Die Zukunftsfähigkeit der Nukleartechnologie im Iran

MFLI-Anwendungen der NT im Iran

Bei der Werbung für die Relevanz der Nukleartechnologie für den Iran werden alle Anwendungen in einen Topf geworfen. Dabei haben die beiden Anwendungsfelder kaum etwas miteinander zu tun. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist die Tatsache, dass sie zum Teil angereichtes Uran brauchen: zur Stromgenerierung in riesigen Mengen mit dem niedrigen Anreicherungsgrad LEU, für MFLI-Anwendungen in kleinen Mengen mit dem hohen Anreicherungsgrad HEU oder LEU – das Mengenverhältnis ist 99 zu einem Prozent. Im letzteren Fall ist die Menge so klein, dass es sich für einzelne Länder nicht lohnt, für den eigenen Verbrauch Uran anzureichern. Daher gibt es eine internationale Arbeitsteilung zur Bereitstellung angereicherten Urans für Forschungsreaktoren.

Mit Blick auf den Bedarf des Forschungsreaktors in Teheran wird von der IRI wider besseren Wissens eingewendet, das Land müsse zur Deckung dieses Bedarfs Urananreicherung betreiben.

Doch kaum ein Land auf der Welt produziert das zur Versorgung seiner Forschungsreaktoren benötigte angereicherte Uran selbst. Die 222 Forschungsreaktoren, die es auf der gesamten Welt gibt, beanspruchen weniger als 1 Prozent des weltweit angereicherten Urans. Russland betreibt 54, die USA betreiben 50 Forschungsreaktoren. Daher ist es folgerichtig, dass sie als Hauptlieferanten fast die gesamte Versorgung der Forschungsreaktoren weltweit übernommen haben. Die IRI hätte also ihren Bedarf an zu 19,75 Prozent angereichertem Uran über das befreundete Russland decken können – wie es auch Deutschland und Frankreich im Wesentlichen tun.

Vernachlässigung der MFLI-Anwendungen

Eine andere Merkwürdigkeit im Verhalten der IRI ist, dass sie sich über Jahrzehnte hinweg nicht bemüht hat, die zukunftsträchtigen und unumstrittenen MFLI-Aspekte der Nukleartechnologie ernsthaft zu fördern oder zu nutzen – sie hat sich mit dem überalternden Reaktor von Teheran begnügt.

Die Atomanlage Bushehr liegt in einem erdbebengefährdeten Gebiet

Die IRI hat Milliarden Dollar für das AKW und die Förderung der Urananreicherung ausgegeben, statt einen wesentlich billigeren Forschungsreaktor an der Stelle des veralteten Teheraner zu errichten. Und sie hat den Schwerwasser-Forschungsreaktor in Arak so konzipiert, dass er eher Plutonium zum Bombenbau produziert hätte als einen brauchbaren Neutronenfluss.

Bei welcher NT-Anwendung könnte Iran mehr Reichtum generieren?

Wenn man bedenkt, dass die Anwendung der NT in den MFLI-Feldern eine profitable und unverzichtbare Zukunft verspricht und bereits jetzt in vielen entwickelten Ländern größere ökonomische Vorteile bringt als die Stromerzeugung, kann man sich vergegenwärtigen, was der Iran durch die mangelnde Beachtung dieser Technologien verliert. Nach Angaben zweier unabhängig voneinander betriebenen Studien aus den USA und Japan ist der mit MFLI-Anwendungen erzielte Umsatz in den USA dreimal und in Japan 1,13 mal höher als der der jeweiligen AKW.

Nun hat der Konflikt mit dem Westen diesen unumstrittenen Aspekt der NT-Anwendung auch indirekt zusätzlich behindert. Zum mangelnden Willen sowie den begrenzten Ressourcen der IRI – nicht zuletzt wegen der Priorisierung der Kernenergie, insbesondere der Uran-Anreicherung – haben sich die US-Sanktionen gesellt, die die Beschaffung der benötigten dual verwendbaren Instrumente stark erschwert haben.

Es ist jedoch festzuhalten: In Anbetracht dessen, dass der Forschungsreaktor von Teheran überaltert ist, stellt der Forschungsreaktor von Arak – wohl gemerkt in dem neuen, im Wiener Nuklearabkommen vorgeschlagenen Design – das einzige Element des Nuklearprogramms der Islamischen Republik Iran dar, das für das Land langfristig von Nutzen sein kann. Fazit: Mit ihrer verfehlten Politik hat die IRI sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft der Nukleartechnologie im Iran gefährdet.♦

© Iran Journal

Zum Autor: Dr. Behrooz Bayat, geboren im Iran, studierte Physik an den Universitäten Teheran, Frankfurt am Main und Marburg. Nach Promotion und Forschungstätigkeit arbeitete er unter anderem als freiberuflicher Berater für die Internationale Atomenergiebehörde in Wien. In seinen Publikationen setzt er sich u.a. mit der Nuklearpolitik des Iran auseinander.

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