Verhängnisvolle Geständnisse des Hisbollahführers
In einer weltweit koordinierten Aktion wurden Bankkonten der Hisbollah geschlossen. Um die Gemüter der Kämpfer und der Parteibasis zu beruhigen, gestand Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah öffentlich, alles, was die Hisbollah brauche – Geld, Waffen und Nahrungsmittel – käme direkt aus dem Iran, auf arabische Banken sei er deshalb gar nicht angewiesen. Ein folgenreiches Geständnis für den Iran.
Von Ali Sadrzadeh
Wie lautet der teuerste Satz der jüngsten Geschichte? Was sich wie eine Quizfrage anhört, beschäftigt dieser Tage viele iranische Juristen. Für sie ist dies keine Denkaufgabe, sondern eine sehr ernste Angelegenheit, das Bemühen, zu begreifen, was demnächst wahrscheinlich auf ihr Land zukommt. Deutsche Leser würden sich bei dieser Frage wohl sofort an die Deutsche Bank und Leo Kirch erinnern. An jenen verhängnisvollen Satz von Rolf Breuer, dem Sprecher der Deutschen Bank, über den inzwischen verstorbenen Medienmogul Leo Kirch und dessen Kreditwürdigkeit im Februar 2002. Nach einer jahrelangen Prozessschlacht zahlte die Bank wegen eines einzigen Satzes den Kirch-Erben schließlich 928 Millionen Euro.Wollte man im Jargon der Deutschen Bank bleiben, ist diese Summe Peanuts verglichen mit dem, was voraussichtlich auf die Islamische Republik zukommt.
Warten auf die Worte des Herrn
Gesprochen hat den verhängnisvollen Satz Hassan Nasrallah, der Chef der libanesischen Hisbollah („Partei Gottes“), am 24. Juni im Hisbollah-eigenen Fernsehsender Al Manar. An diesem Abend lauschten nach dem Fastenbrechen nicht nur Anhänger und Parteifunktionäre, sondern auch Gegner und Journalisten dem mächtigen Milizenführer. Besonders aufmerksam sogar, denn diese Ansprache war als sehr wichtig angekündigt worden, tagelang hatten libanesische Zeitungen und sogar iranische Webseiten auf sie hingewiesen. Nasrallah, der sich seit Jahren nur aus einem Versteck meldet, wollte an diesem Abend seinen Anhängern ebenso wie der gesamten arabischen Öffentlichkeit seine neue Strategie offenbaren, er musste erklären, wie er den hermetischen Sanktionen begegnen will, an denen sich inzwischen sogar die libanesischen Banken beteiligen. Die Finanzquellen der Partei Gottes sollen in einer weltweit koordinierten Aktion geschlossen werden. Deshalb mussten an diesem Abend alle Nasrallah genau zuhören. Alles, was er sagte, hatte direkt und indirekt mit dem Schicksal der ganzen Region zu tun: Seine Organisation bestimmt derzeit die Zukunft des Kriegs in Syrien ebenso mit wie die des Libanon. Mehr noch: Am Ende seiner Rede dämmert iranischen Zuhörern, dass Hassan Nasrallah auch die Zukunft des Iran entscheidend mitbestimmt: verkehrte Verhältnisse, der Schwanz wedelt mit dem Hund.
Die Geburt des Kindes
Die Hisbollah ist das Kind der islamischen Revolution. Selbst ihr Name stammt aus dem Iran. „Hezb faghat Hisbollah“ – „Es gibt keine Partei als die Partei Gottes“: Dieser Schlachtruf erwies sich während der Islamischen Revolution 1979 als sehr erfolgreich, mit ihm hat man fast alle Gegner Khomeinis niedergebrüllt. Drei Jahre später, 1982, als der libanesische Bürgerkrieg kurz nach dem israelischen Einmarsch in den Libanon begann, wurde der Slogan auch dort zur Kriegsparole. Dafür sorgte zunächst eine Fatwa der Republikgründer Ayatollah Khomeini, in der er alle Moslems der Welt zum Kampf gegen Israel aufrief. In dieser Fatwa taucht das Wort Hisbollah auf. Und es wurde auch zur offiziellen Bezeichnung einer Einheit von 1.500 iranischen Revolutionsgardisten, die in einer Kaserne im libanesischen Baalbek stationiert war.
Die iranischen Revolutionäre waren mit ihren Erfahrungen auch fern der Heimat erfolgreich. Unter den libanesischen Glaubensbrüdern schmiedeten sie eine schlagkräftige Miliz namens Hisbollah, die schließlich die jüngste Geschichte der Region entscheidend mitprägen sollte. So wird der Iran direkt und indirekt ein Teil des libanesischen Bürgerkrieges, der 16 Jahre dauerte. Heute sind der Iran und die Hisbollah gemeinsam in einen regional entgrenzten Bürgerkrieg involviert. Wie Vater und Kind sehen sie sich einer sunnitischen Welt gegenüber, die zunehmend feindlicher wird. Iran und Hisbollah haben sich zu einer Art Schicksalsgemeinschaft entwickelt, unzertrennlich und voneinander abhängig. Der eine ein undurchschaubarer Staat, der andere eine mächtige Miliz, die auch eine anerkannte soziale Bewegung darstellt. Für fast alle Staaten dieser Welt, die arabischen eingeschlossen, gilt die Hisbollah aber als terroristische Organisation.
Die arabische Front gegen Hisbollah
Als im vergangenen März auch die Arabische Liga die Hisbollah zur Terrororganisation erklärte, gab es keine Gegenstimme. Nur der Irak und der Libanon enthielten sich. Nun sieht sich auch der Libanon gezwungen zu handeln. Eine Woche vor Nasrallahs Ansprache hatten mehrere libanesische Banken Hisbollah-Konten gesperrt. Der Gouverneur der Beiruter Zentralbank, Riad Salameh, begründete diesen Schritt ganz rational und nachvollziehbar: „Unsere Priorität ist, den Libanon auf dem internationalen Finanzmarkt zu halten. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, das US-Gesetz im Libanon umzusetzen. Wir haben die erforderlichen Strukturen eingeführt, um die Ziele des Gesetzes zu erfüllen und gleichzeitig die Rechte der Schiiten zu wahren, wenn sie mit Banken verhandeln.“ Mit anderen Worten will der Libanon weiterhin das Finanzzentrum der Region bleiben und muss deshalb den Aufforderungen der USA nachkommen und die Finanzierung der Hisbollah stoppen.
Parteigänger werden nervös
Von den Kontensperrungen ist nicht nur die Kriegskasse betroffen. Es droht das Ende der Partei Gottes als soziale Bewegung. Die Alarmglocken sind unüberhörbar: Schon einen Tag nach dieser Ankündigung schrieb die Hisbollah-nahe libanesische Zeitung Al-Achbar, die Umsetzung des US-Gesetzes greife nicht nur den Geldfluss an. Durch die Schließung der Konten seien viele soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser bedroht. Dies könne zu Entlassungen von Tausenden Beschäftigten führen. Und nicht alle Mitarbeiter dieser Einrichtungen seien Unterstützer der Hisbollah.
Annähernd hundert Einrichtung der Hisbollah im Libanon sind von der Sanktion betroffen. Die Einschläge kommen also näher, die Zukunft ist ungewiss, daher stellt sich die Frage, was will, was kann der mächtige Chef Nasrallah in dieser Situation tun? Deshalb waren alle, Anhänger wie Gegner, gespannt, was er an jenem Abend des 24. Juni zu sagen hatte.
Teure Worte
Die Rede war wie immer propagandistisch. Doch als Nasrallah die zehntausenden Libanesen beruhigen wollte, die finanziell von der Hisbollah abhängig sind, fielen jene verhängnisvollen und sehr teuren Worte, die den Iran lange verfolgen werden: „Hinsichtlich des Budgets der Hisbollah halten wir nichts geheim. Unsere Einnahmen, unsere Ausgaben, alles, was gegessen und getrunken wird, die Raketen und andere Fernwaffen – alles erhalten wir aus dem Iran … Die neue Runde von US-Sanktionen wird keinen Einfluss auf die Organisation haben, denn die Hisbollah deckt ihre finanziellen Bedürfnisse nicht über libanesische Banken, sondern erhält die Mittel direkt aus dem Iran.“
Milliarden-Geschenk für US-Anwälte
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