Die Zukunftsfähigkeit der Nukleartechnologie im Iran

Behauptet wird auch, dass die Nukleartechnologie ein Motor des Fortschritts sei, der andere Technologien antreiben würde. Natürlich trägt jede Wissenschaft und jede Technologie zum Fortschritt bei, und natürlich hat die Anwendung der NT in den MFLI-Feldern eine große Zukunft. Aber zu glauben, dass die Konzentration auf die NT zur Energiegewinnung, unabhängig von den sonstigen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Umständen, zu umfassendem Fortschritt beiträgt, ist ein Wunschdenken, ja ein Fehlschluss – und häufig auch politisch intendiert. Denn wäre dem so, müssten Länder wie Russland, Pakistan oder gar Nordkorea zur Weltspitze der Technologie gehören.

Desaströse Autarkie

Neben der Behauptung der Unverzichtbarkeit des Atomstroms wird darauf beharrt, dass diese Methode der Stromerzeugung zudem noch autark zu sein habe, weshalb der Iran auf eine selbstständige Urananreicherungsindustrie angewiesen sei. Spätestens hier schiebt sich die politische Dimension des Nuklearprogramms der Islamischen Republik Iran (IRI) in den Vordergrund. Denn die Anreicherung ermöglicht eine duale Anwendung: niedrig angereichertes Uran (LEU) für AKW und hoch angereichertes Uran (HEU) für Kernwaffen.

Jenseits der Tatsache, dass Autarkie in der heutigen Welt angesichts der fortgeschrittenen internationalen Arbeitsteilung kein erstrebenswertes Ziel ist, ist ihr Erreichen hinsichtlich der Nukleartechnologie durch die Islamische Republik wohl ausgeschlossen. Denn laut dem Red Book 2018 der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien, das alle zwei Jahre über die Uranförderung auf der Welt berichtet, betragen die gesicherten Uranvorkommen in iranischen Minen, die mit einem Kostenaufwand von unter 130 Dollar pro Kilogramm gefördert werden könnten, 1.407 Tonnen. Die nicht ganz gesicherten, aus geologischer Betrachtung abgeleiteten Mengen betragen 6.750 Tonnen, die prognostizierten Ressourcen betragen 12.450 Tonnen. Mit anderen Worten: Die Uranförderung und -anreicherung würde dem Iran keine Autarkie schenken, sondern langfristig eher zu jener Abhängigkeit vom Weltmarkt führen, die man vermeiden zu wollen vorgibt.

Denn es lässt sich leicht errechnen, dass bei einem jährlichen Bedarf des AKW Bushehr1 von 160 Tonnen pro Jahr die sicheren Uranreserven des Iran nur für knapp neun Jahre ausreichen würden. Rechnet man mit der weniger realistischen Menge von 6.750 Tonnen, reichte es für 42 Jahre für einen Reaktor. Aber die IRI beabsichtigt, mehrere AKW, konkret zwei weitere, zu errichten. Die Versorgung wäre damit mit 1.407 Tonnen für drei, mit 6.750 Tonnen für 14 Jahre gesichert.

Die Lebensdauer eines AKW wird mit etwa 40 bis 50 Jahren veranschlagt: Versorgungsautarkie scheint nur ein Vorwand zu sein.

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