Im Iran schreiben, in Deutschland veröffentlichen

Vor vier Jahren besuchte Herr Steinmeier als deutscher Außenminister den Iran. Die deutsche Botschaft hatte mir mitgeteilt, dass er mich treffen wolle. Doch ich war nicht in Teheran und seine Reise war sehr kurz und so konnte das Treffen nicht stattfinden. Vor ein paar Monaten dann sprach der Kulturbeauftragte des Präsidenten mich an und fragte, wann ich wieder nach Deutschland  reisen würde. So kam es zu dem Treffen am 6. März. Ich habe erfahren, dass der Bundespräsident in seiner Freizeit Romane liest und Jazz hört, und dass ihn bei seinen Reisen manchmal Schriftsteller und Künstler begleiten und er die Flugzeit nutzt, um mit ihnen über Kultur und Literatur zu sprechen. Auch einige meiner Werke hat er gelesen, ihm hat vor allem der „Kalligraph von Isfahan“ gut gefallen.

Das Interesse an iranischer Literatur im Ausland wächst – denken Sie, dass das mit der politischen Entwicklung zusammenhängt? 
 

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Weltöffentlichkeit den Iran mit Interesse verfolgt.  Vermutlich wollen manche die Antworten auf ihre Fragen in meinen Romanen aufspüren. Das ist ein Grund, warum meinen Büchern und Artikeln heute mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Kann auch die bessere Qualität der Übersetzungen eine Rolle für die größere Aufmerksamkeit spielen? Inzwischen sind herausragende Literaturübersetzer*innen herangewachsen, etwa die von Ihnen genannte Susanne Baghestani.

Richtig. Literatur zu übersetzen ist ein schwieriges Unterfangen; um Don Quijote von Cervantes zu zitieren: Übersetzen ist im besten Fall wie wenn man ein Teppich von der Rückseite betrachtet. Ich habe aber Glück; meine Übersetzerinnen Susanne Baghestani und Jutta Himmelreich sind sehr gut, wie Lektor*innen und Kritiker*innen mir versichern. Ich bin auch mit Kurt Scharf sehr zufrieden, der einige meiner Romane übersetzt hat. Er ist ein herausragender Sprachkenner, der sieben oder acht Sprachen beherrscht, aus denen er Texte übersetzt.

Kontrollieren Sie die Übersetzungen?

Ich habe keine Deutschkenntnisse, aber man sollte schon manchmal nachschauen. Einmal wurde der Name Torabi mit Terabi übersetzt, weil persische Worte ohne Vokale geschrieben werden. Ich habe es erst bemerkt, als das Buch bereits gedruckt war. Bei manchen Namenszusätzen wie Hassan Chaghoo (Hassan das Messer) oder Hossein Ferfereh (der flinke  Hossein) sollten die Zusätze, die Eigenschaften bezeichnen, übersetzt werden, statt sie in der Originalsprache stehenzulassen.

Die Handlungen mancher Ihrer Bücher liegen einige Jahrhunderte zurück. Trotzdem kommen sie in Europa gut an.

Buchcover
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Mein Roman „Der Kalligraph von Isfahan“ spielt im Jahr 1722, also vor 300 Jahren, aber gerade dieser Roman ist mein erfolgreichster in Deutschland. Auch im Iran wird eine Vielzahl von Büchern gelesen, die zur Weltliteratur zählen. Die Werke von Haruki Murakami etwa werden sofort nach Erscheinen in persische Sprache übersetzt und sie werden gerne gelesen, obwohl es sich dabei um ganz andere Kulturen und Hintergründe handelt. Wir Iraner*innen können uns trotzdem auch in diesen Erzählungen wiederfinden. Es ist wichtig, dass sich Menschen aus diversen Ländern und Kulturgebieten in unseren Romanen wiederfinden können. Das ist etwas, das einige unserer Romanciers nicht ausreichend beachten: Viele Romane, die im Iran geschrieben werden, sind für das internationale Publikum nicht nützlich. Mag sein, dass ich als Iraner sie lesen und genießen kann, aber die globalen Leser*innen sprechen sie nicht an.
 

Sogar ich als Iranerin kann die von der Zensur verunglimpften Texte manchmal nicht verstehen, obwohl ich einen guten Überblick habe über die Sorgen und Nöte der Menschen im Iran. Aber ich verstehe oft die Metaphern nicht, die die Autor*innen benutzen, um die Zensur zu umgehen. Sie vermeiden die Zensur, indem Sie Ihre Bücher im Ausland veröffentlichen.

Auch meine Manuskripte gehen zuerst an iranische Verleger. Die schicken sie an das zuständige Ministerium für Kultur und islamische Führung und bitten um die Erlaubnis, sie zu veröffentlichen. Mein erster Roman wurde vor 42 Jahren im Iran veröffentlicht. Seitdem bin ich permanent Konflikten mit der Zensur ausgesetzt gewesen. Sie hat die iranischen Schriftsteller*innen ruiniert. Ich konnte in den vergangenen 15 Jahren keinen einzigen Roman im Iran publizieren, weil sich das Ministerium geweigert hat, mir die erforderliche Erlaubnis zu erteilen.

Ihre Kolleg*innen arrangieren sich mit den Gegebenheiten und schreiben ihre Texte so, dass sie im Iran erscheinen können.

Buchcover
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Literatur, ganz gleich, wo sie entsteht, beruht auf zwei Säulen, der Politik und der Erotik. Wenn wir sie aus der Erzählung verbannen, bleibt kaum etwas Beachtenswertes übrig. Doch diese beiden Themen stehen im Fokus der Zensur. Ich wundere mich darüber, denn Erotik steht seit tausend Jahren im Mittelpunkt der persischsprachigen Literatur, vor allem in der Poesie. Wir haben beinahe pornografische Poesie, die nicht aus der Feder irgendeines Unbekannten stammt, sondern von ruhmreichen Dichtern wie Rumi, Hafiz und Saadi. Seit ich die Möglichkeit habe, meine Werke im Ausland zu veröffentlichen, sehe ich keinen Grund mehr, warum ich in meinen Romanen auf Erotik verzichten soll. Das führt dazu, dass meine Werke der Zensur zum Opfer fallen.

Wie kann der Austausch mit iranischen Kolleg*innen stattfinden, wenn diese Ihre Werke nicht lesen können? Oder geben Sie Freunden oder Kollegen Ihre Manuskripte zu lesen?

Nein. Niemand außer meiner Frau und meinem Sohn, den europäischen Verlegern und den Übersetzerinnen bekommt meine Manuskripte zu lesen. Viele haben mich danach gefragt, aber ich habe sie gebeten, mich mit solchen Fragen zu verschonen. Ich stehe aber auch mit iranischen Kolleg*innen, vor allem jüngeren Schriftsteller*innen, in regem Kontakt. Ich unterrichte kreatives Schreiben in mehreren Workshops und gebe inländischen Medien jährlich mehrere Interviews.

Sind Ihre Romane wie Kinder, die Sie alle lieben, oder darf man fragen, welche Sie besonders schätzen?

Ich liebe sie alle, aber einem oder Zweien bin ich nicht vollkommen zufrieden. Ich möchte sie gerne bald überarbeiten. Die Erfahrung bringt den Menschen voran und die Arbeiten werden nach und nach besser.

Hat Ihr Buch „Der standhafte Papagei“ für Sie einen besonderen Stellenwert, weil Sie darin über die iranische Revolution berichten?

Nein, gar nicht. Ich habe dieses Buch schreiben wollen, aber das Schreiben immer wieder verschoben. Ich zog fiktive Romane vor. 2015 bin ich auf Frankfurter Buchmesse zufällig Andreas Rötzer begegnet; der spätere Verleger vom Standhaften Papagei. Er fragte mich, an was ich gerade arbeiten würde. Ich sagte, vermutlich würde ich meine Beobachtungen während der Revolution aufschreiben. Rötzer sagte: ‚Schreibe es für uns.‘ Wenig später berichtete mein Literaturagent mir, dass er schon einen Vertrag geschickt habe. Dann habe ich angefangen, „Der standhafte Papagei“ zu schreiben. Es hat zehn Monate gedauert. Aber es ist eine Arbeit wie jede andere.

Das Interview führte Nasrin Bassiri.

© Iran Journal

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