Iran in der Finanzfalle

Wie soll der Iran auch diese Standards erfüllen, wie kann das praktisch geschehen? Ayatollah Jannati hat recht, wenn er sagt, das käme einer „Selbstsanktionierung“ gleich. Iranische Banken müssten mächtige Institutionen und Machthaber im eigenen Land sanktionieren, bevor sie von einer europäischen Bank als Geschäftspartner akzeptiert würden. Und das ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit: Fast der gesamte harte Kern der Macht im Iran wäre betroffen. Würde die Islamische Republik die Standards der FATF tatsächlich einhalten wollen, hätte etwa das größte militärisch-industrielle Konglomerat des Landes – das Khatam al-Anbiya Construction Headquarter – kein Bankkonto mehr. Selbst die Revolutionsgarden – Armee, Polizei und Geheimdienst zugleich – samt ihren wichtigsten Kommandeuren stünden ohne Bankverbindung da.
Die Black List der FATF, jene 78 Personen und Institutionen, deren Bestrafung Jannati fürchtet, gehören zur iranischen Machtspitze. Auswege aus diesem Dilemma wären denkbar, wenn etwa alle diese Personen und Institutionen andere Namen bekämen. Das wäre in der Islamischen Republik durchaus machbar. Doch die FATF verlangt noch mehr.
Wer ist Terrorist?
Die Erfüllung der FATF-Bedingungen würde auch die iranische Außenpolitik völlig umkrempeln. Die Frage ist: Was ist Terrorismusfinanzierung und wer ist überhaupt ein Terrorist? Sind die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas terroristische Organisationen, deren Finanzierung der Iran einstellen sollte? Das wäre selbst für den gemäßigten Außenminister Zarif ein Frevel, geschweige den für Revolutionsführer Khamenei. Die Hisbollah gehört praktisch zur Staatsräson der islamischen Republik – nicht nur ideologisch und religiös, sondern auch politisch. Sie wurde von den Revolutionsgarden Anfang der 1980er Jahre im Libanon gegründet und ist bis heute die ausländische Truppe, der die islamische Republik in jeder Situation völlig vertrauen kann.

Dir Regierung möchte wohlhabende staatliche Institutionen wie die mächtige Revolutionsgarde besteuern - bisher erfolglos!
Auch die Revolutionsgarde steht auf der sogenannten Black List der FATF

So wie dieser Tage in Syrien, gemeinsam mit dem Iran, an der Seite Assads und im Dienst eines neuen Nahen Ostens. Niemals würde irgendeine Fraktion der iranischen Herrschaft, möge sie radikal, gemäßigt oder reformorientiert sein, die Hisbollah als Terrororganisation definieren. Langsam begreifen viele an der Spitze der Islamischen Republik, dass die FATF innen- wie außenpolitisch wie eine Falle funktioniert. Bleibt man neben Nordkorea auf der schwarzen Liste, bleibt alles so wie gehabt: ausgeschlossen von jeglicher normaler Bankverbindung mit der Welt, Warenhandel nur mit China und Russland, und wenn westliche Güter gebraucht werden, dann versucht man es mit Dreiecksgeschäften, die oft in den Schwarzmarkt münden.
Die provisorische Vereinbarung mit der FATF vom vergangenen Juni war ein vorsichtiger Versuch von Präsident Rouhani, einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden. Doch die Widerstände sind enorm.
Khamenei hat das letzte Wort
Wer die FATF-Normen akzeptiere, der lade Daesh, den „Islamischen Staat“, in den Iran ein, schrieb Hossein Schariatmadari, Chefredakteur der Teheraner Tageszeitung Keyhan, am 4. September in seinem Leitartikel. Denkt auch der Revolutionsführer Khamenei so? Schariatmadari gehört zu dessen engsten Vertrauten.
Noch vor kurzem wusste wenige IranerInnnen, was die FATF eigentlich ist. Dank der Freitagsprediger und radikaler Webseiten und Zeitungen ahnen mittlerweile viele, dass sich hinter diesen vier Buchstaben Schicksalhaftes verbirgt. Und wer entscheidet nun über die Schicksalsfrage? Rouhanis Kabinett kann es nicht. Nicht einmal der Nationale Sicherheitsrat allein kann das. Am Ende der Beratungen in allen Gremien werde schließlich Khamenei die Vereinbarung genehmigen, sagte Ali Schamkhani, Generalsekretär des Sicherheitsrats, am 13. September. Nun warten alle auf das letzte Wort des mächtigsten Mannes des Landes. Und der schweigt noch.
ALI SADRZADEH
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