfeiern der Schiiten für ihn „segensreich“ sei, berichtet Fars.
In der Islamischen Republik darf ein Christ sein Interesse am Islam öffentlich kundtun und auch zum Islam konvertieren. Der Übertritt eines Muslims zum Christentum gilt jedoch als Apostasie, auf die harte Strafen bis zur Hinrichtung stehen.

Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Farhad Payar

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