Unruhen nach Tod eines Dichters
Die Stimmung im Iran ist so gereizt, dass der plötzliche Tod eines kritischen Dichters zur Staatskrise werden kann. Das Regime behauptet, der erst 29-Jährige Hassan Heydari sei an einem Schlaganfall gestorben – lässt aber keine Obduktion zu. Regimekritiker vermuten einen Mord.
Der plötzliche Tod des kritischen Dichters und Kulturaktivisten Hassan Heydari sorgt für öffentliche Unruhen im Südwest-Iran und für Gerüchte im Netz. Der 29-Jährige, der am Sonntag in einem Krankenhaus in der südwest-iranischen Stadt Ahvaz verstarb, soll offiziellen Angaben zufolge am Tag davor im Haus seiner Familie einen Schlaganfall erlitten haben.
Heydari gehörte der arabischen Minderheit im Iran an, die in der südwest-iranischen Provinz Khuzestan etwa ein Drittel der Bevölkerung stellt. Die Provinz zählt trotz starker Erdölvorkommen zu den unterentwickeltesten Provinzen des Iran und wurde während des Irak-Iran-Kriegs schwer beschädigt. Der Aufbau läuft nur schleppend.
Ein Regimekritiker
Heydaris Werke thematisieren die schlechte Lage der Menschen in der Region und kritisieren die Politik des Regimes. Sie kommen bei den unzufriedenen Bevölkerungsschichten vor Ort gut an. Veröffentlichten durfte Heydari im Iran nicht. 2018 war er wegen seiner politischen Gedichte festgenommen worden. Er kam gegen Kaution bis zum Prozessauftakt wieder frei. Nach seiner Freilassung soll er Magen-Darm-Beschwerden gehabt haben.
Anhänger*innen des verstorbenen Dichters glauben vor diesem Hintergrund an eine gezielte Tötung des Regimekritikers. In Ahvaz und anderen Orten in der Umgebung kam es deshalb zu öffentlichen Protesten, wobei auch die Fahne der Islamischen Republik verbrannt wurde. Es gab mehrere Festnahmen.
Demonstrationen in der Stadt Ahwaz:
Falschaussage aus Angst?
In einem Video, das kurz nach den ersten Demonstrationen im Internet auftauchte, hatte Heydaris Vater zunächst den Schlaganfall als Todesursache bestätigt und jeglichen Einfluss der Regierung am Tod seines Sohnes zurückgewiesen.
In einer seit Dienstag im Netz kursierenden Tonaufnahme widerspricht allerdings Hassan Heydaris Bruder Hossein der Aussage des Vaters. Dieser habe diese Aussage nur gemacht, damit die Behörden seine Familie in Ruhe ließen. Laut Hossein Heydari sollen Sicherheitskräfte als Reaktion auf die öffentlichen Proteste in das Haus der Familie eingedrungen sein und gedroht haben, die ganze Familie festzunehmen. Der Onkel des verstorbenen Dichters sei mitgenommen worden, weil er sich geweigert habe, die Aussage über einen natürlichen Tod des Dichters zu stützen. Die Familie wisse bislang nicht, wo er sei.
Heydaris protestierende Anhänger*innen glauben, dass der Dichter durch eine Vergiftung getötet wurde. Der Leichnam des Dichters wurde am Montag ohne Obduktion beigesetzt. Die Bestattung fand früher als geplant und nur im Kreis der Familie und engsten Freunde statt.
© Iran Journal
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