Meilensteine auf dem Weg zur Gleichstellung

Politischer Wechselkurs

Eine weitere Kampagne stellte in gewisser Weise einen politischen Kurswechsel des dominierenden Flügels der iranischen Frauenbewegung dar. Sie entstand kurz vor den iranischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009 und verlangte von allen Kandidaten, im Falle eines Wahlsieges die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen zu unterzeichnen. Zudem sollte sich der neue Präsident für die Abschaffung aller frauenfeindlichen Paragrafen des iranischen Grundgesetzes einsetzen.

Wahlbetrug und die Niederschlagung der darauf folgenden Proteste, der so genannten Grünen Bewegung, unterdrückten auch diese Kampagne. Doch nahmen auch Frauen an den Protesten nach der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinedschads teil und thematisierten ihre eigenen Forderungen neben denen der Grünen Bewegung.

Aus den damaligen Bemühungen kristallisierte sich zum Weltfrauentag 2010 ein weiteres Bündnis heraus. Das „Grüne Symposium der Frauen“ hatte sich die nachdrückliche Äußerung der Forderungen der Frauenbewegung und die Unterstützung der Grünen Bewegung zum Ziel gesetzt. Aufgrund der anhaltenden Unterdrückung der Proteste gingen einige Mitglieder der Kampagne ins Exil, andere wurden verhaftet – darunter die Mitbegründerin Zahra Rahnaward, Ehefrau des Präsidentschaftskandidaten Mirhossein Mousavi. Sie befindet sich seit 2010 mit ihrem Ehemann im Hausarrest.

Demonstration der Teheraner Frauen gegen Säureattacken und sonstige Gewalt der islamischen Fanatiker gegen Frauen, die sich nicht an den staatlichen Kleidervorschriften für Frauen halten!
Demonstration der Teheraner Frauen gegen Säureattacken und sonstige Gewalt der islamischen Fanatiker gegen Frauen, die sich nicht an den staatlichen Kleidervorschriften für Frauen halten!

Beginn der Cyber-Kampagnen

Doch trotz der jahrzehntelangen Unterdrückung halten die Kämpfe der Iranerinnen an, sei es zuhause, auf der Straße, in Haft oder im Exil. In den vergangenen zehn Jahren wurde dabei die Rolle des Internets immer wichtiger.

Die erste iranische Cyber-Kampagne, „Nein zur obligatorischen Verschleierung“, wurde 2012 von einer Gruppe aus Student*innen und Frauenaktivist*innen im In- und Ausland auf die Beine gestellt. Sie forderten Frauen- und Menschenrechtsaktivist*innen dazu auf, kurze Beiträge gegen die Kleidervorschriften für Frauen im Iran – den Hidschab – zu schreiben. Diese wurden auf der Facebook-Seite der Kampagne veröffentlicht.

Gegen Ende der zweiten Amtszeit von Präsident Ahmadinedschad herrschte durch die im Internet geschaffene Dynamik bereits eine Allianz zwischen Frauen im und außerhalb des Iran.

Junge Aktivistinnen, die kurz zuvor den Iran verlassen hatten, gründeten damals die Kampagne „Ich wähle ohne Kopftuch“. Die Initiatorinnen erkannten die Zeit des Wahlkampfes als eine traditionell relativ offene Periode für Forderungen und Protestkampagnen. Sie nutzten diese Atmosphäre, um die Debatte über die erzwungene Verschleierung auch außerhalb des Iran zu fördern. Die Kampagne forderte im Ausland lebende Iranerinnen auf, die dortigen iranischen Vertretungen zur Stimmabgabe ohne Kopftuch zu betreten. Viele Frauen folgten dem Aufruf. Die Kampagne dauerte nur drei Tage, rückte jedoch die Diskussion über die obligatorische Verschleierung in den Fokus – insbesondere unter Iranerinnen im Ausland.

Säureattacken und „heimliche Freiheiten“

Fortsetzung auf Seite 3