Der ewige Krieg – Drogen und der Iran

15 Millionen iranische Familien hätten mindestens einen Süchtigen zu Hause. Diese Realität sei so bedrückend, dass man sie mit frisierten Statistiken nicht mehr verstecken könne. Täglich stürben acht IranerInnen wegen Drogenkonsums. Am gleichen Tag kämen 100 Personen erstmals mit Drogen in Berührung. Vor 20 Jahren seien etwa fünf Prozent der Süchtigen Frauen gewesen, heute seien es doppelt so viele: „Wahrscheinlich ein Ergebnis der Gleichberechtigung“, fügte Hashemi süffisant hinzu.
Die weiteren an dem besagten Abend präsentierten Zahlen offenbarten die Machtlosigkeit des Staates.
„Wir haben seit der Revolution 18 Millionen Menschen verhaftet, von denen 65 Prozent direkt oder indirekt mit Drogen zu tun hatten.“ Nirgendwo säßen so viele Menschen im Gefängnis wie in der islamischen Republik Iran: mehr als 200 pro hunderttausend EinwohnerInnen, doppelt so viele wie in anderen asiatischen Staaten, gestand Ali Akbar Yassaghi, der Chef der iranischen Gefängnisverwaltung, bereits vor Jahren. Und „in dieser Disziplin sind wir immer noch Weltrekordhalter“, so Ali Hashemi an diesem Abend.

Über die genauen Zahl der Drogenabhängige Kinder sind sich iranische Behörden nicht einig
Über die genaue Zahl der drogenabhängigen Kinder sind sich iranische Behörden nicht einig

Am Ende seines Vortrags kam er zu einem weiteren Rekord, den die Islamische Republik seit Jahren unangefochten hält: die Todesstrafe. Für 2016 hat die neue UN-Menschenrechtsbeauftragte noch keine Zahlen vorgelegt. Der alte Beauftragte Ahmad Shaheed hatte vergangenes Jahr am Ende seiner Mission erklärt, seit 2005 hätten Exekutionen im Iran „exponentiell zugenommen“. In keinem anderen Land der Welt würden im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr Menschen hingerichtet als im Iran, berichtet regelmäßig auch Amnesty International. Offiziell wurden im vergangenen Jahr 1.000 Menschen hingerichtet. Die meisten von ihnen waren Drogenschmuggler oder -konsumenten.
Doch selbst diese drakonische Strafe sei wirkungslos geblieben. Man müsse umdenken, so Hashemi Nie habe es so viel Drogenmissbrauch gegeben wie heute: „So kommen wir nicht weiter.“
Ein Dorf ohne Männer
Er ist nicht allein. Auch die iranische Vizepräsidentin Shahindokht Molaverdi warnte bereits öfter davor, dass mit den Todesstrafen lediglich Familien ihrer Väter beraubt würden und sich dennoch nichts ändere. „Wir haben ein Dorf in der Provinz Sistan, in dem es keinen Mann mehr gibt, denn alle sind wegen Drogendelikten hingerichtet worden“, sagte die Vizepräsidentin vor einem Jahr vor Journalisten und fragte: „Was wird aus den Frauen und Kindern dieses Dorfes?“
Es werde im Parlament eine Gesetzesänderung beraten, die Todesstrafe auf Drogenschmuggel solle damit in Haftstrafen umgewandelt werden. „Hoffentlich gibt es bald ein Ergebnis“, hatte Frau Molaverdi vor einem Jahr gesagt – und sie hofft immer noch.
Der kalte Abend am Wohnort des Gründers der Islamischen Republik jedenfalls endete mit dem Fazit: „Wir verfolgen und töten den Anbieter, weil wir den Abnehmer nicht sehen wollen.“
  ALI SADRZADEH
Persischsprachige Quellen und weiterführende Links:
www.jamaran.ir , www.enghelabe-eslami.com , zeitoons.com/18685 , www.dchq.ir , www.dw.com , mousavi47.mihanblog.com , www.adna.ir/tag , www.radiofarda.com/a , www.hamshahrionline.ir , www.ehyanews.com
Auch diese Artikel können Sie interessieren:
Clean bleiben mit Hilfe aus dem Exil
Kinderhandel in Teheran