taz-Recherche: Falschmeldung über „100 Tote“ im Evin-Gefängnis

Eine Recherche der Tageszeitung taz hat eine gravierende Falschmeldung in Zusammenhang mit den Angriffen Israels auf den Iran in diesem Juni aufgedeckt. Die New York Times hatte in einem Artikel vom 6. Juli behauptet, beim israelischen Angriff auf das Teheraner Evin-Gefängnis seien am 23. Juni rund 100 Transgender-Gefangene getötet worden bzw. würden seither vermisst. Diese Information wurde unter anderem von Wikipedia übernommen.

Wie die taz berichtet, bezog sich die New York Times dabei ausschließlich auf Aussagen des iranischen Anwalts Reza Shafakhah. Dieser weist die Darstellung der Zeitung jedoch entschieden zurück. Er habe nie von getöteten oder vermissten Transpersonen gesprochen. Stattdessen sei es im Gespräch mit der Journalistin Farnaz Fassihi lediglich um allgemeine Angaben zur Größe eines Gefängnistrakts gegangen.

Unabhängige Recherchen – darunter auch Luftaufnahmen von BBC und Iran International – bestätigen, dass beim israelischen Angriff ausschließlich der Eingangsbereich des Gefängnisses sowie dessen Verwaltungs- und Gerichtsgebäude getroffen wurden. Die Gefängnistrakte blieben unversehrt. Unter den insgesamt 82 offiziell vermeldeten Todesopfern befanden sich überwiegend Wach- und Justizangestellte sowie eine zivile Familie, nicht jedoch die von der New York Times behaupteten 100 Transpersonen.

Auf Nachfragen der taz reagierte die Redaktion der New York Times nicht inhaltlich. Eine Mitarbeiterin teilte lediglich mit, man habe dem Bericht nichts hinzuzufügen.

Die taz wertet den Fall als Beispiel für fahrlässige Berichterstattung, der zeige, wie schnell unbelegte Behauptungen in Kriegszeiten zu Propaganda und Desinformation beitragen können. Nach Veröffentlichung des taz-Artikels wurde die Falschbehauptung inzwischen aus dem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag zum Evin-Gefängnis entfernt.

Foto: Flickr

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