Lebenshaltungskosten explodieren

Die radikale gesetzliche Kürzung der Subventionen durch die Regierung ‎Ahmadinedschad ist nun seit rund drei Monaten in Kraft. Beschlossen wurden die ‎Sparmaßnahmen nach Monate langem Streit mit dem Parlament schon vor über ‎einem Jahr. Aus Angst vor Unruhen, wurde die Umsetzung aber immer wieder ‎verschoben.
Diese – von der Regierung als „zielgerichtete Subventionen“ ‎bezeichneten – Kürzungen betreffen Energie und Grundnahrungsmittel und haben ‎wie erwartet zu massiven Preisexplosionen in diesen Bereichen geführt. Den ‎Ausgleich will die Regierung durch gezielte Zahlungen an die Bevölkerung ‎schaffen. ‎
Die bisher auf Konsumgüter gewährten Subventionen, ‎so der Plan der Regierung, sollen per Antrag direkt ans Volk fließen. Davon erhofft sich der Staat Mehreinnahmen von 40 Mrd. Toman (ca. 28,6 Mio. Euro).
Engpässe bei der Auszahlung der Gelder erhitzen nun, kurz vor dem traditionellen ‎Neujahrsfest (am 20. März) die Gemüter in Iran. Denn die neu berechneten ‎Rechnungen für Gas, Wasser oder Strom kommen in diesen Tagen bei der ‎Bevölkerung an. ‎
Ein Angestellter aus Teheran berichtet, dass seine Gasrechnung in den letzten ‎Monaten durchschnittlich etwa 10 Tausend Toman (ca. 7 Euro) betrug, die neue ‎Rechnung in diesem Monat aber belaufe sich auf „unglaubliche 140 Tausend ‎Toman“ (ca. 100 Euro). ‎
Bislang hat er keinerlei Zuwendungen von der Regierung erhalten: „ Ja, man muss ‎die Formulare ausfüllen und warten, bis sie dich nach deinen Kontodaten für die ‎Überweisung fragen. Nach inzwischen fünf Monaten habe ich noch keine ‎Benachrichtigung, und ich bin bei weitem nicht der einzige, dem es so geht. Und ‎wenn sie zahlen sollten, sind es gerade mal 27 Tausend Toman (ca. 19 Euro). Das ‎reicht nicht einmal für diese Gasrechnung, geschweige denn die restlichen.“
Die Explosion der neuen Gas-, Wasser- und Strompreise hat viele Einwohner ‎schockiert. Ein anderer berichtet, dass er für seine 80qm-Wohnung bisher 3-4 ‎Tausend Toman (ca. 2,1 – 2,9 Euro) an Gaskosten bezahlte, und nun eine ‎Gasrechnung über 97 Tausend Toman (ca. 69 Euro) erhalten habe. Ein weiterer ‎sagt, seine Gasrechnung für sein 300qm-Haus sei von durchschnittlich 10-12 ‎Tausend Toman (ca. 7- 8,50 Euro) auf 170 Tausend (ca. 121 Euro) angestiegen. ‎Ähnliche Steigerungen werden auch für Strom- und Wasserrechnungen berichtet.‎
Zugleich ist es für viele nicht nachvollziehbar, wie die neuen Preise zustande ‎kommen. Die Journalistin Somaye Tohidlou schreibt auf ihrem Blog über die Fernsehauftritte der Zuständigen, die „mit ihren ‎Laptops, Software und mathematischen Formeln“ im Fernsehen auftraten, um für ‎Aufklärung zu sorgen: „Alle sprachen von einem transparenten Vorgang“, aber ‎‎„entgegen allen Versprechungen der Regierung“ sind die Preisberechnungen ‎undurchsichtig. ‎
Experten erwarten durch die gestiegenen Energiekosten eine galoppierende ‎Inflation und Preissteigerungen für alle Konsumgüter. Zudem sind nicht nur ‎Bevölkerung und Industrie von den hohen Energiekosten überwältigt. Auch die ‎Städte und Gemeinden sind betroffen. Die Budgetkommission der Hauptstadt ‎erwartet Mehrbelastungen in Millionenhöhe.‎
Die Wut der Bevölkerung ist so groß, dass sie in der vergangenen Woche vor dem ‎Eingang der örtlichen Gaswerke in Isfahan protestierten und ihre Rechnungen ‎verbrannten. Eine hohe Last für die Menschen sind auch Preissteigerungen von ‎Grundnahrungs- und anderen Lebensmitteln. Verschiedene Bauernverbände ‎veröffentlichen wöchentlich neue Preise, und berichten über kontinuierlichen ‎Preisanstieg von bis zu 8%. Auch die iranische Zentralbank berichtet in einer ‎wöchentlichen Meldung von Preissteigerungen. ‎
Regierungsnahe Zeitungen wie Fars-News sprechen jedoch von stabilen Preisen ‎für Lebensmittel: die meisten Lebensmittelpreise „seien sogar in den ersten fünf ‎Wochen nach der Umsetzung der zielgerichteten Subventionen gesunken“, so die ‎Webseite. Der Präsident verspricht vor Parlamentsmitgliedern, dass „die ‎Bevölkerung in den ersten Wochen des neuen Jahres (1390) Zeuge von spürbaren ‎Preissenkungen“ sein wird. ‎
Die Zentralbank hatte diese Woche ihre jährliche Einkommensstudie für das ‎ablaufende iranische Jahr 1389 (20. März 2010 – 20.März 2011) veröffentlicht. ‎Demnach fehlen einer iranischen Familie monatlich im Durchschnitt etwa 313 ‎Tausend Toman (ca. 223 Euro). ‎
Das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen einer städtischen Familie wird für ‎das Jahr 1389 mit rund 12,4 Mio. Toman (ca. 8857 Euro) angegeben, was einem ‎monatlichen Einkommen von rund 738 Euro entspricht. Die durchschnittlichen ‎Haushaltskosten betragen dagegen ca. 12,7 Mio. Toman (ca. 9080 Euro) im Jahr ‎‎(monatlich rund 757 Euro). ‎