Öl, die Absolute Waffe – Wer droht wem, wer boykottiert wen?
Am ersten Dezember wollen die EU-Außenminister die Sanktionen gegen den Iran deutlich verschärfen. Neben Reiseeinschränkungen für Regierungsverantwortliche werden auch ein Importverbot für Erdöl und ein Exportverbot für Benzin erwogen. Doch Teherans Erölminister Rostam Ghassemi zeigt sich von all dem sehr unbeeindruckt.
Kein Auftritt ohne demonstrative Selbstsicherheit, keine Ansprache ohne militärischen Unterton. Seit dem Einzug des Revolutionsgardisten Rostam Ghassemi ins Erdölministerium vor vier Monaten herrscht nicht nur im Inneren der Behörde die Kasernesprache. Auch wenn er sich ans Ausland wendet, spricht aus Ghassemi eher der Kommandant als der scharf kalkulierende, abwägende Erdölminister. Als etwa der französische Präsident Nikolas Sarkozy in der vergangenen Woche über die Sanktionen gegen den Iran räsonierte und ein Boykott iranischen Öls als „absolute Waffe“ forderte, da meldete sich der Brigadegeneral Ghassemi umgehend zu Wort. Siegesgewiss fragte er rhetorisch: „Wer darf hier eigentlich wem drohen, wer boykottiert wen? Sarkozy versteht die Welt nicht.“
Alles im Dienste der Revolutionsgarden
Bevor er Ölminister wurde, leitete Ghassemi die den Revolutionsgarden gehörende Khatam el Anbia-Holding und damit einen mächtigen Industrie – und Militärkomplex, der wegen des iranischen Atomprogramms mit Sanktionen der USA und der Europäischen Union belegt ist. Auch Ghassemi selbst steht auf der sogenannten „schwarzen Liste“. Bevor er zu einer OPEC-Sitzung ins Ausland reist, muss er sich zuvor vergewissern, dass er nicht verhaftet wird.
Seine Nominierung als Erdölminister markiert einen strategischen Schritt in der iranischen Innen- und Außenpolitik. Denn damit kontrollieren die Revolutionsgarden das reichste und wichtigste Ministerium des Landes. Die Wahl zeige zudem, dass sich die Islamische Republik auf eine lange Sanktionsperiode eingestellt hat, sagt Professor Fereydoun Khavand von der Pariser CEDS-Universität. Da die ausländischen Investitionen in die veraltete Ölindustrie Irans rapide zurückgegangen sind, soll nun die Holding Khatam el Anbia das leisten, was früher Shell, Total und andere Öl-Konzerne taten, so Khavand.
Ghassemi ist im Ölministerium kein Fremder. Seine Holding war vor seiner Amtsübernahme längst der größte Auftragsnehmer in der Ölindustrie des Iran. Nur 45 Milliarden Dollar sei die Summe der Großaufträge, die Khatam al Anbia übernommen habe, beschwichtigte Ahmad Ghalebani, Vizeminister und Chef der „Iranian Erdölkompanie“ wenige Tage vor Ghassemis Ernennung. Zu den Aufträgen gehört auch die 900 Kilometer lange Gas-Pipeline vom persischen Golf bis zur pakistanischen Grenze. Der Wert des Projekts :1,5 Milliarden Dollar.
Kahtam al Anbia war Initiator und Projektzentrum eines landesweiten Netzes von Gasleitungen, das inzwischen fast alle iranischen Städte und Dörfer miteinander verbindet.
Und immer dann, wenn in den vergangenen Jahren ein ausländisches Unternehmen seine Zusammenarbeit mit dem Iran kündigte und das Land verließ, sprang die Kahtam el Anbia ein und übernahm das betreffende Projekt – ob Straßenbau oder Hafenerweiterung, ob Telekom oder Autoindustrie, für alle Industrie- und Handelszweige fühlt die Holding sich gewappnet. „Langfristig müssen wir alle ausländischen Unternehmen im Land ersetzen“, sagte Ghassemi unverblümt am Tag seines Einzuges ins Erdölministerium.
Da im Iran alles vom Öl abhänge, werde Khatam Al Anbia künftig alle Aufträge an sich reißen, fürchten deshalb viele Mittelständler. Um solchen Ängsten zu begegnen, versicherte der neue Chef der Holding, Mortezea Mozaffari, schon bei seiner Amtseinführung: „Aufträge unter 200 Millionen Dollar werden wir dem freien Markt überlassen.“ Doch selbst das ist nicht sicher. Denn je mehr die internationale Isolierung voranschreitet, um so größer und mächtiger wird der Einfluss dieser Holding. Dazu kommt, dass auch die Minister für Städtebau, für Verkehr und Energie und für Telekommunikation wie Ghassemi ehemalige Revolutionsgardisten und Projektleiter bei der Holding waren. Ghassemis Selbstbewusstsein speist sich also aus Machtfülle, Erfahrung und Mangel an Konkurrenz. Denn bei vielen inneriranischen Großprojekten finden mangels in- oder ausländischer Konkurrenz längst keine Ausschreibungen mehr statt.
Bessere Zeiten versprochen
Kaum im Amt, versprach der neue Minister, er werde die tägliche Erdölproduktion auf fünf Millionen Barrel erhöhen – und dies ausschließlich mithilfe eigener Techniker und Experten. Sollte dieses Versprechen in Erfüllung gehen, wäre der Iran wieder da, wo er vor fünf Jahren war, als Ahmadinedjad an die Macht kam. Denn seither sei die iranische Ölproduktion um jährlich dreihundert- bis dreihundertvierzigtausend Barrel zurückgegangen, gestand Anfang September Hormoz Ghalavand, der Generalsekretär der Ölkompanie im Südiran. Heute produziert der Iran laut der internationalen Energieagentur in Paris täglich etwa 3,8 Millionen Barrel Öl, von denen die Hälfe hauptsächlich nach China, Japan, Indien und Korea exportiert wird.
Und Europa?
In Europa ist Italien mit 180.000 Barrel täglich der größte Abnehmer iranischen Öls. Doch seitdem die EU ernsthaft über einen Einführboykott diskutiert, schlägt auch die neue Regierung in Rom dem Iran gegenüber andere Töne an. Italiens neuer Außenminister Giulio Terzi schrieb vergangene Woche auf seiner Webseite, sein Land unterstütze die Sanktionen gegen den Iran und dies „aus voller Überzeugung“.
„Harte Zeiten in Sicht“
Angesichts solcher dunklen Wolken und nach dem martialischen Auftritt des Ölministers schrieb die iranische Zeitung Schargh Anfang November: „Herr Minister, Öl ist keine Waffe, jedenfalls nicht für den Iran, ein Land, das förmlich nach Geld lechzt – für die Subventionierung des täglichen Bedarfs, für brachliegende Projekte und für die harte Zeit, die auf uns zukommen wird.“ Doch kann offenbar nichts das Selbstbewusstsein des neuen iranischen Ölministers erschüttern. Drei Tage vor der entscheidenden Sitzung der EU-Außenministers legte Ghassemi nach: Der Iran habe sein Öl für die nächsten 45 Tage bereits verkauft und für iranisches Öl gebe es auf dem Markt sowieso keinen Ersatz, verkündete er.