Steht der Aufstand bevor?
Die Preiserhöhungen nach der Streichung von Subventionen sind weiterhin ein wichtiges Thema in der iranischen Gesellschaft. Viele sind durch die teilweise astronomischen Energierechnungen verzweifelt; andere suchen nach unorthodoxen Lösungswegen. Dazu schildert die Bloggerin Zeitoon ihre Eindrücke:
In den vergangenen Jahren gaben uns unsere Freunde im Ausland ständig den guten Rat, die Gas-, Strom-, Wasser- oder Telefonrechnungen nicht zu bezahlen, um die Regierung unter Druck zu setzen. Die haben aber Vorstellungen, dachte ich immer. Es machte auf mich den Eindruck, als könnten sie unsere Lage im Land gar nicht richtig einschätzen. Wenn wir die Rechnungen nicht bezahlen, sagte ich immer, werden sie uns doch den Strom oder das Telefon abstellen.
Und mit den Gas- und Wasserrechnungen ist es doch so, dass eine Rechnung für das ganze Gebäude kommt, und dann die Anteile für die Appartements umgerechnet werden: Wenn eine Partei nicht bezahlt, gäbe es doch einen Riesenstreit mit den Nachbarn!
Außerdem waren diese Posten nie so hoch, dass es sich gelohnt hätte, dagegen anzukämpfen. 8000 Tuman (rund 6 Euro) für Strom, 3000 (ca. 2 Euro) für Wasser, oder 10.000 (ca. 7 Euro) für unsere Gasrechnung, und das für zwei Monate; das war im Verhältnis zu den anderen Kosten nicht so viel.
Aber mit den neuen Rechnungen hat sich die Lage drastisch verändert.
Hier ein Beispiel.
Vor einigen Tagen erzählte ein junger Mann im Taxi: „Ich bin Student und verdinge mich auf dem Bau, wofür ich monatlich 200 Tausend Tuman (rund 143 Euro) verdiene. Für meine kleine Mietwohnung in Zurabad bezahle ich 50 Tausend (ca. 36 Euro) im Monat [ich dachte nicht, dass man irgendwo in Iran so billig wohnen kann] und mit den restlichen 150 Tausend (107 Euro) habe ich meinen Unialltag bestritten. Jetzt habe ich eine Gasrechnung erhalten, die allein 150 Tausend beträgt. Ich habe sie aus Wut zerrissen, sobald ich sie sah. Auch die Wasser- und Stromrechnungen waren um ein vielfaches erhöht. Kann mir jemand sagen, wie ich unter diesen Umständen leben soll?“ Sein Gesicht war vor Sorge rot geworden.
Weder der Taxifahrer noch die Fahrgäste hatten eine Antwort darauf. Aber alle unterstützten ihn bei seiner Tat: „Ja, das hast du gut gemacht, wir wollten die Rechnungen auch wegwerfen“, sagte jemand.
Jedenfalls haben wir auf der Sitzung fast einstimmig beschlossen, vorerst die Gasrechnungen nicht zu bezahlen.Später habe ich das in einer Nachbarschaftssitzung angesprochen. Jemand erzählte, dass einige in der Stadt X durch die Stadt gefahren wären, die Rechnungen der Einwohner eingesammelt und sie dann säckeweise zur Stadtverwaltung zurückgebracht hätten. Ein anderer berichtete, dass sie auf der Arbeit verabredet hätten, die Rechnungen nicht zu begleichen; wenn es alle täten, dann… Jedenfalls haben wir auf der Sitzung fast einstimmig beschlossen, vorerst die Gasrechnungen nicht zu bezahlen. Später habe ich erfahren, dass auch viele andere in Karadsch (Großstadt nahe Teheran) so verfahren würden.
Ich bin sicher, dass diese hohen Rechnungsbeträge einen Aufstand zur Folge haben werden. Das wird ein ebenso langes Nachspiel haben, wie der aktuelle Streit zwischen dem Revolutionsführer und dem Präsidenten.
Wenn die Wahl-Unruhen vermehrt in den Bezirken der Mittelschicht und aufwärts stattfanden, werden sie dieses Mal den Süden der Stadt und die Dörfer erreichen, die bisher mit der Regierungspolitik zufrieden waren.
Das ist doch kein Scherz. Jetzt zahlen sie uns gnädigerweise zwischen 40 und 45 Tausend Tuman (28,5 – 32 Euro) von unseren Erdöleinnahmen als Subvention aus, erhöhen aber gleichzeitig unsere Ausgaben um 300 Tausend Tuman (rund 215 Euro). Eine Tankfüllung kostete vorher drei Tausend Tuman (2,15 Euro) – und heute 21 Tausend (15 Euro)!
Äpfel kosteten zwischen 600 oder 700 Tuman das Kilo, heute 3000 Tuman. Fleisch, Hähnchen, Eier, alles doppelt so teuer. Brot, Käse, Salz, Milch, Nägel, Seile, Tische, Socken, Bügeleisen…alles hat sich verteuert; das war doch alles vorher gar nicht subventioniert!
Jetzt verängstigen sie die Leute mit der Streichung der Nullen aus der Währung. Die Menschen rechnen, dass ihre Ersparnisse von beispielsweise zehn Mio. auf zehn Tausend schrumpfen könnten. Wie sollen wir den Wert unseres Geldes erhalten?
Der Wohnungsmarkt stagniert, abgesehen davon, dass man mit zehn Mio. kein Wohneigentum kaufen könnte. Der Dollar wird von der Regierung unten gehalten. Jetzt kaufen alle Goldmünzen; kein Wunder, dass der Goldpreis so drastisch steigt.
Und die Regierung selbst verkauft nun Goldmünzen aller Sorten. Um das restliche vagabundierende Kapital einzubinden, hat sie zum Anlass des Geburtstags des Propheten Ali mit dem Vorverkauf von Goldmünzen zu 50, 25, 10, 5 und 2,5 Gramm begonnen, und verspricht sie erst September auszuliefern.
Ich denke, die Regierung treibt den Goldpreis selbst in die Höhe.Ich denke, die Regierung treibt den Goldpreis selbst in die Höhe. Es ist ständig das Gleiche. Eine psychisch aufgestachelte Atmosphäre und die Goldmünzen verschwinden vom Markt. Und plötzlich, wenn die Preise sehr, sehr hoch sind, verkauft die Regierung mit einer großzügigen Geste minimal rabattierte Goldmünzen. Zurzeit verkauft die Melli-Bank pro Person (unter Vorlage des Ausweises) fünf ganze „Bahar-Goldmünzen“. Wo kommen alle diese Goldmünzen denn plötzlich her? Seit wann wurde dieser Tag vorbereitet?
Die Fälligkeit der Gasrechnungen war der 20. April. Von zehn Leuten, die ich frage, haben sechs bis acht sie nicht beglichen. Die Regierung hat versprochen, dass sie Ratenzahlung einführen will. Aber wie soll so eine monatliche Rechnung aufgeteilt werden? Wenn jemand die 150 Tausend Tuman diesen Monat nicht hat, und den gleichen Rechnungsbetrag nun monatlich erhalten wird, wie soll er das auf Raten bezahlen?
Das Regime müsste sich für die Verteuerung der Gaspreise entschuldigen (was sie nicht tun wird), oder die öffentliche Meinung durch einen Scheinkrieg vom Eigentlichen ablenken und einen Sündenbock finden; und wer eignet sich da gerade besser dafür als Ahmadinedschad?
Und jetzt meinen einige, der „arme Führer“ wusste bisher nicht, wie schlimm Ahmadinedschad ist, und glauben, ihn unterstützen zu müssen, damit er die Regierung austauscht.
Leute, fallt nicht auf diese Spielchen rein!