Ethnische Minderheiten und die Wahlen im Iran
Bei jeder Wahl im Iran werben die Kandidaten um die Stimmen der Minderheiten. Doch in den Wahlprogrammen kommen deren Anliegen kaum vor. Auch Präsident Rouhani schwieg bei seinem Wahlkampf über die Lage der ethnischen Minderheiten, er lockte sie aber mit zwei Versprechen.
Die Wahlen im Iran sind vorbei, der Präsident ist gewählt. Hassan Rouhani hat diesmal weniger versprochen als bei den letzten Wahlen. Auch in Bezug auf die Minderheiten.
Obwohl der Iran ein Vielvölkerstaat ist, besitzen die Minderheiten keine Lobby in der Politik. Afro-Iraner, Araber, Azeris, Belutschen, Kurden, Turkmenen und viele weitere Volksgruppen leben als ethnische Minderheit im Iran. Dabei besiedeln sie meist die Randregionen des Landes, die zum Teil wirtschaftlich benachteiligt sind. Offizielle Zahlen zu den Minderheiten gibt es nicht. Laut Maulawi Abdolhamid, einem berühmten sunnitischen Gelehrten im Iran, und Jalal Jalalizade, einem ehemaligen kurdischen Parlamentsabgeordneten, beträgt die Zahl der Sunniten etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Dabei stellt sich durchaus die Frage, warum keiner der Kandidaten direkt um ihre Stimmen wirbt, denn ihr Anteil an der Wählerschaft ist nicht gering und sowohl die ethnischen wie auch die religiösen Minderheiten fordern mehr Rechte.
Im seinem Wahlkampf 2013 hatte Hassan Rouhani noch um die Stimmen der Minderheiten geworben. Er stellte ein 10-Punkte-Programm vor, das ihren Einfluss in der Politik verbessern sollte. Unter anderem versprach er, Ministerien mit Vertretern von Minderheiten zu besetzen und einen Minderheitenbeauftragten zu ernennen. Einige dieser Versprechen konnte Rouhani einlösen. Zum größten Teil scheiterten seine Vorhaben jedoch an den Machenschaften der Opposition und des religiösen Führers Ali Khamenei, der auch bei der gegenwärtigen Wahl im Hintergrund eine wichtige Rolle spielt.
Khameneis Einfluss
Khamenei steht laut Verfassung über allen politischen Instanzen. Deshalb haben seine Worte großes Gewicht. Als er im Oktober 2016 die Regeln für die kommenden Wahlen skizzierte, gehörten dazu unter anderem, dass alle Aktivitäten in Richtung einer ethnischen und religiösen Spaltung im Wahlkampf verboten seien. Nachdem sich der Ton im Wahlkampf vor allem durch Rouhanis jüngste Forderung nach Reformen verschärft hat, warnte Khamenei zuletzt am 10. Mai die Kandidaten davor, mit falschen Versprechungen die „Feinde des Landes” zu stärken.
Buhlen um die Stimmen der Minderheiten
Sowohl Rouhani als auch sein größter Konkurrent bei den Wahlen am 19. Mai, Ebrahim Raisi, reisten in den vergangenen Tagen in Gebiete, die mehrheitlich von Minderheiten besiedelt sind, um dort Wahlkampf zu betreiben. Rouhani reiste in das Gebiet der Azeris, während Raisi nach Kurdistan und Sistan-Belutschistan fuhr. Beide rangen um die Stimmen der Minderheiten, ohne ein Wahlprogramm für diese aufzustellen. Stattdessen fokussierten sie sich auf allgemeinere Themen. Laut Raisi sei die Arbeitslosigkeit das größte Problem der Minderheiten. Schuld daran sei die Regierung Rouhani.
Bei einem Treffen mit sunnitischen Klerikern und ethnischen Minderheiten in Teheran am 6. Mai versuchte Raisi, deren Gunst zu gewinnen. Er warb mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, konkret mit der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Zu Angelegenheiten wie dem Ausleben von Kultur, Sprache und Religion schwieg er jedoch.
Auch Präsident Rouhani verlor bei einem Besuch in Urmia, der Hauptstadt der Provinz West-Azerbaidschan, am 7. Mai kein Wort zu seinen Versprechungen im vergangenen Wahlkampf. Er sprach in seiner Wahlrede nicht über die Rechte der Minderheiten, sondern über das Thema Freiheit. „Ihr sollt nicht von Freiheit reden, denn die Freiheit würde sich schämen“, kritisierte er vor Tausenden Azeris seine konservativen Rivalen.
Die Stimmen der Minderheiten waren wieder einmal für Rouhani von großer Bedeutung. Auch wenn von ihm Probleme wie die der Diskriminierung von ethnischen und religiösen Minderheiten bisher nicht direkt angesprochen wurden, sicherte er ihnen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und mehr Freiheit zu. Warten wir ab, ob er wenigstens diese Versprechen in den nächsten vier Jahren einlösen kann.♦
© Iran Journal
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