Iranische Automobilindustrie: Anzeichen eines Tsunamis

Große iranische Autohersteller werden staatlich geführt, obwohl der Privatsektor der größere Aktieninhaber ist. Experten sehen das weitverbreitete Phänomen als einen der Hauptgründe der Unwirtschaftlichkeit iranischer Unternehmen an. Sie fordern die Regierung auf, stattdessen Hürden zu beseitigen, Weichen zu setzen und sich aus ihrer Aufsichtsrolle zurückzuziehen.

Von Iman Aslani

Alles, was ein Wirtschaftsunternehmen in die Knie zwingen könne, hätten die iranischen Autohersteller: Das meint unter anderem Esmail Shodjaie, ein Experte im Bereich der Automobilindustrie im Iran. Fehlende Fachkenntnisse und Führungskompetenzen staatlicher Manager, angeordnete und marktentkoppelte Verkaufspreise sowie die sozialistisch geprägte Verteufelung von Marktwirtschaft und Investitionen hätten die iranische Autoindustrie in katastrophale Zustände versetzt, stellte Shodjaie am 11. März in einem Interview mit dem iranischen Nachrichtenportal ILNA fest.

Die beiden großen Autohersteller des Landes, Iran Khodro und SAIPA, häufen in der Tat seit Jahren Schulden an. Das Forschungszentrum des iranischen Parlaments schätzte diese in einem Bericht im Jahr 2022 auf mehr als 800 Millionen Euro ein, während sich der Marktwert der beiden Marken Medienberichten zufolge auf knapp 1,8 Milliarden Euro belaufen soll.

Die beiden Hersteller verkaufen ihre technologisch veralteten und qualitativ konkurrenzunfähigen Produkte fast ausschließlich im Inland. Die iranische Automobilindustrie genießt jedoch ein absolutes Monopol: Ausländische Neuwagen werden mit extrem hohen Zollgebühren belegt.

Achillesferse staatliches Management

Eine „echte“ und „ordnungsgemäße2 Privatisierung der iranischen Industrie halten Experten für dringend notwendig – und das nicht nur in der Automobilindustrie. Die Kupfer- und Stahlindustrien beispielsweise leiden unter den gleichen Schwierigkeiten. Im Zuge der „Privatisierungen“ der vergangenen Jahre seien die Unternehmen nicht dem wahren Privatsektor, sondern den Tochtergesellschaften staatlicher Firmen überlassen worden, monieren Beobachter:innen.

Die Führung sei deshalb indirekt staatlich geblieben, stellte Shodjaie im Interview mit ILNA fest, auch wenn die Privatinvestoren den Großteil der Aktien besitzen. „Der Sinn einer ordnungsgemäßen Privatisierung besteht nicht nur darin, Unternehmen an den Privatsektor zu übergeben, sondern auch, kontraproduktive Gesetze wie beispielsweise angeordnete Preisgestaltung zu revidieren, fehlerhafte Vertriebsstrukturen zu korrigieren und staatliche Einmischungen zu verhindern“, so der Automobilindustrie-Experte.

Fachverbände und Privatsektor sollten endlich Führungs- und Gestaltungsmöglichkeit bekommen, fordern Experten. Die finanziellen Unterstützungen des Staates seien derzeit ebenso ineffektiv. Diese kommen den Mittelsmännern und dem Maklersektor zugute, anstelle der Produktion und Liquidierung der Automobilhersteller zu dienen.

Automobilhersteller jedoch kritisieren wiederum die staatlich auferlegte Preisdeckelung. Auch Experten bemängeln die Deckelungen, unter anderem wegen der inflationären Wirtschaft, die etwa die Rohstoffpreise in die Höhe treiben.

Foto: Mizan

Chinesische Konkurrenz und Irans Automobilindustrie im Bankrott

Eine weitere Gefahr für die iranischen Automobilbauer stellt die chinesische Konkurrenz dar. Zwar werden chinesische Autos im Iran zum Schutz der inländischen Produktion preisintensiver angeboten; es wird jedoch immer wieder über die Übernahme von iranischen Automobilherstellern durch chinesische Investoren diskutiert. Der Autoindustrie-Experte Shodjaie hält die Idee für fatal. Die Chinesen würden die gesamte iranische Automobilindustrie in den Bankrott treiben, stellte er in dem Interview mit ILNA klar. Sie würden die iranischen Autos durch ihre eigenen Autos ersetzen und somit auch das Netzwerk von mehr als 1.200 Zulieferern zerschlagen. Riesige Insolvenzwellen und Massenarbeitslosigkeit würden die Folgen sein.

Neben marktwirtschaftlichen Reformen spricht sich Shodjaie für die Bildung von Vertrauen in Investoren und den Privatsektor auf gesellschaftlicher Ebene aus. Dafür nimmt er die Medien in die Pflicht. Das Misstrauen gegenüber privaten Unternehmern hat im Iran seine Wurzeln vor allem in den kommunistischen Einstellungen einflussreicher Intellektueller der vergangenen 100 Jahre. Nach der Islamischen Revolution 1979 wurden private Investoren und Unternehmer als das Symbol des angefeindeten Kapitalismus um ihren Besitz gebracht und zum Teil hingerichtet.

Doch durch entsprechende Reformen und gezielte Unterstützungen würden die iranischen Autohersteller in einem überschaubaren Zeitraum das Kundenvertrauen gewinnen und sogar exportfähige Autos herstellen können, prophezeit Esmail Shodjaie im Gespräch mit ILNA.

Foto: khabaronline

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