Ein Foto von Bashar Al Assad wurde zerrissen

Iranische Reaktionen auf den Sturz Assads

Was sagen die Verantwortlichen der Islamischen Republik Iran zum Sturz ihres engsten Verbündeten in der Region? Wie reagieren politische Aktivist:innen inner- und außerhalb des Iran? Einige markante Beispiele.

Auf die Nachricht vom Sturz des Assad-Regimes in Syrien folgte in den sozialen Netzwerken eine Welle erfreuter Reaktionen iranischer Aktivist:innen. Viele gratulierten den Syrer:innen zu ihrer „Befreiung aus dem Joch des Diktators“ und brachten ihren Wunsch zum Ausdruck, im Iran bald Ähnliches zu erleben.

Bei den Anhänger:innen der Islamischen Republik gab es demgegenüber Enttäuschung. Dabei wiesen beide, Gegner:innen und Anhänger:innen des Teheraner Regimes, auf „die Milliarden Dollar“ hin, die das iranische Regime in Syrien ausgegeben hat, um Assad an der Macht zu halten – die einen mit dem Vorwurf, Irans Schätze für die Ambitionen der Ayatollahs ausgeplündert zu haben; die anderen mit Frustration und Wehmut.

Neben unterschiedlichem Kriegsgerät und der Unterstützung oder Stationierung paramilitärischer Gruppen wie der Hisbollah, der Fatemiyun oder der Zeynabiyun hat Teheran Assads Regime jahrzehntelang mit Öl und anderen iranischen Produkten versorgt. Laut Statistiken der Kepler-Plattform for Global Trade Intelligence soll Iran in den vergangenen Jahren täglich durchschnittlich 70.000 bis 80.000 Barrel Öl an Syrien geliefert haben. Der jährliche Wert dieser Ölmenge beträgt etwa 2 bis 2,5 Milliarden US-Dollar. Die durch den Export entstandene Schulden Syriens bei Iran sollen nach Angaben des ehemaligen iranischen Parlamentsabgeordneten Bahram Parsaie 30 Milliarden US-Dollar betragen.

Offizielle Stellungnahmen

Noch hüllen sich die Entscheidungsträger der Islamischen Republik, vor allem das Staatsoberhaupt Ali Khamenei, in Schweigen. Irans Außenministerium hat in einer am 9. Dezember veröffentlichten Erklärung auf die guten Beziehungen zwischen der Islamischen Republik und Syrien hingewiesen und die Hoffnung geäußert, dass die neuen Machthaber in Syrien „die Freundschaft zwischen den beiden Nationen“ pflegen mögen. Irans Außenministerium erwartet, „dass diese Beziehungen mit dem klugen und weitsichtigen Ansatz der beiden Länder auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und der Erfüllung internationaler Vereinbarungen fortgesetzt werden“.

Bashar Al Assad (li.) und sein Patron, Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei - Foto: khamenei.ir
Bashar Al Assad (li.) und sein Patron, Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei – Foto: khamenei.ir

Am 8. Dezember hatte Abu Mohammad Al Joulani, der Führer der Aufständischen und Wortführer im neuen Machtzirkel Syriens, in seiner Rede in der Umayyaden-Moschee in Damaskus den geflüchteten syrischen Diktator Bashar Al Assad als Verbrecher bezeichnet, der im Sinne des iranischen Regimes gehandelt habe.

Zwei Tage später, am 10. Dezember, erklärte Hossein Salami, Chef der Revolutionsgarden, in einer Rede im iranischen Parlament, die Islamische Republik sei durch den Sturz von Bashar Al Assad „nicht geschwächt“ worden. Er betonte, dass für das iranische Regime „die Vernichtung des Staates Israel „immer noch auf der Tagesordnung“ stehe.

Mahnende Stimmen aus Iran

Sadegh Zibakalam, ein prominenter politischer Aktivist und ehemaliger Universitätsprofessor, begrüßte den Sturz von Assads Regime. „Sicherlich wird der Sturz von Baschar Al Assad die Entwicklung der Demokratie im Nahen Osten, in Irak, Iran und der gesamten Region fördern“, sagt er im Interview mit der Teheraner Zeitung Ham-Mihan.

Sadegh Zibakalam - Foto: asriran.com
Sadegh Zibakalam – Foto: asriran.com

Zibakalam warnte die Verantwortlichen der Islamischen Republik, ihre Innen- und Außenpolitik zu ändern. Seiner Meinung nach ist das iranische Regime mit seiner Außenpolitik gescheitert. Er ist sicher, wer für das Scheitern der milliardenschweren Politik verantwortlich ist: „Das Parlament und die Regierung spielen keine Rolle in der Außenpolitik“, sagte der Politologe – wohl wissend, dass Ali Khamenei und seine Revolutionsgarde die Außenpolitik des Landes bestimmen.

Auch der als Reformist geltende Publizist und Forscher Abbas Abdi sieht die Zeit reif für einen Politikwechsel. „Die Situation, die in der Region entstanden ist, hat nun die gesamte iranische Außenpolitik in Frage gestellt“, sagte er im Gespräch mit Ham-Mihan.

Mahdi Nassiri - Foto: .tabnak.ir
Mahdi Nassiri – Foto: .tabnak.ir

Mahdi Nassiri, der ehemalige Chefredakteur von Keyhan, der größten Zeitung der islamischen Hardliner im Iran, veröffentlichte auf seinem Instagram-Account ein Foto von Khamenei und Bashar Al Assad und schrieb dazu: „Ist nach Assad der Beschützer von Assad an der Reihe?“ Nassiri ist seit Jahren ein unerbittlicher Kritiker des obersten Führers Ali Khamenei.

Hossein Ronaghi, ein renommierter politischer Aktivist im Iran, nannte Baschar Al Assad einen „blutrünstigen und brutalen Diktator“, dessen Sturz „eine große Lektion für alle autoritären Regimes“ sei. In seinem Post auf X schrieb er zudem: „Die Islamische Republik hat in den letzten Jahrzehnten Iran und die finanziellen Ressourcen des iranischen Volkes geopfert, um diesen Diktator unter dem Vorwand der Verteidigung der schiitischen Heiligtümer (in Syrien) zu erhalten.

Hossein Ronaghi - Foto: privat
Hossein Ronaghi – Foto: privat

Die Geschichte hat gezeigt, dass alle Diktatoren zum Sturz verurteilt sind. So wie Assad gestürzt ist, kann sich die Islamische Republik diesem unvermeidlichen Schicksal nicht entziehen.“

Reaktionen iranischer Oppositioneller im Ausland

Auch iranische Oppositionelle im Ausland begrüßten den Sturz des Assad-Regimes und äußerten ihre Hoffnung auf ein baldiges Ende des islamischen Regimes in Iran.

Reza Pahlavi, der Sohn des letzten iranischen Königs und Führer der Royalisten, kritisierte das islamische Regime in Iran scharf, weil es mit seiner Regionalpolitik „nicht nur die Menschen und Länder der Region, sondern auch das Leben und die Lebensgrundlagen der iranischen Nation zerstört hat.

Reza Pahlavi - Foto: @PahlaviReza bei X
Reza Pahlavi – Foto: @PahlaviReza bei X

Milliarden Dollar unserer nationalen Mittel wurden für die Unterstützung von Kriminellen und Söldnern in der Region ausgegeben, anstatt für die Entwicklung des Iran. Aber heute sehen wir alle, wohin diese Politik geführt hat. Heute ist Syrien zum Symbol für das Scheitern der Islamischen Republik geworden.“

Die politische Organisation „Union der Republikaner Irans“ erklärte, der Sturz von Baschar Al Assad sei eine „gute Sache“ für Iran. „Die exorbitante Investition“ in Syrien habe für die Islamische Republik „nur die Schande der Teilnahme an der Korruption sowie der Tötung und Verletzung der Rechte des syrischen Volkes“ gebracht. „Nach Baschar Al Assad ist Ali Khamenei an der Reihe“, so die Union. Sie warnte Iran und Russland davor, sich erneut in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen.

Abdollah Mohtadi - Foto: iranintl.com
Abdollah Mohtadi – Foto: iranintl.com

Abdollah Mohtadi, Generalsekretär der „Koala Party oft Iranist Kurdistan“, gratulierte „dem syrischen Volk“. Er bezeichnete Assad als „Henker-Diktator und engen Verbündeten des iranischen Regimes“ und äußerte seine Hoffnung „auf den Tag, an dem wir den Zusammenbruch des diktatorischen Regimes der Islamischen Republik im Iran feiern.“

Mohtadi hatte zuvor in einem Fernsehinterview gesagt, Syrien sei für das iranische Regime „wie die Berliner Mauer. Der Zusammenbruch dieser Mauer wird schwerwiegende und irreparable Folgen für das iranische Regime haben.“ Die Islamischen Republik werde bald mit den Protesten der unzufriedenen Menschen im Land konfrontiert sein.

Masih Alinejad - Foto: radiofarda.com
Masih Alinejad – Foto: radiofarda.com

Masih Alinejad, eine der bekanntesten iranischen Oppositionellen im Ausland, brachte ihre Freude zum Ausdruck: „Lasst uns tanzen, singen und unsere Stimmen erheben für ein Syrien ohne Diktatur und für den endgültigen Sturz aller Regimes, die von Terror und Unterdrückung leben, darunter auch das Regime von Khamenei.“

Hamed Esmaeilion, einer der bekanntesten iranischen politischen Aktivist:innen in Kanada, schreibt auf X: „Die Islamische Republik schüttete Milliarden von Dollar aus dem Eigentum des iranischen Volkes zu seinen (Assads) Füßen aus, damit er an der Macht bleibt. Durch Kriminelle wie Qasem Soleimani begleitete sie ihn bei dem Massaker am syrischen Volk, und es ist natürlich, dass dieser gefallene Dominostein dem Weg Richtung Teheran folgen wird. Eine Zukunft, die sich in Ali Khameneis Horoskop abzeichnet.“

Die Menschenrechtsaktivistin Atena Daemi wies in ihrem X-Account auf die Freilassung von „Tausenden von Gefangenen“ aus syrischen Gefängnissen nach dem Sturz von Baschar Al Assad hin: „Ich habe das Video von dem Moment gesehen, als die Türen der Gefängnisse geöffnet und die Gefangenen freigelassen wurden. Unwillkürlich wurde ich an die Tage erinnert, als wir im Gefängnis waren und von ganzem Herzen darauf warteten, dass die Türen unseres Gefängnisses von den Menschen geöffnet und wir alle zusammen freigelassen werden.“
Daemi, die viele Jahre wegen ihrer Aktivitäten für Menschenrechte in iranischen Gefängnissen saß, betonte: „Eines Tages werden wir auch den Fall der Islamischen Republik feiern. Der Tag, an dem Ali Khamenei und die Täter aller Verbrechen dieses Regimes vor Gericht gestellt werden und unser lang gehegter Traum von Freiheit wahr wird, ist nah.“♦

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